Die Schweiz blickt nach dem bitteren Aus im EM-Viertelfinale mit Stolz auf das Turnier zurück. Allerdings muss jetzt eine wichtige Entscheidung getroffen werden.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Nach dem bitteren Viertelfinal-Aus bei der EM richtete sich der Blick bei der Schweiz auch nach vorne. Die "Nati" hat bewiesen, dass sie im Konzert der Großen mitspielen kann. Trotzdem muss eine dringende Frage schnell beantwortet werden.

Mehr News zur Fußball-EM

Im Moment des bitteren Ausscheidens stand Granit Xhaka noch einmal stellvertretend für den Auftritt der Schweiz bei dieser EM. Tapfer gekämpft hatten sie, die Eidgenossen, alles gegeben, alles versucht. Sie waren im Viertelfinale gegen England bis an die Grenzen gegangen. Und auch darüber hinaus.

Und das angeführt von ihrem Kapitän, der mit einem Muskelfaserriss in den Adduktoren auf dem Platz stand, wie er nach dem 3:5 im Elfmeterschießen verriet. "Ich konnte keine langen Bälle spielen, nicht aufs Tor schießen", sagte der 31-Jährige: "Mir war aber wichtig, dass ich der Mannschaft helfen kann auf dem Platz. Ich habe gespürt, dass sie mich braucht."

Diesen historischen ersten Einzug in ein EM-Halbfinale verpasste die "Nati" am Samstagabend trotzdem. Schon wieder. Wie 2021. Wieder im Elfmeterschießen, damals gegen Spanien, jetzt gegen England. "Es ist brutal hart", sagte Xhaka, "ganz schwer, die richtigen Worte zu finden. So eine Niederlage tut doppelt weh."

Bittere Erkenntnis: "So ist Fußball"

Und am Ende interessierte es auch nicht, ob die Niederlage nun ungerecht war, nachdem die "Three Lions" einmal mehr enttäuscht, die Schweizer den deutlich gefestigteren Eindruck gemacht und den Gegner im Griff gehabt hatten. Die im Grunde einzige englische Chance nutzte Bukayo Saka nur fünf Minuten (80.) nach der Schweizer Führung durch Breel Embolo zum 1:1. In der Verlängerung traf Xherdan Shaqiri den Pfosten, Zeki Amdouni scheiterte an Englands Keeper Jordan Pickford.

Und im Elfmeterschießen verschoss ausgerechnet der sonst überragende Abwehrchef Manuel Akanji vom Punkt. "Wenn man einen Elfmeter verschießt, vor allem als Einziger, dann hat man das Gefühl, dass man alle im Stich gelassen hat", sagte er.

Doch "so ist Fußball", sagte Xhaka, "es geht nur darum, wer am Ende gewinnt." Dass die Schweizer einmal mehr eine große Mannschaft bei diesem Turnier ärgern konnten, ist daher nur noch eine Randnotiz. Aber eine, auf die sie stolz sein können.

Sie hatten zum Auftakt die Ungarn klar beherrscht, gegen Deutschland den Gruppensieg nur um wenige Minuten verpasst, dazu im Achtelfinale auf überzeugende Art und Weise den Titelverteidiger Italien nach Hause geschickt. "Wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt, jeder einzelne", sagte Shaqiri: "Wir können uns nichts vorwerfen. Darauf können wir im nächsten Turnier aufbauen." Man habe "viele Leute in der Schweiz glücklich gemacht".

In der Weltspitze angekommen?

Deshalb war die Frage an Trainer Murat Yakin gar nicht so unberechtigt. Ist die Schweiz jetzt in der Weltklasse angekommen, gehört sie zur Weltspitze? "Wir müssen uns nicht verstecken. Wir werden gegen große Mannschaften aber nie der Favorit sein", stellte Yakin klar: "Wir haben tolle Fußballer, die in tollen Ligen spielen, die Verantwortung tragen. Aber es muss auf allen Ebenen perfekt laufen."

Wenn aber wie bei diesem Turnier vieles passt, vieles richtig läuft, taktisch, spielerisch, aber auch zwischenmenschlich, dann kann die Schweiz im Konzert der Großen nicht nur mitmischen, sondern auch eine gute Rolle spielen. "Wir haben uns etwas aufgebaut, wie wir als Kollektiv funktionieren. Auch die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, hat mich sehr glücklich gemacht", sagte Yakin.

Und Xhaka lobte, man sei eine Einheit gewesen: "Wir haben gelacht, wir haben Spiele gespielt. Wir haben ein gutes Mindset gehabt im Team. So kann man Erfolg haben, auch wenn wir heute verloren haben." Man habe Geschichte schreiben wollen, sagte der Leverkusener: "Das haben wir leider nicht geschafft, aber ich kann garantieren, dass wir in zwei Jahren auf jeden Fall wieder dabei sein werden und dass wir unsere Geschichte dort schreiben werden."

Was macht Yakin?

Der Blick richtete sich deshalb schon einmal in Richtung WM 2026, dem nächsten großen Ziel. Führt "Regisseur" Murat Yakin die Schweizer dorthin? Die Frage drängt, denn der Vertrag des 49-Jährigen ist mit dem Ende des Turniers ausgelaufen. Sein Standing hat in den vergangenen Wochen eine erstaunliche Wandlung erfahren. Die EM-Quali war schwierig, es gab Zoff mit Xhaka, der Rauswurf drohte.

Doch unter anderem mit guten, taktischen Entscheidungen, die nahezu alle aufgingen, hat er sich jede Menge Respekt in der Heimat erarbeitet. Yakin genießt diesen Stimmungswandel und dass er als Coach offenbar begehrt ist. Gerüchte machten zuletzt die Runde, dass es Angebote aus Saudi-Arabien geben soll.

Er bekennt sich aber zur Schweiz. "Ich habe immer signalisiert, dass ich bereit bin. Priorität hat für mich die Nationalmannschaft", sagte er. Es gebe keine Diskussionen mit anderen Klubs, oder Angebote. "Ich freue mich, wenn wir die Gespräche führen können. Dann schauen wir, ob es eine Fortsetzung gibt."

Lesen Sie auch

Das will die Mannschaft

Die Rückendeckung ist groß. Die Hoffnung: Man werde nach der Enttäuschung wieder aufstehen, und das mit Yakin als Coach. "Wir wünschen uns klar, dass er Trainer bleibt. Er ist genau der richtige Mann für diese Mannschaft, hat uns in jedem Spiel richtig aufgestellt", sagte Xhaka.

Und stand auch hier einmal mehr stellvertretend für die Mannschaft.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenzen
  • Mixed Zone
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.