Manuel Neuer hat den Kampf um den Platz im EM-Tor nach dem Willen des Bundestrainers gewonnen. Doch kurz, nachdem Julian Nagelsmann seine Entscheidung offiziell verkündet, patzt Neuer wieder einmal. Müsste jetzt doch die Stunde von Marc-André ter Stegen schlagen? Ein Pro und Contra.

Meine Meinung
Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Jörg Hausmann und Julian Münz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Pro: Keiner besitzt die Klasse, Erfahrung und Ausstrahlung eines Manuel Neuer

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von Jörg Hausmann

Zwei Tage nach der offiziellen Nominierung des deutschen EM-Kaders wurde es nicht einfacher, des Bundestrainers Entscheidung für Manuel Neuer als deutsche Nummer eins im Tor zu verteidigen. Neuer patzte in Hoffenheim unmittelbar vor dem ersten Tor der Gastgeber, als er Ihlas Bebou den Ball ohne nennenswerten Gegnerdruck im Strafraum der Münchner in den Fuß spielte. Damit nicht genug der Schützenhilfe. Vor dem 3:2 durch Andrej Kramaric wollte Neuer dessen Schuss am Tor vorbeigucken und verschätzte sich, wie es einem Mann seiner Klasse und Erfahrung niemals passieren dürfte. Und die Chance zum 4:2 und sein drittes Tor bekam Kramaric nur, weil Neuer bei seinem Zuspiel an den Strafraum Konrad Laimer in höchste Not brachte und der vom Gegner bedrängte Österreicher die Kugel nicht unter Kontrolle bekam. Rechnen wir nun Neuers Patzer dazu, der bei Real Madrid das Ausscheiden des FC Bayern einleitete, könnte der Schluss stehen, dass der Weltmeister von 2014 zehn Jahre danach ein sportliches Sicherheitsrisiko darstellt. Fest steht: Seinen sportlichen Zenit hat Neuer überschritten.

Für mich stellt sich die Frage nach dem besten Torwart der Welt trotzdem nicht. Sie muss nach wie vor mit Manuel Neuer beantwortet werden. Am Weltmeister von 2014 führt auch bei der Heim-EM 2024 kein Weg vorbei.

Da ist einerseits die nach wie vor vorhandene Klasse Neuers. Nur, wer das Halbfinale bei Real nur mit eingeengtem Blick betrachtet, übersieht die Glanztaten Neuers vor seinem Fehler,der das Spielmit entschied. Und auch gegen Hoffenheim verhinderte nur Neuers tolle Reaktion, als er einen Kramaric-Schuss aus dem Winkel fischte, das vierte Tor des Kroaten an jenem letzten Spieltag. Im für Torhüter alles andere als hohen Alter von 37 Jahren bringt Neuer nicht nur die Erfahrung aus alleine vier WM-Teilnahmen und drei EM-Turnieren mit. Er hat auch nach schweren Verletzungen und langen Pausen immer wieder bewiesen, sein altes Niveau rasch wieder zu erreichen. Dazu gehören Fleiß und ein enormer Wille.

Es steht außer Zweifel, dass Neuers Körper mit zunehmendem Alter mit der enormen Belastung offenbar immer weniger gut klarkommt. Neuers Verletzungsanfälligkeit steigt. Doch genau dann zeigt sich sein Charakter, der nicht gestillte Hunger nach Titeln, der Ehrgeiz, sich nicht auf Dauer aus dem Tor verdrängen zu lassen - weder beim FC Bayern München noch in der Nationalmannschaft.

Neuer wurde rechtzeitig zur WM 2018 fit, und auch nach seinem komplizierten Bruch des Unterschenkels beim Skifahren nach der WM 2022 kehrte der auf Schalke geformte Athlet in gewohnter Form zwischen die Pfosten zurück. Dass er dort steht, ist auch alleine wegen seiner Wirkung auf gegnerische Stürmer nicht zu unterschätzen. Wer im Alleingang auf Neuer zuläuft, weiß, dass er es mit dem besten Torwart der Welt aufnimmt. Und so schwer der Ball - in der Regel - an Neuer vorbeizubringen ist, so schwer kam Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Besetzung des EM-Tores an Neuer vorbei.

Contra: Neuer ist ein größeres Risiko als ter Stegen

von Julian Münz

Deutschland liebt Manuel Neuer. Das ist angesichts seiner überragenden Leistungen, die er rund um den WM-Titel 2014 lange Jahre abgeliefert hat, verständlich. Doch trotz aller guter Erinnerungen: Wenn die EM-Hoffnungen auf einem verletzungsanfälligen 37-Jährigen liegen, während auf der Bank ein Stellvertreter sitzt, der längst zur Weltklasse gehört, dann läuft etwas falsch.

Zur Erinnerung: Seit dem 1. Dezember 2022, dem letzten Vorrundenspiel der WM in Katar, hat Manuel Neuer kein Spiel mehr für die deutsche Nationalmannschaft bestritten. Jetzt ist klar, dass bis mindestens Juni, kurz vor dem ersten Spiel bei der EM, keine Chance mehr auf ein Comeback besteht. Eine solche Situation war schon vor der WM 2018 ein Risiko. Wenn der Torwart bereits auf die 40 zugeht, ist sie das umso mehr.

Vor allem aber ist dieses Risiko unnötig, denn Neuers Nachfolger steht schon lange bereit. Ter Stegen ist nicht nur jünger und fitter als Neuer, sondern spielt beim FC Barcelona längst auch schon auf ähnlichem Niveau wie der ehemalige Welttorhüter - ein Champions-League-Titel sowie mehrere Meisterschaften und Pokale sprechen für sich. Dass er dies im DFB-Trikot seltener unter Beweis stellen konnte als im Verein, liegt auch daran, dass man ihm trotz langer Verletzungspausen von Neuer immer nur die Rolle der netten Aushilfslösung gegeben hat - wirkliches Vertrauen sieht anders aus.

Auch unabhängig von Neuers Verletzung hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann deshalb einen guten Zeitpunkt verpasst, den sowieso bald notwendigen Torwartwechsel im DFB-Team frühzeitig umzusetzen. Jetzt aber ist eine Entscheidung pro ter Stegen nicht nur perspektivisch, sondern auch für die EM 2024 der bessere Weg.

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