Uli Hoeneß prescht mal wieder vor, der Bayern-Präsident hält eine Vertragsverlängerung von Trainer Jupp Heynckes "für möglich". Damit verstärkt der Patron von höchster Stelle einen Trend, der sich in den letzten Wochen angekündigt hatte. Doch wie realistisch ist eine weitere Zusammenarbeit?

Mehr News zum Thema Fußball

Vielleicht hat die Suche nach einem geeigneten Bayern-Trainer für die nächsten Jahre an einem regnerischen Abend im fernen Portugal eine entscheidende Wendung genommen.

1899 Hoffenheim ist im Felsenstadion von Braga am Donnerstag aus der Europa League geflogen, in einer absolut machbaren Gruppe mit Braga, Rasgrad und Basaksehir aus der Türkei.

Hoffenheim hat jetzt inklusive der Champions-League-Qualifikationsspiele gegen Liverpool fünf von sieben Spielen in Europa verloren.

Ist Julian Nagelsmann jetzt raus?

Was das alles mit dem FC Bayern zu tun hat? Julian Nagelsmann ist als kommender Bayern-Trainer gehandelt worden, er bringe alle Qualitäten mit, die man auf der Kommandobrücke des größten deutschen Klubs benötigt. Außer vielleicht die internationale Erfahrung.

Aber was, wenn nicht eine gute Portion Routine in den großen Spielen auf internationaler Bühne, sollte ein Trainer des FC Bayern mitbringen?

In München dürften sie Hoffenheims sang- und klanglosen Europa-Abgang interessiert zur Kenntnis genommen haben.

Nagelsmann hat nicht unbedingt punkten können, seit sich die Bayern von Carlo Ancelotti getrennt haben - und seither mit Jupp Heynckes einen Sieg nach dem anderen einfahren.

Hoeneß: "Das halte ich für möglich"

Neun Spiele am Stück haben die Bayern nun schon gewonnen, darunter waren Arbeitssiege wie zuletzt in Anderlecht oder glückliche, wie der im Pokal in Leipzig.

Aber zumeist waren es souverän herausgespielte Triumphe. "Jupp hat ohne Frage einen großen Effekt erzielt. Die Mannschaft ist stabil, hat Spielfreude und macht einen guten Eindruck", lobte Karl-Heinz Rummenigge den Übergangstrainer jüngst. "Man kann hochzufrieden sein. Es wird ja nicht nur gewonnen, sondern auch hoch attraktiver Fußball gespielt."

Nachdem sich etliche Spieler und mindestens genauso viele Alt-Internationale längst für einen Verbleib Heynckes‘ über die Saison hinaus ausgesprochen hatten, verpasste Uli Hoeneß am späten Freitagabend den ohnehin schon wabernden Spekulationen nochmal ordentlichen Anschub.

Nach der Jahreshauptversammlung der Bayern antwortete Hoeneß auf die Frage, er es zu einer Vertragsverlängerung mit Heynckes kommen könnte: "Das halte ich für möglich, ja."

Die Bayern erlebten mit Heynckes "einen Glückszustand", so Hoeneß, der den gesamten Verein "schweben" lasse. "Es ist ein ganz anderer Geist da. Es macht wieder Spaß, der FC Bayern befindet sich momentan in einem wunderbaren Zustand."

Ein paar Minuten zuvor hatte Hoeneß nochmals klargestellt, dass beim FC Bayern "jetzt wieder nur eine Kanone schießt, die heißt Karl-Heinz Rummenigge."

Und fuhr dann doch wieder seine eigene Linie. Das Vorpreschen des Patrons im Fall Heynckes dürfte der Startschuss zu wilden Spekulationen in den kommenden Wochen sein.

Wichtige Spieler fordern Heynckes

Noch vor 14 Tagen hatte Heynckes selbst ein Engagement in München über den Sommer hinaus kategorisch ausgeschlossen. Ein paar Tage später klang Heynckes‘ Einschätzung aber schon ein bisschen weniger ablehnend.

"Es macht mir Spaß, mit der Mannschaft zu arbeiten, weil ich auch sehe, dass unsere Arbeit Früchte trägt. Mein Trainerteam harmoniert sehr gut mit der Mannschaft. Das ganze Funktionsteam ist in einer Aufbruchsstimmung. Es ist kein Zufall, dass wir Erfolg haben."

Die Bayern scheinen keinen großen Druck zu verspüren, die Trainerfrage schnell zu regeln. Anders als Hoeneß betonte Rummenigge kürzlich noch einmal, dass die Vorgehensweise nicht verändert werde.

"Wir haben das kundgetan bei der Vorstellung von Jupp, wie der Fahrplan bei uns ist und daran hat sich nichts geändert. Ich halte mich an die Dinge, wie wir sie abgesprochen haben." Aber ganz so einfach dürften die Sondierungen nicht werden.

Schon jetzt bröckelt der von Rummenigge bemühte Fahrplan, nahezu alle Topspieler der Bayern, Arjen Robben, Robert Lewandowski, Franck Ribery, Jerome Boateng, haben sich längst für mindestens noch eine Saison mit Heynckes ausgesprochen.

Der 72-Jährige selbst hat noch einmal betont, dass er natürlich auch Einfluss auf die Transferpolitik des Klubs für die kommende Saison nehme.

"Ich werde natürlich sagen, was ich machen würde. Und ich glaube auch, dass die Verantwortlichen auf meine Meinung Wert legen", sagte Heynckes. Warum dann nicht die selbst ausgesuchten Spieler auch weiterhin selbst anleiten?

Aber was passiert beim Triple?

Die zahlreichen Comebacks im inneren Zirkel des Rekordmeisters haben die Kräfte der Vergangenheit noch einmal vereint.

Hoeneß, Heynckes, dessen treue Gefährten Peter Hermann und Herrmann Gerland und zuletzt auch noch Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt bilden das Fundament des Klubs und sind die prägenden Gesichter. Es läuft rund und gemessen an den Ergebnissen bisher nahezu perfekt.

Die Bayern hätten ihren deutschen Trainer, den sie sich nach dem Spanier Pep Guardiola und dem Italiener Ancelotti unbedingt wünschten. Der müsste sich nicht erst mühsam einarbeiten wie die beiden letzten Trainer und hätte ein Standing wie kaum ein Bayern-Coach zuvor.

Mit Hoeneß‘ forschen Worten spürt Heynckes den sanften Druck keine acht Wochen nach seiner Rückkehr schon wieder. Hoeneß kann offenbar nicht anders, er wird einen Anlauf bei seinem ziemlich besten Freund starten. Wenn er das nicht schon längst getan hat.

Tuchel, Nagelsmann, vielleicht auch Leipzigs Ralph Hasenhüttl oder Frankfurts Niko Kovac scheinen derzeit weit weg. Heynckes ist spätestens seit Freitag wieder eine realistische Option.

Es sei denn, der Triple-Sieger Heynckes holt mal wieder das Triple. Dann dürfte es nahezu ausgeschlossen sein, dass er wirklich noch ein weiteres Jahr dranhängt.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.