Seit Julian Nagelsmann Bundestrainer ist, geht es mit der deutschen Nationalmannschaft aufwärts. Viertelfinale in der Nations League: Das hat kein Vorgänger geschafft. Soll er deswegen schon jetzt einen neuen DFB-Vertrag bekommen? Unser Kolumnist mahnt zur Geduld.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Pit Gottschalk dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Leweling, Stiller, Schade, Burkardt wir lernen bei der Nationalelf plötzlich die Namen von Spielern, die wir vor einem Jahr auf keinem Zettel hatten. Sie sind, was man beim Fußball den "zweiten Anzug" nennt: die Ersatzleute, wenn die Stammkräfte ausfallen. Machte aber nichts: Das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann besiegte die Niederlande trotzdem 1:0 und zog ins Viertelfinale der Nations League ein. Dass die neue Siegermentalität aus der Reihe der Nachrücker reicht, um dem Erzrivalen aus dem Nachbarland maximal drei gute Torchancen zu erlauben, ist eine Qualität, die wir uns vor einem Jahr nicht vorstellen konnten.

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Damals übernahm Nagelsmann einen verlotterten Kader, der Deutschland 2022 die zweite WM-Blamage in Folge zugemutet hatte und nicht mehr auf die Beine kam. Das Erbe, das Vorgänger Hansi Flick hinterlassen hatte, war kein gutes. Kein Mumm, keine Hierarchie, keine Richtung: Wir blamierten uns anschließend gegen die Türkei und gegen Österreich. Nagelsmann brauchte Geduld und ein bisschen Zeit für seine Korrekturen. Heute steht die Nationalmannschaft glänzend da. Die Münchner Allianz Arena war ausverkauft, vor allem die erste Halbzeit produzierte Werbung für den deutschen Fußball. Das ist toll!

Neuer Vertrag für Julian Nagelsmann? Gemach, gemach

Soll man deswegen Nagelsmanns DFB-Vertrag schon jetzt über die WM 2026 hinaus verlängern, wie es Sportdirektor Rudi Völler angedeutet hat? Gemach, gemach. Dafür ist es zu früh. Wir dürfen mit der Entwicklungsarbeit zufrieden sein, jeder spürt es: Die Nationalmannschaft ist auf einem guten Weg. Mehr aber auch nicht. Ungern erinnern wir uns daran, dass die EM zwar eine unerwartete Euphorie im Land ausgelöst hat, aber auch mit dem Viertelfinal-Aus das schlechteste Ergebnis einer deutschen Nationalelf bei einem Heimturnier jemals brachte. Es besteht noch kein Grund zu voreiligem Aktionismus.

Das hat der DFB schon einmal ohne Not gemacht, damals bei Joachim Löw, und die Vertragsverlängerung teuer bezahlt. Nagelsmann muss erst noch beweisen, dass seine Grundlagenarbeit bei Spielsystem und Kaderauswahl auch zu Erfolgen führt. Nicht falsch verstehen: Er leistet sehr gute Arbeit. Aber für die wird er schon jetzt sehr gut bezahlt. Auch für ihn gilt, was er von seinen Spielern fordert: das Leistungsprinzip. Das Weiterkommen in der Nations League ist nicht der Maßstab, sondern das Abschneiden bei EM- und WM-Turnieren. Besteht er dort den Leistungsvergleich, soll er bekommen, was er verlangt. Nicht vorher.

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