Der Traditionsclub FC Schalke 04 ist in Gefahr, in der sportlichen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Nach einem schwachen Saisonstart in der 2. Bundesliga folgte ein Trainerwechsel. Nun brachte Lothar Matthäus einen altbekannten Entscheidungsträger ins Spiel, der die Königsblauen retten soll.

Eine Analyse
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Rund 19 Jahre war Clemens Tönnies Aufsichtsratsboss von Schalke 04. Unter der Leitung des umstrittenen Fleisch-Tycoons gehörten die Königsblauen lange Zeit zur Spitzengruppe der Bundesliga, landeten in der Tabelle des Öfteren vor Erzrivale Borussia Dortmund und spielten auch international eine Rolle. Davon ist Schalke jedoch momentan so weit entfernt wie die Veltins-Arena vom Polarkreis. Der Ruhrpottclub droht im schlimmsten Fall, das nächste Kaiserslautern, Aachen oder 1860 München zu werden, wenn nicht bald eine Wende geschieht.

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Nach einem schwachen Saisonstart mit vier Niederlagen in sieben Spielen wurde Cheftrainer Thomas Reis fast schon erwartungsgemäß beurlaubt. Als Nachfolger verpflichteten die Schalke den Belgier Karel Geraerts, der zuvor Royale Union Saint-Gilloise unter den Top-Teams der belgischen Jupiler Pro League etablierte. Dass sich Geraerts für einen Wechsel nach Gelsenkirchen entschied, lag sicherlich nicht nur an der geographischen Nähe zu seiner Heimat, sondern auch an der weiterhin vorhandenen Reputation Schalkes im Ausland. Der Club gilt zumindest jetzt noch als schlafender Riese. Wer ihn jedoch zum Leben erwecken soll, bleibt unklar.

Rapper Pillath: "Probleme befinden sich nicht in der Loge"

Lothar Matthäus, der ehemalige Weltfußballer und mittlerweile präsente Fußballexperte, brachte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "sid" kürzlich den Namen von Tönnies ins Spiel. Matthäus würde sich eine Rückkehr des einstigen Entscheidungsträgers an die Spitze des Clubs wünschen. Eine solche Rückkehr würde auf Schalke allerdings gewiss die Meinungen spalten.

"Ich teile Lothars Wunsch nach einer starken Führungspersönlichkeit auf Schalke. Auch fand ich die Bewertung von und den Umgang mit Clemens Tönnies in bestimmten Situationen zu einseitig", sagt der Rapper Pillath, der zugleich glühender Schalke-Anhänger ist und über seine Leidenschaft für den Club im Podcast "Wichtig is' auf'm Platz" regelmäßig spricht. "Dennoch muss es", sagt Pillath weiter, "hier eine andere Lösung als CT geben, auch wenn der klassische Macher heute nicht mehr auf Bäumen wächst. Unsere akutesten Probleme befinden sich aktuell allerdings auf dem Platz und nicht in der Loge."

Licht und Schatten unter Tönnies

Tönnies wird im Moment ohnehin nicht zur Verfügung stehen, wie der Westfale am Mittwoch mitteilte. Er war 2020 im Zuge eines Corona-Ausbruchs in seinem Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück und anschließender Proteste von Schalke-Anhängern aus dem Aufsichtsrat ausgetreten und hatte sich aus der Entscheidungsebene des Vereins zurückgezogen. Der Unternehmer war ob seines recht autoritären Führungsstils stets umstritten, konnte aber aufgrund seines Netzwerkes und seiner eigenen Ressourcen einiges in Bewegung bringen.

Jedoch war Tönnies auch in der Mitverantwortung, als Schalke während der 2010er-Jahre einen großen Schuldenberg anhäufte. Zwischenzeitlich beliefen sich die Verbindlichkeiten, darunter auch einige kurzfristige, auf über 200 Millionen Euro. Der Personaletat für die Lizenzspielermannschaft war zeitweilig der zweithöchste in der Bundesliga.

Als Schalke nach einem Jahr Zweitklassigkeit 2022 ins Oberhaus zurückkehrte, konnte die Mannschaft nur konservativ aufgerüstet werden und war bedingt wettbewerbsfähig. Auch nach dem erneuten Abstieg haben die Königsblauen allenfalls vorsichtig investiert. Im Sommer verbuchte der Club ein Transferplus von fast 15 Millionen Euro. Aktuell steht Schalke auf dem 16. Platz in der 2. Liga.

Eine charismatische Führungsfigur fehlt

Der Ruf nach einem alten oder neuen starken Mann mag in dieser Phase nicht überraschen. Noch immer besteht auf Schalke der Wunsch, wie auch an anderen Fußballstandorten, dass ein Machertyp den jeweiligen Verein nach oben pushen soll. Es gab eine Zeit in der Bundesliga, als die Tönnies', Hoeneß', Watzkes, Calmunds, Kinds und Roths die Norm waren. Doch mittlerweile braucht es in der Regel mehr als einen einzelnen starken Entscheidungsträger.

Und selbst wenn das Konzept des starken Mannes aufgehen würde, Schalke besitzt aktuell keine charismatische Führungsfigur. Geraerts kann es nicht sein, da er erst ein paar Tage im Amt ist. Auf dem Posten des Sportdirektors befindet sich aktuell André Hechelmann, der zuvor Chefscout der Schalker war und davor eine ähnliche Position beim 1. FSV Mainz 05 innehatte.

Sein Vorgänger, Rouven Schröder, ist mittlerweile einer der Entscheidungsträger bei Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig. Zuweilen wird gemunkelt, dass Oliver Ruhnert, der momentane Geschäftsführer Sport bei Union Berlin, im kommenden Sommer zu Schalke wechseln könnte.

Über eine Ruhnert-Rückkehr wird gemunkelt

Auf den ersten Blick würde solch ein Wechsel überraschen, weil Ruhnert einer der Hauptbeteiligten am sportlichen und ökonomischen Aufstieg der "Eisernen" war. Allerdings stammt der 51-Jährige aus dem Sauerland und hat wohl schon den Wunsch geäußert, irgendwann wieder in die Heimat zurückkehren zu wollen. Zudem ist er Schalke-Mitglied und war von 2008 bis 2017 für die Königsblauen tätig. "Ich mag diesen Verein, ich werde in diesem Verein bis zu meinem Lebensende Mitglied bleiben, denn irgendwo ist da ein Schalker Herz genau, wie jetzt ein Union-Herz da ist", sagte Ruhnert im vergangenen Jahr.

Er hätte allein schon aufgrund seiner Verdienste bei Union Berlin viel Respekt verdient. Doch selbst talentierte und zuvor erfolgreiche Personen sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auf Schalke verzweifelt oder wurden vor die Tür gesetzt. Zudem soll der Name Ruhnert wohl von einer noch recht unbekannten Opposition gegen den aktuellen Aufsichtsvorsitzenden Axel Hefer ins Spiel gebracht worden sein. Ein internes Hauen und Stechen wäre wie so oft vorprogrammiert.

Der Einzige, der in der Vergangenheit außerordentlich lange auf Schalke durchhielt, war Tönnies, dessen Rückkehr jedoch aktuell nicht zur Debatte steht. So schippert das große königsblaue Schiff ohne klaren Kapitän weiter in der Hoffnung, dass es sportlich irgendwie aufwärts geht und man sich zugleich wirtschaftlich konsolidiert.

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