• Als die isländische Nationalspielerin Sara Björg Gunnarsdottir ungeplant schwanger wird, überwiegt zunächst die Freude.
  • Und auch ihr damaliger Klub, Olympique Lyon, sichert ihr Unterstützung zu.
  • Doch dann bleiben Zahlungen aus und als sie mit ihrem Baby zurückkehrt, wird ihr schnell klargemacht: Mit Kind hat sie keine Zukunft in Lyon.
  • Nun hat Gunnarsdottir vor dem Fifa-Tribunal einen wichtigen Sieg errungen und erzählt ihre Geschichte auch öffentlich.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Erst vor wenigen Tagen ging eine erfreuliche Nachricht durch die Medien: Direkt nach ihrer Babypause verlängert die deutsche Nationalspielerin Melanie Leupolz ihren Vertrag beim FC Chelsea. "Meine Reise mit Chelsea geht weiter", verkündete Leupolz strahlend bei Instagram.

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"Melly hat eine Schlüsselrolle gespielt bei unseren Erfolgen in ihren ersten 18 Monaten im Club. Wir freuen uns, sie wieder im blauen Dress zu sehen und auf unseren Erfolgen in den nächsten Jahren aufbauen zu können", sagte Chelseas Manager Paul Green dazu.

Leupolz' Baby war im Oktober auf die Welt gekommen, rund drei Monate danach ist Leupolz nun wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. So kann es laufen.

Sara Björk Gunnarsdottir packt über ihre Erfahrungen aus

Es geht aber auch anders, weniger erfreulich nämlich. Auf der Internet-Plattform "The Players' Tribune" hat die ehemalige Wolfsburg-Spielerin Sara Björk Gunnarsdottir die Geschichte ihrer Schwangerschaft niedergeschrieben und ihr damaliger Klub Olympique Lyon spielt dabei eine Schlüsselrolle.

"Ich weiß, dass diese Geschichte einige mächtige Menschen in der Fußballwelt vor den Kopf stoßen könnte. Über diese Seite des Spiels soll man eigentlich nicht sprechen. Aber ich muss die Wahrheit erzählen." So steigt Gunnarsdottir in ihren Text ein und spätestens jetzt ist klar, dass Olympique Lyon in dieser Geschichte wohl nicht gut wegkommen wird.

In ihrem Text schreibt Gunnarsdottir, dass sie ungeplant schwanger geworden sei und dennoch die Freude bei ihr überwogen habe. Doch natürlich sei sie auch nervös gewesen, dem Verein und ihren Mitspielerinnen von der Schwangerschaft zu erzählen. Sie habe sich irgendwie schuldig gefühlt, als würde sie die Menschen im Stich lassen.

Irgendwann sei die Schwangerschaft jedoch nicht mehr zu verheimlichen gewesen, auch weil es ihr in den ersten drei Monaten nicht gut gegangen sei. Der Klub erlaubte ihr schließlich, die Schwangerschaft in Island bei ihrer Familie zu verbringen.

Lyon bezahlt Gunnarsdottir nicht mehr

"Aber ich wollte nach der Geburt nach Lyon zurückkehren. Das habe ich sehr deutlich gemacht", schreibt Gunnarsdottir weiter. "Ich dachte, die erste Spielerin zu sein, die nach einer Schwangerschaft nach Lyon zurückkehrt, wäre etwas, das wir alle zusammen feiern könnten."

Noch immer ist es ungewöhnlich, dass Profispielerinnen während ihrer Karriere schwanger werden und nach der Geburt zurückkommen. In Deutschland machte Almuth Schult Schlagzeilen, als sie nach der Geburt ihrer Zwillinge auf den Rasen zurückkehrte. Es kostete sie allerdings die Nummer eins im Nationalteam. Inzwischen spielt Schult in den USA bei Angel City F.C.

Gunnarsdottir fliegt also schwanger nach Island, wo es nach einiger Zeit aber zum Schock kommt: Lyon bezahlt Gunnarsdottir nicht weiter. Ohne Vorwarnung. Erst auf mehrmalige Nachfrage meldet sich Lyon zurück und beruft sich auf die französische Gesetzeslage.

