Äußerlich sieht er laut Lothar Matthäus "nicht mehr so frisch" aus, innerlich ist er gebrochen. Die gestrige ARD-Dokumentation zeichnete ein trauriges Bild von Franz Beckenbauer.
Er war "der Kaiser", die Lichtgestalt des deutschen Fußballs und zweifelsohne eine der beliebtesten Persönlichkeiten unseres Landes.
Franz Beckenbauer und die WM-Affäre
Doch genau diese Weltmeisterschaft hat seinen Ruf extrem beschädigt. Wurde die WM-Vergabe nun gekauft, oder nicht?
Bisher gelang es ihm nicht, die Vorwürfe zu entkräften. Beckenbauer hat sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Der am späten Dienstagabend in der ARD ausgestrahlte Dokumentarfilm "Franz Beckenbauer – der Fall des Kaisers" begab sich auf Spurensuche.
Und das war offenbar schwierig: Beckenbauer gibt schon längst keine Interviews mehr. Auch sein Management blockt alle Anfragen ab.
Bayern-Präsident
Reif macht sich "große Sorgen" um Beckenbauer
Der Sportjournalist
Die Sorgen sind offenbar begründet. Freunde und Weggefährten zeichnen in den Gesprächen das Bild eines traurigen Menschen. "Der ganze Stress um die WM-Vergabe hat ihn natürlich mitgenommen", sagt
Was er damit meint: Im Jahre 2015 starb Beckenbauers Sohn Stephan an einem Hirntumor. 2016 musste sich der 72-Jährige zudem einer schweren Herz-Operation unterziehen. Das hat Spuren hinterlassen. "Er sieht nicht mehr so frisch aus wie vorher", erklärt Matthäus.
Der Politiker Edmund Stoiber, ebenfalls ein enger Freund von Beckenbauer, sieht das ähnlich: "Der Tod seines Sohnes hat ihn zutiefst erschüttert. Dann auch noch die Herz-OP, die zu einer Unzeit kam, weil es die Vorwürfe mit der WM gab. Das bricht einen Menschen natürlich, ist doch ganz klar."
In dem 45-minütigen Dokumentarfilm prallten die zwei Meinungen aufeinander, die bereits seit mehr als zwei Jahren Deutschland spalten. Die einen argumentieren, man solle den Mann in Ruhe lassen und sich einfach daran erfreuen, eine schöne WM in Deutschland gehabt zu haben. Die anderen wollen Aufklärung.
Tatsache ist, dass die Hintergründe der WM-Vergabe noch immer nicht nachgewiesen sind. Und der Dokumentarfilm erweckte den Eindruck, dass sich daran auch zukünftig nichts ändern wird. Zu groß scheint die Verschwiegenheit aller Beteiligten zu sein.
Schlechtes Krisenmanagement
Auch deshalb wird Beckenbauer ein schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen. Der "Spiegel"-Redakteur Gunther Latsch, der an dem Artikel über die dubiose WM-Vergabe mitgearbeitet hat, ist von Beckenbauers Verhalten überrascht: "Ich hätte gewettet, dass er auf seine lässige Art hingeht, und ähnlich wie bei seinem unehelichen Kind etwas sagt wie: Der Herrgott freut sich über jedes Kind und wir sind alle keine Heiligen, aber es war doch auch schön. Ich glaube, die Menschen hätten ihm dann verziehen."
Auch der Sportwissenschaftler Gunter Gebauer übt Kritik: "Als Spieler stand er für sich. Aber als Funktionär hat er mich nie überzeugt. Ein Funktionär muss Öffentlichkeitsarbeit betreiben und seine Aktionen rechtfertigen. Aber er war nie jemand, der in der Öffentlichkeit begründet hat, was er macht."
Ganz am Ende des Films, laut des Sprechers rein zufällig, tauchte Beckenbauer doch noch vor der Kamera auf. Das Kamerateam hatte ihn entdeckt, als er das Restaurant seines Freundes Alfons Schuhbeck verließ. In dieser Szene wird auch klar, was Matthäus mit "er sieht nicht mehr so frisch aus" meinte.
Selten hat man Beckenbauer so schwerfällig schlendern sehen. Eben wie ein Mensch, der vom Leben gezeichnet ist. Oder entsteht der Eindruck einfach dadurch, dass der natürliche Alterungsprozess des 72-Jährigen zuletzt abseits der Öffentlichkeit stattfand?
"Nein, ich muss schnell", antwortet Beckenbauer auf die Interviewanfrage des ARD-Reporters. Er lässt damit viele offene Fragen zurück. Eine Situation, an der auch dieser Film nichts ändern konnte.
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