Hansi Flick nominiert am Donnerstag seinen Kader für die Länderspiele im September. Der angezählte Bundestrainer muss mit Blick auf die Heim-EM liefern, die Zeit der Experimente ist vorbei.

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Der Druck ist immens. Wer am Montag bis 18:00 Uhr das Mannschaftshotel in Wolfsburg betritt, gehört zu den auserkorenen Rettern des am Boden liegenden deutschen Fußballs. Am Donnerstag verrät Hansi Flick, welchen Kickern er diese Bürde ein Dreivierteljahr vor der Heim-EM auferlegen wird. Die Nominierten für die anstehenden Länderspiele stehen nach den Monaten des Niedergangs seit dem WM-Vorrundenaus vor einer riesigen Aufgabe - sie sollen den angeschlagenen Bundestrainer stützen und endlich EURO-Euphorie entfachen.

"Ab jetzt gilt's", propagierte Flick, der in den ersten Wochen der jungen Saison seine potenziellen Schützlinge bei zahlreichen Partien vor Ort unter die Lupe genommen hat, die kämpferische Parole vor der Kaderbekanntgabe. "Jetzt beginnt die EM-Vorbereitung", sagte der Coach dem kicker mit Blick auf die Endrunde (14. Juni bis 14. Juli): "Entscheidend ist, dass wir jetzt ein Kernteam finden mit fünf, sechs, sieben oder acht Positionen, auf denen wir die Nummer eins benennen."

Da Flick wie der Rest der Fußballnation "keinen Bock mehr" auf Pleiten hat, muss er mit seinem Team liefern. Am 9. September (20:45 Uhr/RTL) in Wolfsburg gegen WM-Schreck Japan und drei Tage später (21:00 Uhr/ARD) in Dortmund gegen Vizeweltmeister Frankreich soll die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) andere Leistungen präsentieren als bei den zurückliegenden Niederlagen gegen Polen und Kolumbien.

Flick kann sich ein erneutes Versagen nicht leisten

Nach dem dreifachen Juni-Flop gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) kann sich Flick ein erneutes Versagen nicht leisten. "Das müssen jetzt mal gute Länderspiele werden. Wenn das nicht funktioniert, wird sicher auch nochmal über seine Position diskutiert", sagte Lothar Matthäus. Obwohl der Rekordnationalspieler nach wie vor "wirklich überzeugt" von Flick ist, fordert er eindringlich ein Ende aller Experimente. Wichtig sei, betonte Matthäus, "dass jeder dann das spielt, was er auch spielen kann".

Ähnliches schrieb Hans-Joachim Watzke dem Bundestrainer ins Stammbuch. "Es geht darum, ein System zu entwickeln, das Erfolge möglich macht. Da ist Hansi Flick gefragt", sagte der DFB-Vize der FAZ. Doch obwohl Watzke das "Potenzial" für eine gute EM sieht, glaubt er schon jetzt nicht mehr an den ganz großen Wurf. "Vom Titel reden sollten wir lieber nicht", sagte Watzke. "Uns fehlen beispielsweise Spielertypen, die widerstandsfähiger, konsequenter und durchsetzungsstärker sind."

Wen lädt der Bundestrainer ein? Sportdirektor Rudi Völler hatte zuletzt nicht Flick ("Hansi ist am Ende doch die ärmste Sau") ins Visier genommen, sondern die Spieler. Der frühere DFB-Teamchef hinterfragte Qualität und Mentalität. "Der eine oder andere ist bei allem Bemühen an die Grenze gekommen", kritisierte Völler. Und der 63-Jährige rügte: "Wenn wir eine gute EM spielen wollen, müssen wir mehr brennen."

Die gesuchten Spieler kann Flick auch am Donnerstag nicht aus dem Hut zaubern. Deshalb werden keine personellen Überraschungen erwartet. Der seit Monaten fehlende Manuel Neuer ist noch keine Option, der verletzte Jamal Musiala dürfte auch fehlen. Ein Fragezeichen steht hinter Thomas Müller, der zuletzt gescholtene Niklas Süle könnte zurückkehren. Abwehr-Youngster Malick Thiaw war der einzige echte Lichtblick während Flicks missglückter Experimentierphase in den ersten fünf Länderspielen dieses Jahres.

Vor allem von Gündogan fordert Flick mehr

Flick hat sein "Gerüst" bereits im Kopf. Dazu gehören Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich, Emre Can und Ilkay Gündogan. Vor allem von Gündogan fordert Flick, dass er "bei uns noch mehr Führung übernehmen" müsse. "Ilkay bringt alles mit, um voranzugehen. Und das erwarten wir von ihm". Verbal ist Deutschlands Fußballer des Jahres schon in die Offensive gegangen: "Es gibt jetzt keine Vorbereitungsspiele mehr. Es gibt nur noch Erfolg oder Misserfolg."

Dieses Credo gilt bis zur EM. Der Weg dorthin steht für das laufende Jahr bereits weitgehend fest. Im Oktober wird die Mannschaft in die USA reisen. Nach dem Auftakt gegen den Gastgeber am 14. Oktober in Hartford spielt das DFB-Team vier Tage darauf in Philadelphia gegen Gold-Cup-Sieger Mexiko.

Im November wird es wahrscheinlich eine Partie gegen die vom früheren U21-Trainer Stefan Kuntz trainierte Türkei in Berlin geben. Das letzte Länderspiel des Jahres steht am 21. November in Wien gegen Österreich an. (SID/dpa/lh)

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