Ein Influencer aus Argentinien sucht per KI den Fußballklub mit den wenigsten Fans – und findet den FC Balzers aus Liechtenstein. Was seitdem beim Dorfklub passiert ist, ist kaum zu glauben. Im Interview spricht Balzers-Kapitän Sandro Wolfinger zum weiter anhaltenden Hype um seinen Verein und spricht über Zukunftspläne.

Ein Interview

Ganz im Südwesten Liechtensteins, quasi eingeschlossen von der Schweiz, liegt die Gemeinde Balzers, ein 4.500-Seelen-Dorf im Oberland des sechstkleinsten Landes der Welt. Bislang war Balzers wohl nur den Liechtensteinern selbst ein Begriff, doch das änderte sich Ende des vergangenen Jahres schlagartig.

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Denn damals, am 28. Dezember, suchte Valentin Scarsini, ein Influencer aus Argentinien, in einem Video nach dem Fußballverein mit der kleinsten Fangemeinde der Welt. Wie es mittlerweile so üblich ist, fragte er dafür die KI. Und die spuckte ihm prompt den FC Balzers 1932 aus.

Argentinier löst Hype um Liechtensteiner Klub aus

Was dann folgte, ist ein wahres Social-Media-Phänomen: "El Scarso", wie sich Scarsini im Internet nennt, machte es sich zum Ziel, den Dorfklub groß und auf der ganzen Welt bekannt zu machen. Zu dieser Zeit hatte der offizielle Instagram-Kanal des FC Balzers rund 1.000 Follower. Scarsinis Vorhaben gelang – und das auf beeindruckende Art und Weise: Um den Liechtensteiner Mini-Klub entbrannte ein regelrechter Hype, aufgrund von "El Scarsos" Standort vor allem in Südamerika.

In den vergangenen rund drei Wochen schnellten die Followerzahlen beim FC Balzers in die Höhe. Aus den anfänglichen 1.000 Fans wurden schnell Hunderttausende, aktuell folgen dem Klub 434.000 Menschen (Stand: 17. Januar). Zahlen, die zeigen, welch enorme Schlagkraft die sozialen Medien haben können, wenn die Lawine einmal ins Rollen kommt.

In Balzers nahm man den Hype äußerst überrascht, aber auch dankend an. Videos des Klubs und auch von Scarsini selbst fachten das große Interesse aus aller Welt weiter an. Das bisherige Highlight: Auf Einladung des Vereins kam der Influencer aus Argentinien nach Liechtenstein und besuchte die viertgrößte Gemeinde des Landes für rund eine Woche – Teilnahme am spontan eingerichteten öffentlichen Training sowie der professionell aufgezogenen Pressekonferenz inklusive.

Valentin Scarsini
Im Rahmen des öffentlichen Trainings veranstaltete der FC Balzers auch eine Pressekonferenz – Influencer "El Scarso" durfte da natürlich auch nicht fehlen. © picture alliance/KEYSTONE/TIL BUERGY

Sandro Wolfinger: Kapitän und Marketingleiter in Personalunion

Noch scheint der Hype um den Klub aus der fünften Schweizer Liga – die Vereine aus Liechtenstein sind in den Schweizer Ligabetrieb integriert – nicht vorbei zu sein, das Interesse ist weiter groß. Wir haben mit Kapitän Sandro Wolfinger über die aktuelle Situation vor Ort gesprochen. Der 33-jährige Nationalspieler Liechtensteins, der gleichzeitig Marketingleiter seines Vereins ist, gibt interessante Einblicke rund um den Mega-Hype – und erklärt, was in Zukunft geplant ist.

Herr Wolfinger, den FC Balzers kennt man inzwischen fast auf der ganzen Welt. Wie sind Sie vor Ort auf die steigenden Followerzahlen bei Instagram aufmerksam geworden?

Ich war im Urlaub mit Freunden und habe dann von mehreren Vereinsmitgliedern den Hinweis bekommen, dass ich doch mal auf Instagram schauen soll, weil da die Post abgeht. Ich dachte mir die ersten zwei Tage, dass es schön und lustig, aber jetzt nichts Ernsthaftes ist. Als ich dann aus dem Urlaub zurückgekommen bin und mir das Ganze angeschaut habe, habe ich gemerkt, dass es mehr als nur ein Neujahrswitz war.

