Die DFB-Frauen schlagen Wales in der Nations League mit 5:1. Doch so deutlich das Ergebnis auch klingt, so sichtbar sind die Unsicherheiten, die den Verband derzeit umgeben, auch auf dem Platz.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Flanke, Kopfball, Tor – Fußball kann so einfach sein. Insbesondere dann, wenn ein Team so spürbar verunsichert ist wie die deutsche Nationalelf der Frauen. Es ist nicht nur das frühe WM-Aus, das seit dem Sommer seine Schatten über den DFB wirft, sondern auch der ganze Ärger rund um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

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Nun also Horst Hrubesch als Interimscoach, der unter diesen Bedingungen dafür sorgen soll, dass Deutschland sich über die Nations League für Olympia qualifiziert. Daher verwunderte es kaum, dass das DFB-Team im ersten Hrubesch-Spiel gegen Wales mit einfachen Mitteln arbeitete.

Vornehmlich waren das Flanken. Vor dem Hintergrund, dass mit Lea Schüller eine der besten Kopfballspielerinnen der Welt von Beginn an auflief, ergab das Sinn. Hrubesch hatte zudem nicht die Zeit, die vorhandenen Strukturen auf links zu drehen. Der Spielverlauf gab ihm mehr oder weniger recht. Schüller traf nach Flanken von Sarai Linder und Linda Dallmann zum 1:0 und 2:1 per Kopf.

DFB-Team: Wenig Struktur im deutschen Spiel

Doch so richtig in Fahrt kam das deutsche Team lange nicht. Das Spiel nach vorn war über weite Strecken ebenso rat- und ideenlos wie schon in den letzten Wochen und Monaten. Gut zu sehen immer dann, wenn eine der beiden Innenverteidigerinnen versucht hat, dem Muster des vorhersehbaren Flügelspiels zu entkommen.

Vor allem Kathrin Hendrich war mehrfach darum bemüht, das Spiel durchs Zentrum zu eröffnen oder zumindest per langem Diagonalball für Überraschungsmomente zu sorgen. Marina Hegerin dribbelte mehrfach an, musste dann aber abbrechen oder doch wieder nach außen spielen. So wie vor dem 1:0.

Eigentlich war es eine Szene, in der sich die Wolfsburgerin festgelaufen hatte. Mehrere Meter machte sie mit dem Ball, doch in der Offensive und im Mittelfeld kam ihr niemand entgegen. Als sie das Tempo bereits deutlich reduzierte, lief Klara Bühl spontan doch noch ins Zentrum und öffnete so die Seite zumindest ein bisschen für Linder. Die setzte sich durch, flankte und fand Schüllers Kopf.

Horst Hrubesch: "Wir haben keine Sicherheit"

Ein Spielzug, dem die Abläufe abgingen. Kein Einzelfall. Was nicht Hrubesch anzukreiden ist, sehr wohl aber Martina Voss-Tecklenburg. Unter ihr gab es stets eine riesige Abhängigkeit von Alexandra Popp, die ebenfalls zu den besten Kopfballspielerinnen der Welt zählt.

Eine Weiterentwicklung im Angriffsspiel gab es nicht. Bei der sehr erfolgreichen Europameisterschaft 2022 profitierte man über weite Strecken von einer Art Außenseiterrolle. Selbst das Spiel zu machen, fällt dem Team schwer.

Auch gegen Wales war das so. Wenngleich alle Statistiken eindeutig für Deutschland sprechen, entstand nie das Gefühl einer bedingungslosen Dominanz. "Wir haben keine Sicherheit", erklärte Hrubesch in der ARD teils haarsträubende Fehler im Kombinationsspiel. Dabei habe man eigentlich "die Qualität, solche Spiele klar zu kontrollieren".

Das sollte der Anspruch sein. Stattdessen kassierte das Team kurz vor der Pause mit dem ersten Angriff der Waliserinnen den Ausgleich. Auf eine ähnlich lethargische Art und Weise wie im Spiel mit dem Ball. Weit weg von den Gegenspielerinnen und ohne Druck auf den Ball – ein 1:1 zur Pause, das sich trotz höherer Spielanteile andeutete.

DFB-Team: Außen stark, im Zentrum weiter mit Problemen

Immerhin: In der zweiten Hälfte sorgte Schüller nach bekanntem Flankenschema für das 2:1. Anschließend dauerte es bis zur 80. Minute, ehe Giulia Gwinn per Elfmeter die Entscheidung besorgte. Was bis zum Spielende passierte, war weniger relevant für die Gesamtbewertung des Auftritts, als deutlich wichtiger für den Kopf der Spielerinnen.

Ein 5:1 gibt dem Team mehr Selbstvertrauen, als es ein knapper Erfolg getan hätte. So mühsam es dazu auch kam, so hilfreich kann der dann doch deutliche Sieg für die Psyche sein. Zumal auffällig war, wie viele Topspielerinnen aktuell nicht in Form sind.

Es ist einfacher jene zu nennen, die ein durchweg gutes Spiel zeigten. Neben Doppeltorschützin Schüller sind das vor allem die Außenverteidigerinnen Linder und Gwinn. Mit der Einschränkung, dass beide beim Gegentor Mitschuld trugen. Linder stellte sich erst zu naiv an, rückte dann zu weit ein und Gwinn hielt zu großen Abstand zu Ceri Holland, die das Tor erzielte.

Doch im Offensivspiel waren sie der Ausgangspunkt von fast allen Angriffen, die Gefahr ausgestrahlt haben. Sorgen macht dem DFB hingegen weiterhin das zentrale Mittelfeld. Sara Däbritz suchte kaum Anbindung an das Aufbauspiel, versteckte sich eher in Räumen, die für die Mitspielerinnen nicht erreichbar waren. Laura Freigang versuchte zwar, sich fallen zu lassen, doch meist war das Spiel der Deutschen zu statisch, um aus diesen Bewegungen etwas zu machen.

DFB muss Klarheit bei den Frauen schaffen

Hrubeschs Schreibtisch ist voll mit Aufgaben. Das hohe Ergebnis sollte bei aller Zufriedenheit über die Schlussphase und die vielen Abschlüsse nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weg des DFB-Teams bis zu den Olympischen Spielen sehr weit ist.

Um die Chance darauf zu realisieren, braucht es einen deutlichen Leistungssprung in den kommenden Partien – und mehr Klarheit neben dem Platz. Denn ob Hrubesch noch länger am Schreibtisch sitzt oder nicht, hängt ja auch davon ab, wann es dem DFB gelingt, die letzten Wochen und Monate abschließend zu analysieren.

Flanke, Kopfball, Tor – und ein 5:1-Sieg gegen Wales. Viel mehr kann Hrubesch in diesem Umfeld derzeit nicht leisten. Es liegt am Verband, die Richtung für die Zukunft auszurufen. Dass es überhaupt erst zu dieser Situation kam, ist einer derart großen Fußballnation unwürdig.

Die Spielerinnen können noch so oft äußern, dass sie sich voll auf die Nations League fokussieren. Auch gegen Wales war wieder zu sehen, dass das nicht spurlos an ihnen vorbeigeht. Man kann keine Struktur auf dem Platz verlangen, wenn sie daneben fehlt.

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