Vor dem Clásico bei Real Madrid hängt der FC Barcelona im Dauertief. Die Ursachen für die Krise sind allesamt hausgemacht, Trainer Luis Enrique muss schleunigst Lösungen finden. Ansonsten könnte die Saison vor Weihnachten schon fast gelaufen sein.

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Manchmal dauert es drei, dann wieder vier oder fünf Monate. Dann bricht die Hölle über dem FC Barcelona los, weil Barça - man mag es kaum glauben - ein paar Spiele in Folge nicht mehr gewinnen mag. In recht regelmäßigen Abständen nehmen sich die Blaugrana immer mal wieder eine Auszeit, seit sie von Luis Enrique angeleitet werden.

Sehr oft hat es trotzdem in den letzten Jahren zu großen Titeln gereicht, zum Gewinn der Meisterschaft, der Copa del Rey und sogar der Champions League. Oder in diesen Tagen trifft die neuerliche Krise die Mannschaft und ihre Fans so hart wie noch nie.

Es ist keine vorübergehende Schwächephase, keine Leistungsdelle. Barça wird derzeit in seinen Grundfesten erschüttert, weil nicht nur die Ergebnisse zuletzt nicht stimmten. Sondern weil die Mannschaft ihr kostbarstes Gut nicht mehr verwalten kann: Den Ballbesitz.

Vorige Woche in San Sebastian hatte Real Sociedad, ein Mittelklasse-Team, beim geradezu grotesk glücklichen Punktgewinn für Barça mehr Ballbesitz als die Katalanen. Das gab es seit drei Jahren nicht mehr. Von 13 Spielen in La Liga wurden nur acht gewonnen und bereits zwei verloren. Der Rückstand auf die Spitze beträgt jetzt bereits sechs Punkte.

So schlecht wie nie unter Enrique

Und wenn Barça am Wochenende zum wichtigsten Spiel des Weltfußballs bei Real Madrid, das zufällig die Tabelle anführt, aufläuft, dann spielt auch immer die Angst mit, die Meisterschaft bereits in den Tagen vor Weihnachten quasi schon zu verspielen.

Nach dem Tiefpunkt in San Sebastian wetterte Coach Luis Enrique öffentlich gegen seine Mannschaft, sprach von einer "Katastrophenleistung, das schlechteste Spiel, seit ich hier Trainer bin. Wir konnten keine fünf Stationen spielen, ohne den Ball zu verlieren. Und wenn wir ihn nicht hatten, spielten wir auch schlecht!"

Da hatte Enrique aber die Pokalpartie beim Drittligisten Hercules Alicante noch nicht erlebt. Natürlich schonte der Coach seine Stars, Lionel Messi, Luis Suarez und Neymar hatte er erst gar nicht mitgenommen. Trotzdem glich das 1:1 in der Provinz einer neuerlichen Blamage.

Die Mannschaft schleift derzeit eine ganze Reihe massiver Probleme mit sich herum. Mal torpedieren ungekannte individuelle Fehler die Partien, mal stimmen die Abläufe zwischen den Gruppen und Mannschaftsteilen nicht. Die größte Sorge bereitet aber die Mittelfeldzentrale.

Busquets‘ Rolle der Knackpunkt

Es gibt eine Statistik, die den Wandel in Barças Spiel sehr gut und anschaulich dokumentiert. Sergio Busquets war jahrelang das Herz des Barça-Spiels. Kein Angriff rollte ohne den Taktgeber, der aus einer Art Quarterback-Position alles koordinierte, das Tempo variierte und die Gegner für das infernale Trio MSN zurecht legte.

Aber mit Enriques Idee von einem direkteren Zug zum Tor, von mehr Geradlinigkeit und weniger Ballbesitzphasen im eigenen Spiel krümmte sich auch Busquets‘ Leistungskurve. Vor zwei Jahren spielte Busquets noch rund 80 Pässe pro Partie, momentan sind es "nur" etwa 73. In Pep Guardiolas letzter Saison in Barcelona vor vier Jahren waren es noch 84 Pässe pro Spiel.

Dadurch, dass Enrique die eigenen Spieler um Busquets herum weiter nach vorne schieben und so Anspielstationen in höheren Positionen des Spielfelds haben will, wird Busquets von den Gegnern leichter isoliert. Das macht ihn zum einen weniger anspielbar und zum anderen - was fast schon einer Blasphemie gleich kommt - zu einem beliebten Pressingopfer für den Gegner.

Schwache Einkaufspolitik

Busquets ist die zentrale Figur, wenn man sich Barças Probleme vor Augen führen will. Dazu kommt der Ausfall des zweiten Magiers Andres Iniesta, der seit Mitte Dezember fehlt und die Krise damit nur noch beschleunigt hat. Und weil Barças Bosse im Sommer auf dem Transfermarkt nach der abgelaufenen FIFA-Sperre alles andere als glücklich agierten, kann das Team Ausfälle dieser Art momentan einfach nicht kompensieren.

Die Zugänge Andre Gomes, Denis Suarez (beide zentrales Mittelfeld) oder Paco Alcazer (Angriff) genügen bisher schlicht nicht den gehobenen Ansprüchen der Katalanen. Innenverteidiger Samuel Umiti ist begabt, benötigt aber noch etwas Zeit. Keeper Jasper Cillesen spielt fast nie.

Und was der Verzicht auf einen Spieler wie Dani Alves, davor eine Dekade lang eine Institution auf der rechten Abwehrseite und als Persönlichkeit für die Mannschaft ungemein wichtig, bedeutet, erfahren die Verantwortlichen in diesen Tagen. Alves wurde zu Juventus weggelobt und fehlt in dieser prekären Lage momentan gleich doppelt.

Alles hängt an Messi

Also bleibt letztlich mal wieder alles an Messi hängen. Vielleicht erwischen Neymar oder Suarez einen guten Tag im Bernabeu, vielleicht schafft Iniesta ein Comeback. Aber am Ende muss Messi es richten, wenn das Team im Kollektiv nicht so funktioniert, wie man das von einer Barcelona-Mannschaft erwarten darf.

Der Superstar hängt aber auch mal wieder in der Warteschleife. Immer mal wieder gab es in den letzten Jahren Gerüchte um einen Abgang und um ein zerrüttetes Verhältnis zu Trainer Enrique. Derzeit steht eine Vertragsverlängerung im Raum, der Spieler ziert sich aber mal wieder.

Nicht die besten Voraussetzungen für das Duell mit den Königlichen. Die Partie im Bernabeu wird zum Stresstest für eine ganze Saison. Noch eine weitere Niederlage, dann wird in Barcelona auch Trainer Luis Enrique nicht mehr unantastbar sein.

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