Ein Geniestreich von Joshua Kimmich, Jamal Musiala – und vom Balljungen? Im Nations-League-Spiel gegen Italien hat ein unbeteiligter Teenager das Spiel mitentschieden. In England und Italien sollen die Ballkinder keinen so direkten Einfluss mehr auf das Spiel nehmen können. In der Bundesliga gibt es noch kein einheitliches Vorgehen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es ist ein Tor, an das sich Fußball-Deutschland wohl noch länger erinnern wird in der 36. Minute beim Nations-League-Spiel der DFB-Elf gegen Italien. Nach einer Kopfballchance durch Tim Kleindienst bekommt das DFB-Team einen Eckball zugeschrieben. Der 15-jährige Balljunge Noel schaltet sofort, wirft Kapitän Joshua Kimmich den Ball zu, der tritt ihn direkt zu Jamal Musiala.

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Während Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma noch mit seinen Mitspielern diskutierte, konnte Musiala seelenruhig den Ball ins Tor schieben. "Weltklasse" sei das gewesen, lobte Bundestrainer Julian Nagelsmann die drei Beteiligten nach dem Spiel – auch den Balljungen. "Ich stand an der Eckfahne und hatte mit Kimmich Augenkontakt. Dann habe ich den Ball schnell hingeworfen", erklärte dieser selbst im Interview mit RTL. Der Teenager wird seitdem gefeiert.

Ballkinder können die Spielgeschwindigkeit beeinflussen

Der Balljunge, der Deutschland zum Tor verhalf. Eine Seltenheit, aber kein Novum. 2017/18 kam Hoffenheim durch ähnliche Weise zu einem Tor. Der Balljunge hatte Andrej Kramaric schnell einen Ball gegeben – dieser führte einen Einwurf aus, der zum Tor durch Mark Uth führte. Hoffenheims Trainer damals: Julian Nagelsmann. Zufall?

Fest steht allerdings: Ballkinder können Anteil am Spielgeschehen nehmen, es beschleunigen oder verlangsamen – und damit etwa zu Irritationen bei der gegnerischen Mannschaft führen. Ballkinder werden üblicherweise von der Heimmannschaft eingesetzt.

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Der Ball muss aufs Hütchen: England und Italien reagieren

In England und Italien sah man diesen Umstand als klaren Vorteil für die Heimmannschaft an – und änderte das Vorgehen im März 2024. In der Premier League (15 Bälle pro Spiel) und der Serie A (zwölf Bälle pro Spiel), den beiden höchsten Spielklassen der beiden Länder, werfen Ballkinder den Spielern den Ball nicht mehr zu, sondern platzieren ihn auf der Spitze eines Plastikhütchens. Von dort aus nehmen sich die Spieler den Ball selbst – und bestimmen so selbst über das Tempo des Spiels. Hütchen sind rund um das Spielfeld platziert.

In Premier League und Serie A hatten Ballkinder – bevor die Änderungen vorgenommen wurden – das ein oder andere Mal Einfluss auf die Partie genommen. In England wurden sie von Trainern wie Pep Guardiola benutzt, um das Tempo zu erhöhen und so bewusst Druck auf die gegnerische Mannschaft zu machen. José Mourinho hatte einen Balljungen einmal zu einem Team-Essen eingeladen, da dieser ein Tor für seinen damaligen Verein Tottenham Hotspur eingeleitet hatte.

Der Stand in Deutschland: Keine klare Regelung vonseiten der DFL

Nur vier Mannschaften aus der Bundesliga praktizierten die Vorgabe aus England und Italien bisher: Bei Bayer Leverkusen, der TSG Hoffenheim, Holstein Kiel und dem FC Augsburg legen die Ballkinder die Bälle teils auf Hütchen, teils auch einfach am Spielfeldrand ins Gras. Eine klare Vorgabe durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gibt es nicht, die Statuten sehen auch keinen eindeutigen Umgang mit den Ballkindern vor.

Sie beschäftige sich mit dem Thema, bestätigte die DFL im vergangenen Jahr der Sportschau. Ein Verbot oder eine klarere Regelung sei aber erst einmal nicht geplant, heißt es. In der Bundesliga sind pro Spiel acht Ballkinder rund um das Spielfeld im Einsatz. Auch die Europäische Fußball-Union UEFA ändert das bisherige System nicht.

Leverkusen-Trainer Xabi Alonso möchte mit dem neuen System ebenfalls die Geschwindigkeit selbst bestimmen: "Mir gefällt das, weil es uns die Möglichkeit gibt, das Tempo hochzuhalten und den Gegner so stark unter Druck zu setzen wie möglich und ihm keine Gelegenheit zu geben, sich zu erholen", sagte Alonso einmal. Für mehr Schnelligkeit im Spiel braucht es also die Ballkinder nicht einmal.

Verwendete Quellen