Sandro Wolfinger
Sandro Wolfinger ist Kapitän des FC Balzers – und gleichzeitig Leiter der Marketingabteilung. Das Training kam aufgrund des großen Hypes und Medieninteresses zuletzt etwas zu kurz, wie er erzählt. © picture alliance/KEYSTONE/TIL BUERGY

Verantwortlich für den Hype ist der argentinische Influencer "El Scarso". Wie lief die Kontaktaufnahme mit ihm?

Am Anfang natürlich nur über Instagram. Dadurch, dass man Videos geteilt und sich gegenseitig markiert hat, ist ein Chat entstanden. Man hat sich gegenseitig begrüßt und so weiter und irgendwann hatte der Influencer dann die Idee, zu uns zu kommen. Kurz danach haben wir ihn dann eingeladen. Gemeinsam mit Liechtenstein Marketing haben wir das innerhalb von einer Woche umgesetzt. Er war dann eine Woche hier und wir haben mit ihm in Balzers, Liechtenstein und auch in der angrenzenden Schweiz viele verschiedene Ausflüge gemacht und Attraktionen besucht. Wir haben ihn auch bei uns mittrainieren lassen und ein öffentliches Training mit Pressekonferenz organisiert.

Ein Argentinier im Schneegestöber von Liechtenstein: Valentin Scarsini im Balzers-Training.
Ein Argentinier im Schneegestöber von Liechtenstein: Valentin Scarsini im Balzers-Training. © picture alliance/KEYSTONE/TIL BUERGY

Ist das Trainingslager in Argentinien schon gebucht?

Ich sag mal, da stehen die Chancen 50:50. Es wäre sicher sehr schön, aber dadurch, dass wir ein Dorfverein sind, ist es natürlich mit immensen Kosten verbunden, die wir aktuell nicht stemmen können oder wollen.

Der nächste Scarsini-Besuch in Liechtenstein ist schon in Planung

Und will Scarsini bald wieder zu Ihnen nach Balzers kommen?

Ein Besuch von ihm ist tatsächlich schon in Planung, weil er einfach sehr gerne wieder kommen würde. Das ist eventuell im Mai geplant, wo wir sehr wahrscheinlich im Pokalfinale gegen Vaduz stehen werden. Ich glaube, das wäre ein cooler Anlass für ihn, wiederzukommen und auch unseren und seinen Followern mal zu zeigen, wo der FC Balzers mittlerweile steht.

Aktuell ist der Hype natürlich riesig. Wie fühlt es sich für die Spieler und den gesamten Verein an, plötzlich so sehr im Mittelpunkt zu stehen? Ist das noch schön oder fängt das langsam an zu nerven?

Nein, nerven gar nicht. Wir genießen es extrem. Es ist für viele Spieler sehr ungewohnt, aber gleichzeitig auch sehr motivierend. Ich habe von einzelnen Spielern schon mitbekommen, dass sie jetzt noch mehr Zusatztrainings machen, um einfach wirklich fit zu sein, wenn die Meisterschaftsspiele losgehen. Uns werden da im Stadion selbst und eventuell auch über einen Online-Livestream wahrscheinlich ein paar hundert Leute mehr zuschauen. Wir haben auch einzelne Nationalspieler von Liechtenstein im Kader – ich bin auch einer davon. Das heißt, wir haben teilweise schon ein bisschen Erfahrung gemacht, wie es ist, gegen die ganz Großen und auf einer größeren Bühne zu spielen. Aber für die meisten im Verein, also nicht nur die Spieler, sondern auch die Funktionäre und den Vorstand, ist das wahrscheinlich sehr ungewohnt, aber auch zum Genießen.

Sie haben es gerade schon angesprochen, Sie sind auch selbst Spieler und sogar Kapitän ihrer Mannschaft. Gleichzeitig sind Sie beim FC Balzers auch Marketingleiter – eine recht ungewöhnliche Kombination. Wie sehen Ihre Aufgaben aktuell aus – oder anders gefragt: Haben Sie aktuell überhaupt Zeit zum Fußballspielen?

