Beim Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich blieben wieder tausende Plätze im Stadion leer. Hat der deutsche Fußball ein Zuschauer-Problem? Wie günstig sind Tickets im internationalen Vergleich wirklich? Eine Reise von München bis Madrid.

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Bereits nach wenigen Minuten machte sich Spott über diesem Länderspiel breit. "Hier hört man alles. So leise ist es wirklich selten im Kölner Stadion", merkte ARD-Kommentator Steffen Simon nach einer Viertelstunde an.

Dass Deutschland gegen Frankreich (2:2) zum ersten Mal seit 1997 die Chance hatte, in einem Kalenderjahr ohne Niederlage zu bleiben, lockte nur wenige Schaulustige an.

Bis Montag waren in Köln nur 30.000 Karten verkauft worden, letztlich blieben noch knapp 10.000 der 46.195 verfügbaren Plätze leer. Ein Trend, der sich schon seit einiger Zeit beobachten lässt.

Selbst die Abschiedsspiele für die Weltmeister Bastian Schweinsteiger (in Mönchengladbach gegen Finnland) und Lukas Podolski (in Dortmund gegen England) konnten eines nicht kaschieren: Der DFB hat ein Zuschauer- und Stimmungsproblem. Von 15 DFB-Länderspielen in diesem Jahr waren lediglich vier ausverkauft - und nur eines davon fand in Deutschland statt (in Stuttgart gegen Norwegen).

Nur wenige preiswerte DFB-Tickets

Viele Twitter-Nutzer machten dies an den hohen Kartenpreisen fest, "160 DM für ein Testspiel ist schlicht eine Frechheit", hieß es beispielsweise.

In Köln gab es zwar auch Karten für 25 Euro sowie ermäßigte Tickets für Schüler und Studenten, die weiteren Kategorien waren mit 45, 60, 80 und 100 Euro allerdings nicht für eine Familienfeier im Stadion geeignet. Dabei gibt sich der deutsche Fußball stets fan- und familienfreundlich.

Daher stellt sich die Frage, ob ein Stadionbesuch in Deutschland wirklich so viel erschwinglicher ist als in anderen Topligen Europas. Ob es in Deutschland wirklich so viel besser ist, wie immer behauptet wird.

Für unser Beispiel erzählen wir die fiktive Geschichte von Familienvater Thomas und seinen beiden Kindern Ben und Leonie.

Als Fan von Werder Bremen muss Thomas von Spiel zu Spiel schauen, wie viel er bezahlen muss.

Zuschlag für Topspiele

Je nach Gegner gibt es drei verschiedene Preise für jeden Sitzplatz im Stadion. Gegen die Bayern kostet es mehr, gegen Freiburg dementsprechend weniger.

Im Durchschnitt gibt Thomas pro Besuch im Weserstadion etwa 45 Euro aus, seine Kinder kann er für die Hälfte mitnehmen.

Ob er für einen ähnlichen Platz bei einem anderen Bundesligisten mehr oder weniger zahlen müsste, ist für Thomas nicht immer ersichtlich.

Das eine Stadion hat einen Rang, das nächste zwei, München sogar drei. Manche Stadien haben Ecken, andere nicht, wieder andere sogar noch Kurven mit Laufbahn.

Mehr als 50 Euro für einen Familienbesuch

Doch so unterschiedlich die Preismodelle in Deutschland auch sind, Thomas würde für eine mittlere Sitzplatzkategorie auch in den meisten anderen Bundesligastadien zwischen 40 und 45 Euro zahlen.

Mal gibt es Topspielzuschläge, mal Rabatte für Kinder, Senioren oder Studenten. In Dortmund würde Thomas im Familienblock 45,90 Euro zahlen, seine Kinder könnte er für jeweils sieben Euro mitnehmen. Zuschläge gibt es nur für die Spiele gegen Bayern und Schalke.

Dennoch sind in Dortmund nicht alle Fans zufrieden. "Es wird nicht mehr lange dauern, bis man in der Bundesliga für unter 40 Euro keinen Sitzplatz mehr bekommt", kritisiert Sascha Roolf vom BVB-Fanzine schwatzgelb.de: "Da wird der Stadionbesuch schon zu einer echten finanziellen Belastung."

Der FC Bayern gewährt bis 13 Jahre 50 Prozent Rabatt. Für seinen 14 Jahre alten Sohn Ben müsste Thomas also die vollen 35 Euro für das günstigste Sitzplatzticket zahlen.

"Wir Dauerkartenbesitzer zahlen in München mit 140 Euro pro Saison für einen Stehplatz einen spektakulär niedrigen Preis", räumt ein Sprecher des Club Nr. 12, der Vereinigung aktiver FC-Bayern-Fans, ein.

Generell sähe die Lage aber nicht so rosig aus: "Wir können in ganz Europa beobachten, dass die Klubs versuchen, das Stadion zum höchstmöglichen Preis gerade so voll zu bekommen. Also das absolute Maximum rauszuholen."

England treibt Preis-Wahnsinn auf die Spitze

Ein Trip nach England gilt für Fußballfans hierzulande beinahe als unbezahlbar. Tatsächlich ist vor allem durch den Wegfall der Stehplätze Anfang der Neunziger die einstige Fankultur fast gänzlich ausgestorben, auf den Tribünen sitzen heute mehr Fußballtouristen aus aller Welt als englische Fans oder Familien.

Kein Wunder, wenn beim FC Arsenal die günstigste Dauerkarte bei etwa 1.200 Euro liegt. Doch die Premier League lenkt langsam ein.

Der FC Liverpool versprach Anfang 2016, die Preise in den kommenden beiden Spielzeiten nicht zu erhöhen. "Die Botschaft ist angekommen", hieß es nach einem lautstarken Fan-Protest in einem Schreiben der Besitzer.

Mittlerweile gibt es in Liverpool immerhin ein paar Hundert Kindertickets für neun Pfund (gut zehn Euro) pro Spiel, eine Karte der mittleren Kategorie gäbe es für Thomas an der Tageskasse für gut 50 Euro.

Besuch eines Juventus-Spiels wird teuer

Auch in Italien gibt es mittlerweile stark rabattierte Eintrittskarten. Doch auch hier fällt die Vergleichbarkeit schwer, je nach Klub, Gegner und Jahreszeit schwanken die Preise.

In der neuen Arena des Rekordmeisters Juventus Turin müsste Thomas für sich 65, für seine Kinder jeweils 35 Euro zahlen.

Im Familienblock des SSC Neapel wären es 30 Euro für sich und nur jeweils fünf für Ben und Leonie - dafür säßen die drei im Stadio San Paolo auch in einer zugigen und baufälligen Betonschüssel. Die Zuschauerzahlen sind dementsprechend schaurig.

Vor zwei Jahren war Thomas mit seinem besten Freund in der spanischen Hauptstadt beim "Derbi madrileño".

Die Plätze im alten Stadion von Atlético Madrid gegen den Lokalrivalen Real waren eher im mittelklassigen Segment. Die Preise allerdings nicht: Thomas und sein Freund blätterten jeweils 125 Euro hin.

"Damals haben sich die Leute überlegt: Kann ich mir die Reise leisten? Heute fragen sie sich: Kann ich mir das Ticket leisten?", sagt der Club-Nr.-12-Sprecher weiter.

Mit seinen Kindern könnte sich Thomas diesen Spaß schon lange nicht mehr leisten.

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