Gunnarsdottir ist entsetzt: "Das ist keine Situation, mit der man rechnen kann - vor allem nicht bei so einem großen Klub." Sie schaltet die Gewerkschaft und die Fifpro ein, eine Vereinigung, die sich für die Rechte von Fußballerinnen und Fußballern einsetzt, macht ihrem Berater klar, dass sie bis zur Fifa gehen will, sollte Lyon den Zahlungen nicht nachkommen.

In der Fifa gelten Mutterschutzregeln

Seit 2020 gelten in der Fifa weltweit Mutterschutzregeln für Spielerinnen. Profis haben demnach Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen, in denen ihnen mindestens zwei Drittel des vertraglich vereinbarten Gehalts gezahlt werden muss. Zudem dürfen schwangere Spielerinnen nicht benachteiligt werden und müssen nach der Geburt des Kindes wieder in den Spielbetrieb integriert werden. Auch einen Kündigungsschutz gibt es für die Spielerinnen.

Laut Gunnarsdottirs Berater ist die Antwort aus Lyon jedoch eindeutig: "Wenn Sara damit zur Fifa geht, hat sie in Lyon keine Zukunft." Am 8. Juni wendet sich die Spielergewerkschaft an Lyon und informiert den Verein, dass die neu eingeführten Fifa-Regularien im Fall von Gunnarsdottir greifen und man ihr deshalb ihr volles Gehalt auszahlen müsse. Das geht aus den Unterlagen der Fifa zu Gunnarsdottirs Fall hervor.

Lyon schweigt. Während der gesamten restlichen Schwangerschaft hört Gunnarsdottir nichts mehr von ihrem Klub. Von Menschen, die sich doch scheinbar mit ihr über ihre Schwangerschaft gefreut hatten.

Im Januar 2022 kehrt Gunnarsdottir mit ihrem Sohn Ragnar nach Lyon zurück. Auch dann legt man ihr weitere Steine in den Weg. Irgendwann kann Gunnarsdottir nicht mehr: "Ich war so erschöpft von diesen ganzen Kämpfen. Es war klar, ganz egal, was gesagt wurde, essenziell stimmte es: Als eine frischgebackene Mutter hatte ich keine Zukunft in diesem Klub."

Gunnarsdottir steht ihr Gehalt zu

Inzwischen hat das Tribunal der Fifa entschieden, dass Gunnarsdottir ihr Gehalt zusteht. Lyon muss 82.000 Euro an seine ehemalige Spielerin zahlen.

Es ist ein wichtiges Urteil, denn es zeigt deutlich, dass Spielerinnen, die schwanger werden, geschützt sind. Dass auch sie Rechte haben, die die Vereine nicht ignorieren dürfen. Gunnarsdottir schreibt: "Dieser Sieg fühlte sich an wie eine Garantie für finanzielle Sicherheit für alle Spielerinnen und Spieler, die während ihrer Karriere ein Kind bekommen wollen. Es gibt kein 'vielleicht' mehr und keine Ungewissheit."

Auch auch Fifpro stellt klar: "Das bahnbrechende Urteil im Fall von Sara Björk Gunnarsdottir gegen ihren ehemaligen Klub Olympique Lyon sendet eine klare Botschaft an Klubs und Fußballerinnen weltweit: Die strikte Durchsetzung des Mutterschutzes kann erzwungen werden."

Inzwischen spielt Gunnarsdottir bei Juventus Turin. Dort ist sie sehr glücklich, sagt sie. Ihr Sohn ist schon fast ein Jahr alt.

Verwendete Quellen:

  • sid
  • dpa
  • "The players' tribune": What happened when I got pregnant
  • Decision of the Dispute Resoluton Chamger passed on 19 May 2022 regarding an employment-related dispute concerning the player Sara Björk Gunnarsdottir
  • "DW.com": Mutterschutz: Olympique Lyon muss Gunnarsdottir Gehalt nachzahlen
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