Die letzten ein, zwei Wochen war ich sehr eingebunden in die Marketingrolle. Ich habe jetzt aber auch wieder das Training aufgenommen, außerdem habe ich ja eigentlich noch einen anderen Hauptberuf. Wir sind alles Amateure oder teilweise Halbprofis, aber ich habe einen ganz normalen Hauptberuf, den ich jetzt dank der Flexibilität von meinem Arbeitgeber ein bisschen in den Hintergrund stellen konnte. Aber in den nächsten Wochen wird das sicher wieder im Vordergrund stehen – mit dem Training zusammen am Abend jeweils. Und das Marketing werde ich so gut es geht nebenher machen.

Balzers-Kapitän: Tausende Anfragen für Trikots

Apropos Marketing: Wie ist die Nachfrage nach Trikots und anderen Fanutensilien des FC Balzers?

Wir haben auf Instagram und auch per E-Mail extrem viele, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Anfragen, wo man das Trikot kaufen kann. Aktuell sind wir noch nicht im weltweiten Verkauf von unserem Originaltrikot. Es gibt noch ein, zwei Hürden, die wir da nehmen müssen. Aber es könnte eventuell schon nächste Woche passieren, dass wir wirklich den Trikotverkauf starten. Die weltweite Nachfrage ist auf jeden Fall riesig.

Idyllisch: Der Fußballplatz des FC Balzers
Idyllisch: Der Fußballplatz des FC Balzers. © picture alliance/KEYSTONE/TIL BUERGY

Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, ein mexikanischer Erstligist hat für ein Testspiel angefragt. Gibt es da schon Neuigkeiten?

Ja, das war Club León aus Mexiko. Da besteht aber die gleiche Hürde, wie bei einem möglichen Trainingslager in Argentinien. Ich glaube, viel interessanter für uns wäre ein Trainingsspiel in Mitteleuropa. Das wäre sicher interessant in einer Länderspielpause oder im Sommer, dass man da einen ordentlichen Testspielgegner der 1. oder 2. Liga von einem Top-Land kriegt.

Gab es diesbezüglich schon Anfragen?

Einzelne, unverbindliche Anfragen gab es schon. Auch Anfragen für Probetrainings bekommen wir sehr viele. Aber der FC Balzers bleibt ein Dorfverein, der auch in der ersten Mannschaft eigentlich ausschließlich mit Spielern aus Liechtenstein und der angrenzenden Schweiz spielt. Und das wollen wir grundsätzlich so beibehalten. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach einem Stürmer für die Rückrunde. Wenn es da eine regionale Lösung gibt, dann ziehen wir das vor.

"Ich denke, bis auf die Social-Media-Abteilung hat sich in unserem Vereinswesen auch nichts großartig geändert. Wir wollen nach wie vor mit Menschen und Partnern aus Balzers und der Region arbeiten."

Balzers-Kapitän Sandro Wolfinger

Wie es mit einem Hype so ist, wird er höchstwahrscheinlich auch irgendwann wieder vorbei sein. Gibt es bereits Pläne, wie der Verein auch nachhaltig Profit aus dieser enormen Aufmerksamkeit schlagen kann?

Wir sind uns im Verein alle einig, dass das ein Hype ist. Und ein Hype ist ja ein kurzweiliger Trend. Es besteht aktuell auch eindeutig eine eher oberflächliche Begeisterung – vor allem aus Lateinamerika. Das heißt, die Leute haben eigentlich keinen direkten Bezug zum FC Balzers und können wahrscheinlich genauso leicht loslassen, wie sie uns jetzt gefeiert haben. Das ist uns ganz bewusst. Ich denke, bis auf die Social-Media-Abteilung hat sich in unserem Vereinswesen auch nichts großartig geändert. Wir wollen nach wie vor mit Menschen und Partnern aus Balzers und der Region arbeiten. Es haben sich sicher einige Türen geöffnet und Möglichkeiten aufgetan, mit anderen Fußballvereinen, Sportorganisationen, Unternehmen oder Marken vielleicht zusammenzuarbeiten. Wenn sich da irgendetwas ergeben sollte, gerne. Ansonsten sind wir aber auch in der Region schon gut verankert und aufgestellt.

Über den Gesprächspartner

  • Sandro Wolfinger ist Kapitän des FC Balzers aus Liechtenstein, im Verein übernimmt der Nationalspieler Liechtensteins auch gleichzeitig die Rolle des Marketingsleiters. Sein Bruder, Marco Wolfinger, ist Sportchef des Klubs, der in der fünften Schweizer Liga spielt.

Verwendete Quellen

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