Wer als öffentliche Person Position zu Themen bezieht und Haltung zeigt, begibt sich in die Gefahr, zu polarisieren. Und wer polarisiert, den suchen die Gegner*innen in der Niederlage heim. Das hat nach dem Aus der Amerikanerinnen bei der WM auch Megan Rapinoe erlebt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Spätestens seit der WM 2019 ist Megan Rapinoe in mehrfacher Hinsicht zu einem Symbol geworden. Einerseits im Kampf der US-Fußballerinnen für gleiche Bezahlung. Aber auch als Sprecherin der LSBTIQA*-Community, für deren Rechte sie sich starkmacht.

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Politisch ist die Fußballerin dabei nicht nur über ihre Themen einem Lager zuzuordnen, sondern auch, weil sie nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, wenn es um Ex-Präsident Donald Trump geht.

Vorbild und Hassfigur Megan Rapinoe

Für viele Menschen ist Rapinoe durch ihre Aussagen und ihr Verhalten zum Vorbild geworden, zu einer Person, die Mut macht für die eigenen Kämpfe. Für andere jedoch wurde sie in dieser Zeit regelrecht zur Hassfigur.

Die Zustimmung schien die Fußballerin zu tragen, die Ablehnung nicht zu berühren. Solange sie auf dem Platz ablieferte, schien es ihren Gegner*innen schlicht an Argumenten zu fehlen. Wo sollten sie anknüpfen mit ihrer Wut?

Häme in der Niederlage

Mit dem Ausscheiden der US-Amerikanerinnen im Achtelfinale gegen Schweden aber schien eine Möglichkeit gefunden. Dass gerade Rapinoe ihren Elfer verschoss, öffnete Schleusen – und die lange zurückgehaltene Wut der Konservativen in den USA und anderswo ergoss sich über der Schützin (die gleichwohl nicht die einzige Unglückliche blieb). Nach dem Motto: Wer dafür kämpft, dass Männer und Frauen gleich bezahlt werden, darf so nicht scheitern.

Es war für den Moment ein Bild, wie es bitterer kaum möglich ist. Die sonst so kämpferische Spielerin, die während des Turniers offen darüber gesprochen hatte, wie sehr ihr die wenige Einsatzzeit zu schaffen macht, tritt an – und vergibt. Wie kann es sein, fragten sich viele bange, dass diese Bilder von der Ausnahmepersönlichkeit die letzten ihrer Karriere sein werden?

Über sich selbst lachen können

Rapinoe selbst hat später dazu gesagt, der Abgang auf dem Platz sei eine Art schlechter Scherz für sie als eine, die davon in ihrem Leben selbst sehr viele gemacht hat. Die Bilder der enormen Fassungslosigkeit werden natürlich nachwirken. Und das Team ebenso wie Rapinoe, die ihren vollständigen Rücktritt bereits vor der WM verkündet hatte, werden einen Moment brauchen, um sich von diesem Abend zu erholen, der sie so unerwartet aus dem Turnier beförderte.

Doch mag dieser letzte Elfmeter auch das sportlich abschließende Bild von Rapinoe sein, hat er mit ihrem Vermächtnis doch wenig zu tun. Sie und ihre Generation von Spielerinnen haben für den Fußball der Frauen in ihrer Zeit vermutlich mehr erreicht, als je eine Gruppe vor ihr – in den USA, aber auch in der Welt. Das gilt sportlich, es gilt wirtschaftlich und es gilt ebenso gesellschaftlich. Rapinoe hat Türen geöffnet, die sich nicht wieder schließen werden.

Ihr Wert für diesen Sport, für Frauen im Fußball und für Menschen, die es nicht automatisch gewohnt sind, innerhalb dieses Sports oder der Gesellschaft gehört zu werden, ist schon jetzt unermesslich. Rapinoe mag auf dem Feld ihren letzten Elfmeter verschossen haben. Aber sie hat für Frauen im Fußball und Minderheiten in der Gesellschaft viele Schüsse verwandelt. Und das ist es, was von ihr bleiben wird, wenn sie nun die ganz große Bühne verlässt.

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