Der deutschen Bundesliga scheint der FC Bayern München längst entwachsen. Und das nicht nur in sportlicher Hinsicht. So wie das kickende Personal die Liga dominiert, bastelt die Chefetage des Klubs im Hintergrund weiter am Monument FC Bayern München. Der 110-Millionen-Deal mit der Allianz stärkt die wirtschaftlich ohnehin schon gesunde Lage bei den Münchnern. Mit den von Investoren und Scheichs finanzierten Big Playern Europas ist der Rekordmeister aber weiterhin nicht zu vergleichen.

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Am Dienstag wurde der zu erwartende Einstieg des Versicherers Allianz SE beim deutschen Rekordmeister publik. Wirklich überraschend kam der Schachzug nicht mehr daher, hatte der FC Bayern München doch bereits angekündigt, neben den Anteilseignern Adidas und Audi einen dritten großen Partner ins Boot holen zu wollen.

8,33 Prozent der Anteile an der FC Bayern München AG sichert sich die Allianz und legt dafür kolportierte 110 Millionen Euro für das Aktienpaket auf den Tisch. Die Namensrechte am Stadion liegen damit bis ins Jahr 2041 beim Versicherer.

Die Anteile von Adidas und Audi dampfen von 9,09 auf 8,33 Prozent ein wenig ein. Kritiker würden behaupten, durch den Einstieg eines dritten Anteilseigners wird das bisherige Engagement der beiden Global Player ein wenig verwässert. Den Bayern kann das egal sein.

"Für den FC Bayern ist dies heute ein großer Tag", sagt Uli Hoeneß und findet Bestätigung in den Worten von Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke, der sich sofort zu einer Einschätzung bemüßigt fühlte. "Ich kann die Bayern zu diesem Geschäft nur beglückwünschen. Das ist Marktwirtschaft", sagte Watzke. "Die Kluft zum Rest der Liga wird dadurch aber natürlich noch ein Stück größer."

FC Bayern bleibt finanziell unabhängig

Der Deal der Bayern sorgt auch im Ausland für Aufsehen. Denn die Münchner zementieren damit ihre Stellung im Konzert der ganz Großen. Trotz der in der Bundesliga geltenden 50-plus-1-Regelung und ohne externen Investor bleiben die Bayern auf Jahre auf Augenhöhe mit Klubs wie Manchester City, dem FC Chelsea, Paris St.-Germain oder dem AS Monaco.

"Der FC Bayern München stellt damit ein weiteres Mal die Weichen für eine solide, wirtschaftlich gesicherte Zukunft des Klubs", versichert Bayerns Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen. Wer jetzt aber glaubt, dass im kommenden Sommer die große Transferoffensive des FCB losbricht, dürfte falsch liegen.

Die Bayern bleiben ihrem Stil trotz des Millionenregens treu. Der plötzliche Geldfluss soll - zumindest vorerst - nicht in noch teurere Stars reinvestiert werden, sondern in die Tilgung noch offener Verbindlichkeiten und ein Nachwuchsleistungszentrum nahe der Arena im Münchener Norden.

Hier darf der FC Barcelona als Vorbild herhalten. Der versorgt sich mit dem Ausbau des eigenen Leistungszentrum La Masia selbst mit überdurchschnittlichen Talenten. Knapp die Hälfte des aktuellen Kaders haben die Katalanen selbst ausgebildet.

Davon sind die Bayern noch ein Stück entfernt. Unter anderem deshalb, weil am Trainingsgelände an der Säbener Straße schlicht nicht genügend Platz ist für zwei Profimannschaften und eine komplette Jugendabteilung. Deshalb soll die Jugendakademie vor die Tore der Stadt ziehen, wo mit dem Bau der Anlage voraussichtlich in den nächsten Jahren begonnen wird.

