Der Angriff der Hamas am 7. Oktober und der folgende Krieg in Gaza haben in Israel Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, auch auf den Fußball.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Felix Tamsut sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

An den Tagen nach dem 7. Oktober, dem Angriff der Hamas auf Israel, wurde bekannt, dass der Fußballspieler Lior Assulin auf dem Nova-Festival war, auf dem mehr als 300 Menschen von Terroristen ermordet wurden.

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Lior Assulin war einer der bekanntesten Stürmer der israelischen Liga der 2000er-Jahre. 2004 schrieb er Geschichte, als er mit Bnei Sakhnin den israelischen Pokal gewann - als erster arabischer Verein.

Damals feierten die arabischen und jüdischen Spieler den Sieg, manche mit Israelfahnen, manche mit Fahnen Palästinas. Aber alle zusammen. Torschütze Assulin wurde zu einem Symbol der Koexistenz.

Inzwischen weiß man, dass Lior Assulin auf dem Nova-Festival ermordet wurde.

Ligabetrieb in Israel war zunächst eingestellt

Nach dem 7. Oktober wurde der Ligabetrieb im israelischen Fußball zunächst aus Sicherheitsgründen eingestellt, vor allem wegen der zahlreichen Raketenangriffe. Ende November nahm die Liga jedoch ihren Betrieb wieder auf, wenn auch ohne Zuschauer. Am ersten Spieltag nach der durch den Krieg erzwungenen Pause sorgte Maccabi Haifa bereits vor dem Spiel gegen Hapoel Petach Tikva für den ersten kriegsbezogenen Eklat.

Vor einer leeren Kulisse hielten die Spieler beider Mannschaften ein Banner, auf dem der Satz “bring them home now” stand. “Bringt sie sofort nach Hause” – eine Aufforderung an die Hamas-Terroristen, die noch immer viele Geiseln in ihrer Gewalt haben. Alle Spieler hielten das Banner, außer die ausländischen Spieler des israelischen Meisters.

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Der Verein erklärte daraufhin, dass die Spieler das Banner nicht halten wollten, unter anderem aus Angst vor den Reaktionen in ihren Heimatländern.

Nach öffentlicher Kritik musste sich Maccabi Haifa für das Vorgehen entschuldigen. Mittlerweile wird die Liga in Israel normal vor Zuschauern gespielt und das seit Februar 2024, nachdem die israelische Armee ein Maximum von 30.000 Fans zugelassen hat. Kein Stadion der israelischen Liga hat eine größere Kapazität.

Angespannte Stimmung: Spieler und Soldat beleidigt

Von Normalität kann aber nicht die Rede sein, wie die angespannte Situation zwischen Juden und Arabern in der israelischen Liga zeigt.

Als Hapoel Hadera beim arabischen Verein Bnei Sakhnin zu Gast war, standen zwei Vorfälle im Fokus. Zunächst hatten Fans vom Heimverein die Nationalhymne Israels laut ausgebuht. Noch dazu hatten Fans die Einwechslung von Menashe Zelke mit Pöbeleien und lauten Rufen begleitet. Zelke wurde in Israel dafür bekannt, dass er auch als aktiver Profifußballer in Gaza als Soldat gekämpft hatte.

Ultras erinnern an Ermordete und Verschleppte

Doch es gibt auch die andere Seite des Fußballs. Seit dem 7. Oktober beschäftigen sich einige der israelischen Ultragruppen mit Erinnerungsprojekten für ermordete oder verschleppte Fans.

In Tel Aviv und der angrenzenden Region sind viele Graffiti-Werke zu sehen, die Namen von Opfern des Angriffs der Hamas am 7. Oktober in deren Vereinsfarben enthalten. Ob rot-weiß (Hapoel Tel Aviv), blau-gelb (Maccabi Tel Aviv), grün-weiß (Maccabi Haifa) oder andere Farben, die Botschaft ist klar: Ihre Fanidentität spielt eine wichtige Rolle bei der Erinnerung an die Opfer.

Viele Graffiti erinnern auch an die verschleppten Fans. Hapoel Jerusalems Ultragruppe Brigade Malche hat überall in Jerusalem den Satz “Bring Hersh Home” gesprüht. Hersh Goldberg-Polin ist Mitglied der Ultragruppe und wurde am 7. Oktober als Geisel genommen.

Rufe werden lauter, Israel vom internationalen Fußball auszuschließen

Mit der Zeit und mit den Ergebnissen der israelischen Operation in Gaza sind auch die Rufe lauter geworden, Israel vom internationalen Fußball auszuschließen oder zumindest zu sanktionieren - ähnlich den Sanktionen gegen Russland, die seit dem Krieg gegen die Ukraine in Kraft sind. Im März hat der palästinensische Fußballverband diese Aufforderung in einem offiziellen Brief an die Fifa-Generalversammlung präsentiert.

In Israel spielt das Szenario, vom internationalen Fußball ausgeschlossen zu werden, eine eher kleine Rolle, da so eine Drohung nicht neu ist.

Der Krieg ist längst nicht vorbei, und diese Realität wird den Fußball weiterhin beeinflussen. Die Frage ist nur, wie der Fußball und seine Fans damit umgehen.

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