Ausgerechnet Abwehr-"Raubein" Sergio Ramos fand die passenden Worte in diesem Moment. "Zlatan hat sich nicht vom Fußball verabschiedet, der Fußball hat sich von Zlatan verabschiedet. Wir werden dich vermissen, Löwe", schrieb der Spanier auf Instagram. Kurz zuvor hatte der schwedische Superstar und Ausnahmekönner Zlatan Ibrahimovic sein Karriereende angekündigt und damit die Fußballwelt in Trauer versetzt.

Mehr News zum Thema Fußball

Angesichts seiner zuletzt zahlreichen Verletzungen und seines für Fußballverhältnisse beinahe biblischen Alters von 41 Jahren keine völlig überraschende Entscheidung – zumindest für Außenstehende. Der Schwede, zuletzt in Diensten des AC Mailand, erklärte nach seinem emotionalen Abschied unter Tränen auf dem Rasen des Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadions, er habe zuvor mit niemandem darüber gesprochen: weder mit dem Verein noch mit seiner Familie.

Zlatan Ibrahimovic: "Godbye"-Choreo zum Abschied

Die Fans der Rossoneri feierten Ibrahimovic schon vor dem Spiel, denn es war bereits klar, dass es für den 41-Jährigen in Mailand nicht weitergehen würde. Neben "Ibrahimovic"-Sprechchören gab es auch eine Choreografie mit dem Wort "Godbye" zu sehen, eine Anspielung auf die sehr selbstbewusste Persönlichkeit des schwedischen Angreifers, der sich aus dem tristen Stadtteil Malmö-Rosengard in die Glitzerwelt des Fußballs gekämpft hat. Am Ende stehen auf dem Papier 496 Tore in 827 Pflichtspielen sowie 122 Spiele für Schwedens Nationalmannschaft.

Doch der Schwede war und ist viel mehr als diese beeindruckenden Zahlen. Mit seiner Physis und seiner Schusstechnik erzielte Ibrahimovic zahlreiche Traumtore.

So auch im Jahr 2004, als er in Diensten von Ajax Amsterdam sage und schreibe acht Haken schlägt und damit sechs Gegenspieler von NAC Breda ins Leere laufen lässt. Dann lässt er auch noch den Torwart alt aussehen und schiebt ein. "Maradona" und "Zidane" sind die Worte, die im Live-Kommentar des niederländischen Fernsehens fallen. Sein überbordendes, fast schon arrogantes Selbstbewusstsein sowie seine unglaubliche Spielintelligenz machen "Ibrakadabra" über Jahre hinweg zu einem der besten Stürmer Europas.

Fallrückzieher-Tor gegen England

Unvergessen für die meisten Fußballfans dürfte sein Fallrückzieher-Tor aus 25 Metern im Spiel Schweden gegen England im November 2012 sein. Nach einer Kopfball-Abwehr des damaligen englischen Torhüters Joe Hart nimmt Ibrahimovic den Ball direkt, indem er ihn in zwei Metern Höhe per Fallrückzieher in Richtung Tor drischt. Der unglaubliche Treffer wird sogar in Deutschland zum "Tor des Jahres" gekürt und fällt definitiv in die Kategorie "Jahrhunderttor".

Bei seinem Debüt in der amerikanischen Major League Soccer für die LA Galaxy am 31. März 2018 lässt er die Fans bereits mit seinem ersten Ballkontakt staunend zurück. Per Volley schießt der Schwede den Ball aus gut 30 Metern am Torwart vorbei ins gegnerische Tor. So erobert er in Windeseile die Herzen der Fans und tourt durch alle Talkshows des Landes.

Dabei wurde sein Wechsel in die MLS bereits von großem Medientrubel begleitet, den Ibrahimovic mit dem Kauf einer ganzseitigen Anzeige in einer Tageszeitung von Los Angeles weiter anheizte. Die Seite blieb weitgehend leer. Nur seine Unterschrift war zu sehen, sowie darüber in Englisch die Worte: "Los Angeles, gern geschehen." Niemand anderes in der Fußballwelt hätte sich eine solche Aktion erlauben dürfen, ohne dafür wochenlang zum Gespött der Medien und Mitspieler zu werden. Aber Ibrahimovic hatte sich mit seinen Leistungen und seiner "Aura" längst den Respekt der meisten verdient, sodass über derartige Höhenflüge in Sachen Selbstbewusstsein großzügig hinweggesehen wurde.

"Zlatanieren" steht in Schwedens Wörterbüchern

Auch sonst hat der 41-Jährige einiges vorzuweisen. So ist er wohl der einzige Fußballer, dessen Name zu einem neuen Wort geführt hat, das es tatsächlich in die Wörterbücher seines Heimatlandes geschafft hat. Bereits im Jahr 2012 nahm man das Verb "zlatanieren" in die schwedische Version des Dudens auf. Bedeutung, wenig überraschend: stark dominieren.

Dies gelang Ibrahimovic während seiner Karriere nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes verbal. So charakterisierte er einmal beim FC Barcelona seine Mitspieler Lionel Messi, Xavi und Andres Iniesta als "Schuljungen ohne Meinung".

Einem Reporter entgegnete Ibrahimovic auf die Frage, woher die Kratzer in seinem Gesicht stammen: "Fragen Sie doch mal Ihre Frau." Und über den norwegischen Stürmer John Carew spottete er: "Was der mit dem Ball kann, kann ich mit der Orange."

Ibrahimovic untermauerte sein Selbstbewusstsein mit Leistungen

Themen wie Selbstreflexion oder Bescheidenheit standen für die öffentliche Figur Zlatan Ibrahimovic selten zur Debatte und dennoch respektierten oder bewunderten der Großteil der Fußballfans seine Leistungen. Denn bei Ibrahimovic gab es meist nur wenig Diskrepanz zwischen seinen selbstbewussten Worten und seinen Taten auf dem Platz. Kaum jemand hätte gedacht, dass er nach seinem Wechsel in die MLS 2018 noch einmal nach Europa zurückkommen und dort sogar erheblichen Anteil am Meistertitel des AC Mailand 2022 haben würde.

Sein Trophäenschrank ist mit Ausnahme des Champions-League-Pokals seit Jahren prall gefüllt, ähnliches dürfte für sein Bankkonto gelten. Und mit 41 Jahren ist es auch keine Schande, seine Karriere zu beenden. Oder um es mit Ibrahimovics Worten zu sagen: "Wenn ich einen Spieler sehe, der besser ist als ich, werde ich meine Karriere beenden. Aber ich habe ihn noch nicht gesehen."

Danke, Zlatan!

Verwendete Quellen:

  • DAZN: Übertragung AC Mailand – Hellas Verona (4.6.23)
  • SID: Die besten Sprüche von Zlatan Ibrahimovic: "Der Zwerg und ich reichen vollkommen!"
  • spiegel.de: Seine Tore waren Kunstwerke
  • spiegel.de: "Zlatanieren" ins Wörterbuch aufgenommen
  • transfermarkt.de: Zlatan Ibrahimovic
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.