Endlich war er die Nummer 1 im deutschen Tor. Jetzt fällt Marc-André ter Stegen mit einem Sehnenriss monatelang aus. Das wirft neue Fragen auf.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Der Weltmeister-Torwart ist zurückgetreten, das Tor der Nationalmannschaft verwaist, und du weißt: Deine Zeit ist endlich gekommen! Zwar erst im Alter von 32 Jahren, aber dafür unaufhaltsam: Du sollst bei der Nordamerika-WM 2026 die Nummer 1 auf dem Rücken tragen. Du - und nicht mehr Manuel Neuer.

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Wir können nicht ermessen, welche Schmerzen Marc-André ter Stegen in diesen Stunden ertragen muss. Weder die körperlichen, nachdem seine Patellasehne beim Auswärtsspiel in Villarreal gerissen ist, noch die seelischen. Er fällt monatelang aus. Ob er zur WM 2026 wieder rechtzeitig auf die Beine kommt: Man weiß es nicht.

Was wir wissen: Deutschlands zweitbester Torhüter, seit Jahren auf Weltklasse-Niveau beim FC Barcelona, durfte endlich sein erstes großes Turnier an verantwortlicher Stelle planen. Und musste gestern unters Messer. Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte ihm sofort jede Unterstützung zu.

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Das ist gut gemeint und trotzdem kein Trost. Marc-André ter Stegen ahnt wohl, dass jetzt seine Karriere auf dem Spiel steht. Der Höhepunkt einer erfolgreichen Laufbahn. Es ist zum Kotzen, wenn das Schicksal einem tadellosen Sportsmann die Beine wegreißt. Als Fußballfan leidet man aus der Ferne mit.

Alex Nübel rückt als Stammtorwart an erste Stelle

Sein Vorgänger Manuel Neuer hat ähnliche Rückschläge erleben müssen und kam jedes Mal rechtzeitig zum Turnierbeginn zurück. Manchmal auf den letzten Drücker. Er profitierte von einem Amtsbonus, den Torhüter für sich beanspruchen können, wenn sie jahrelang die Nummer 1 oder Weltmeister waren.

Beides war ter Stegen bei der Nationalmannschaft nicht. Sein Argument wird ein anderes sein. Immer hat er den Mund gehalten, als seine Form die bessere war als die von Manuel Neuer, und den Status als Bankdrücker schmollend akzeptiert. Er hat es sich einfach verdient, dass man ihm jetzt ebenfalls einen Bonus zugesteht.

Sein Konkurrent Alex Nübel mag das nicht gut finden, weil er selbst Nummer 1 werden will und auf das Leistungsprinzip pocht. Aber manchmal gibt es halt Situationen, die man menschlich betrachten muss und nicht sportlich. Das hier ist so eine. Man darf gespannt sein, wie Bundestrainer Nagelsmann damit umgeht.

Im Moment muss er keine Antwort auf die Torwartfrage geben. Nübel ist, so die Prognose, vorübergehend sein neuer Stammtorwart. Aber irgendwann kommt ter Stegen hoffentlich zurück. Dann wird man genau hinschauen, ob man ihm denselben Bonus zugesteht wie damals Manuel Neuer vor der WM 2018.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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