Das beschlossene DFL-Sicherheitskonzept sorgt weiter für Diskussionen in Fußball-Deutschland. Wir haben mit dem Sprecher der Organisation "Pro Fans" und der Protestaktion "12:12", Philipp Markhardt, gesprochen. Der 32 Jahre alte Hamburger warnt vor einer Zunahme von Risikospielen, hält Vollkontrollen wie in München oder Wolfsburg für "entwürdigend" und glaubt, dass mit einer Beschränkung der Gästekarten sich die "Katze in den Schwanz beißt."

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Markhardt fordert die Vereine zum Handeln auf und kündigt weitere Aktionen an, über die in der Winterpause nachgedacht werden soll. Wie die aussehen sollen ist noch nicht klar, er stellt aber fest: "Grundsätzlich kann man immer noch eine Schippe drauflegen!"

Frage: Wie sieht in Zukunft ein Stadionbesuch aus?

Philipp Markhardt: In den meisten Fällen wird sich bei den Stadionbesuchen nichts ändern. Aber diese 'Kann-Regelungen', die getroffen wurden, insbesondere bei den Themen Einlass-Kontrollen und Einschränkung der Gästekarten-Kontingente, die werden ganz schnell zu 'Muss-Regelungen' umgesetzt werden. Da können Sie sicher sein. Das ist bisher immer der Fall gewesen. Ich gehe davon aus, dass wir ab der Saison 2013/2014 deutlich mehr sogenannte Risikospiele haben werden. Und damit einhergehend dann auch das Anwenden dieser Regelungen.

"Das ist für mich entwürdigend"

Frage: Glauben Sie, dass wir dann mehr Vollkontrollen in sogenannten Nacktzelten haben werden, wie beispielsweise beim Spiel Bayern München gegen Eintracht Frankfurt? Dies ist ja eigentlich in dem Papier abgelehnt worden.

Markhardt: Erst hießen diese Zeltgeschichten noch Vollkontrollen. Jetzt nur verstärkte Kontrollen. Das kann aber alles bedeuten. Das kann auch eine Vollkontrolle sein. Das ist ja nicht explizit ausgeschlossen. Und wenn irgendwas nicht explizit ausgeschlossen ist, sondern nur schwammige Formulierungen vorliegen, dann werde ich hellhörig. Denn das ist eine Praxis, die sowohl beim DFB, als auch bei der DFL sehr gern angewendet wird. In München mussten sich tatsächlich Leute ausziehen. Und gefunden hat man, oh Wunder, überhaupt nix bei denen. Das heißt: Diese Kontrollen sind vollkommen sinnlos.

Frage: Ein Hauptkritikpunkt aus Ihrer Sicht sind die vagen 'Kann-Regelungen'...

Markhardt: Eben. Es ist so eine abgeschwächte Form des ersten Sicherheitspapiers. Da war ja alles so formuliert, 'es soll dieses oder jenes geben…" und jetzt ist es '…es kann dieses und jenes geben…'. '…oder man kann es in Erwägung ziehen…'. Aber dieses '..kann man in Erwägung ziehen…' ist doch im Grunde genommen einfach nur das: 'Ja, mach doch mal!' Diese Formulierung schließt nix aus. Und ich empfinde solche Kontrollen schon als demütigend. Insbesondere die Vollkontrollen, die bisher schon durchgeführt worden sind. Sowohl in München, als auch in Wolfsburg beim Spiel gegen den Hamburger SV. Da muss man sich bei der Kontrolle von unten beschnüffeln lassen, seine Personalien abgeben und seine Jacke und Pullover bei minus 1 Grad ausziehen. Tut mir leid, da habe ich null Verständnis für. Das ist für mich entwürdigend. Und vor allem: Das Ganze ist noch nicht mal rechtlich abgesichert. Das hat Kriminologe Thomas Feltes in einem Interview mit Spiegel Online juristisch sauber dargelegt.

Frage: Gibt es bei der Begrenzung der Kartenkontingente für Gästefans nicht die Gefahr der Manipulation? Nach dem Motto: Wir lassen weniger Gästefans rein, dann hat unser Team mehr Unterstützung...