Europas Big Player mit sattem Transferminus

Damit unterscheiden sich die Bayern einmal mehr vom Gros ihrer Kontrahenten auf europäischem Parkett. Manchester City hat seit dem Einstieg seiner arabischen Investoren vor vier Jahren ein Transferminus von über einer halben Milliarde erzielt. Beim FC Chelsea waren es unter Roman Abramowitsch rund 800 Millionen, bei PSG in drei Jahren rund 350 Millionen und in Monaco in nur einer Saison 180 Millionen Minus.

Die Bayern dringen durch das Allianz-Engagement nicht in Sphären der englischen oder französischen Klubs vor. Dafür sind deren Geldgeber zu potent und können problemlos immer mehr Millionen nachschießen. Was sich die Bayern in vier Jahrzehnten hart erarbeitet haben, holen viele Klubs im Handstreich auf: Durch den Verkauf ihrer Anteile über 50 Prozent.

Die Bayern dagegen halten weiterhin 75 Prozent ihrer Anteile selbst. Die Münchener haben das Fundament ihrer Unternehmung weiter in der Hand, können so erst gar nicht zum Spielball externen Geldgeber werden. Die Münchener verfolgen ganz klar die Strategie "Steine statt Beine". Die Reinvestitionen sollen Nachhaltigkeit sichern - alleine die Tilgung der Verbindlichkeiten der Arena spült den Bayern ab sofort rund 30 Millionen Euro pro Jahr mehr in die Kassen.

Mehr Schein als Sein bei Real und Barca

Auf den ersten Blick ähnlich gesund - oder wenigstens nicht fremdbestimmt - kommen die beiden spanischen Großklubs Real Madrid und der FC Barcelona daher. Allerdings ist der Glanz hinter der schönen Fassade längst verblasst. Real und Barca drücken Schulden in astronomischer Höhe.

Rund 600 Millionen Euro sind es bei Real, die meisten davon allerdings langfristige Darlehen. Bei Barca sollen es rund 300 Millionen sein. Und trotzdem waren es diese beiden Klubs, die im Sommer die spektakulärsten Transfers der letzten Jahre vollzogen.

Real ließ sich den Waliser Gareth Bale rund 100 Millionen Euro kosten und schrieb damit Geschichte. Barca holte sich das von fast allen Top-Klubs umworbene Supertalent und Marketingphänomen Neymar aus Brasilien. Kostenpunkt: Offiziell 57 Millionen Euro. Wie mittlerweile bekannt ist, dürfte sich das Gesamtvolumen aber auf rund 95 Millionen Euro belaufen.

FC Bayern scheut unnötiges Risiko

Bayerns Top-Transfers Javier Martinez (40 Millionen) und Mario Götze (37 Millionen) sind davon gefühlte Lichtjahre entfernt. Und das soll in naher Zukunft auch so bleiben. Während speziell die spanischen Klubs offenbar stets einen merkwürdigen Gigantismus bedienen und ihren Fans in schöner Regelmäßigkeit einen immer noch spektakuläreren Transfer präsentieren, bleiben die Bayern im Wettrüsten zumeist außen vor.

Es passt nicht ins Selbstverständnis des Klubs, für einzelne Spieler oder Trainer ein schwer kalkulierbares Risiko einzugehen. Daran ändern auch die Millionen aus dem Allianz-Deal nichts. Während viele Konkurrenten quasi aus dem Nichts erst groß werden konnten oder mittlerweile stark von der Politik gedeckt werden, wie es etwa in Spanien der Fall ist, ist der FC Bayern organisch und kontinuierlich gewachsen.

Damit dürfte der Triple-Sieger der gesündeste Klub Europas sein. Der Verkauf von 25 Prozent seiner Anteile an drei Unternehmen aus der Region unterstreicht diese Erkenntnis nochmals eindrucksvoll. Der FC Bayern München braucht nicht in die oberste (Geld-)Liga Europas aufzusteigen. Er spielt längst in seiner eigenen Liga.

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