Markhardt: Nein, soweit möchte ich nicht gehen. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber man könnte es sich da sehr leicht machen. Stellen sie sich vor, es kommt eine sogenannte 'berüchtigte Fan-Szene'. Da könnten die Vereine sich auch folgendes denken: Da kürzen wir mal das Kartenkontingent, weil dann auch die Gefahr sinkt, dass da irgendwie Leute dabei sind, die Pyrotechnik zünden und dass wir eine Strafe bekommen.

"Dies würde einen Riesen-Aufschrei nach sich ziehen"

Die DFL sagt ganz klar, dass sie keine Kollektivstrafe, sondern eine täterorientierte Verfolgung will. Aber wenn sie die Hälfte des Kartenkontingents wegstreicht, dann sind sie wieder bei einer Kollektivstrafe. Allerdings nicht bei einer, die die DFL angeordnet hat, sondern der jeweilige Heimverein durchzieht. Das heißt der Verein bekommt den Schwarzen Peter zugeschoben und handelt sich dann den Ärger ein. Und dies würde einen Riesen-Aufschrei nach sich ziehen.

Frage: Was würde die Begrenzung der Kartenkontingente zur Sicherheit beitragen?

Markhardt: Die Einschränkung eines Gästekartenkontingents sorgt ja nicht dafür, dass weniger Fans kommen. Weil sie das Spiel sehen wollen, organisieren sie sich Karten, in den angrenzenden Blöcken oder irgendwo mitten im Heimbereich. Und dann haben wir eine Risikolage geschaffen. Da sitzen dann Leute zweier verschiedener, vielleicht rivalisierender Vereine bunt durchmischt im Stadion zusammen. Das erleichtert die Arbeit der Polizei und des Ordnungsdienstes natürlich nicht. Insofern ist eine Beschränkung des Kontingents wie eine Katze, die sich in ihren Schwanz beißt.

Frage: Was planen Sie in Zukunft? Wie sehen Ihre weiteren Aktionen aus?

"Man kann immer noch eine Schippe drauflegen!"

Markhardt: Ich gehe davon aus, dass an diesem Wochenende weiterhin die "12:12"-Proteste in den meisten Stadien weiter gehen. Ob in allen, kann ich nicht sagen. Aber die Tendenz unter den Fans in Frankfurt war schon so, dass sie gesagt haben, wir wollen das weitermachen. Und dann wird man sich in der Winterpause zusammensetzen und sehen, was dann machbar ist. Es gab auch Hardliner, die gesagt haben, wir boykottieren das jetzt 90 Minuten durch, aber ich persönlich weiß nicht, ob dies praktikabel ist. Denn desto länger die Verabschiedung des Sicherheitspapiers zurückliegt, desto weniger Verständnis haben die Fans dafür. Aber eins ist auch klar: Grundsätzlich kann man immer noch eine Schippe drauflegen!

Frage: Was ist ihre konkrete Forderung und wie kann man diesen Konflikt lösen?

Markhardt: Der Lösungsweg geht einzig und alleine über die Vereine selbst. Denen muss klipp und klar gesagt werden: 'Es ist nicht akzeptabel, wenn mein Verein beispielsweise Gästekartenkontingente einschränkt.' Das muss noch nicht mal zwingend über die DFL laufen. Mir persönlich würde es reichen, wenn sich jeder Verein auf Druck der Mitgliedschaft immer verpflichtet, 10 Prozent der Kartenkontingente rauszugeben und so beispielsweise eine Solidarität schafft.

Philipp Markhardt ist Sprecher der Organisation "Pro Fans" und der Protestaktion "12:12". Der 32 Jahre alte Hamburger ist zentrale Figur der Fans und ihrer Ablehnung des DFL-Sicherheitskonzeptes. Markhardt gibt den von etwa 50 deutschen Ultragruppen eine Stimme. Sie sehen in der hitzig geführten Sicherheitsdebatte eine Gefahr für ihre Fankultur. Markhardt ist HSV-Ultra und ein führendes Mitglied im Fanklub "Chosen Few".
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