Die Nationalmannschaft von Kroatien zählte bei den vergangenen Weltmeisterschaften zu den Top-Nationen, erlebt nun aber eine schwierige Europameisterschaft und steht vor dem Aus. Auch Weltfußballer Luka Modric gibt Rätsel auf.

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Die Kritik hatte ihn offenbar gestört. "Niemand hat je an uns geglaubt, aber wir haben in den letzten sechs Jahren drei Medaillen gewonnen", erinnerte der kroatische Nationaltrainer Zlatko Dalić am Dienstag die Pressevertreter. "Wenn ich mich nicht täusche, dann sind wir nach Frankreich die einzige europäische Mannschaft, die das geschafft hat. Kroatien verdient viel mehr Respekt von allen anderen."

Tatsächlich zählt Kroatien zu den erfolgreichsten Fußballnationen der jüngeren Vergangenheit. Bei der Weltmeisterschaft 2018 zogen sie ins Finale ein und konnten lediglich von Frankreich besiegt werden. Bei der Weltmeisterschaft 2022 folgte ein starker 3. Platz. Bei der Uefa Nations League 2022/23 erreichten sie das Endspiel. Doch die erfolgreiche Ära droht sich dem Ende zuzuneigen.

Nachdem es im Auftaktspiel ein sattes 0:3 gegen Spanien gegeben hat, folgte am Mittwochabend, also einen Tag nach dem flammenden Appell des Nationaltrainers, ein enttäuschendes 2:2 gegen Albanien. In der 5. Minute der Nachspielzeit hatten sie den entscheidenden Gegentreffer kassiert.

Viel Ballbesitz, wenig Torchancen

Vor dem letzten Gruppenspiel am Montagabend (21 Uhr) gegen Italien droht das Vorrundenaus. "In diesem Turnier ist es wichtig, aus der Gruppe erfolgreich herauszukommen. Wir hätten nicht gedacht, dass die zwei Spiele so schwierig sein würden", gab der Nationaltrainer bei der Pressekonferenz zu.

In beiden Vorrundenspielen hatte Kroatien mehr Ballbesitz als der Gegner. Gegen Spanien waren es 53 Prozent, gegen Albanien sogar 67 Prozent. Es fehlte allerdings die Fähigkeit, daraus ausreichend viele Chancen zu kreieren.

Der kroatische Nationalstürmer Andrej Kramaric, der beim Bundesligisten TSG Hoffenheim unter Vertrag steht, sagte nach dem 2:2 gegen Albanien auf Nachfrage unserer Redaktion: "Es war schwer, diese Kette zu überbrücken. Wenn ich elf Freunde auf der Gegenseite habe, ist es nicht einfach, gegen sie durchzukommen - außer man hat Messi in der Mannschaft."

Luka Modric: Der kroatische Motor stottert

Einen Lionel Messi hat Kroatien zwar nicht in der Mannschaft, dafür aber Luka Modric. Der 38-jährige Mittelfeldspieler ist das Gesicht des kroatischen Fußballs. 2018 wurde er sogar mit dem Ballon d’Or als "Weltfußballer des Jahres" ausgezeichnet. Dadurch unterbrach er die Dominanz von Messi und Cristiano Ronaldo, die diese Auszeichnung ansonsten Jahr für Jahr eingeheimst hatten.

"Er ist nicht mehr der, der er war"

TV-Experte Tomislav Ivkovic über Luka Modric

Modric wird von seinen Mitspielern ständig gesucht und hatte gegen Albanien 141 Ballkontakte. Doch es gelingt ihm nicht mehr, mit seiner einst so gelobten Passgenauigkeit reihenweise Chancen einzuleiten. Gegen Albanien hatte er in der 1. Halbzeit eine Fehlerpassquote von 18 Prozent. Zudem hätte einer seiner Ballverluste fast zum Gegentor geführt.

Die Kritik in der kroatischen Heimat ist groß. "Einige unserer Spieler sind nicht mehr in der Form, die sie einmal hatten", sagte TV-Experte Tomislav Ivkovic. Auch Modric sei mit seinen fast 39 Jahren "körperlich nicht bereit und das merkt man. Er ist nicht mehr der, der er war."

Modric selber fordert, dass die Fehler aus dem Spiel gegen Albanien aufgearbeitet werden. "Wir werden eine Analyse durchführen und sehen, was wir verbessern können. Wir sind sicherlich nicht zufrieden mit dem Einstieg in das Spiel. Wir müssen etwas ändern", sagte er nach dem Spiel.

Die kroatischen Spieler sind älter, die Gegner motivierter

Stellt sich die Frage, warum Kroatien nicht mehr so gut funktioniert wie noch bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar. "Unsere Spieler sind jetzt etwas älter", sagte der Trainer und suchte nach einer Erklärung. "Dieses Turnier zeigt, dass sich viele Mannschaften schwertun. Auch für Portugal war es schwer, gegen Tschechien zu gewinnen, oder für England gegen Serbien. Das Turnier ist wirklich offen."

Kramarić hat das Gefühl, dass die Gegner gegen die eigene Mannschaft mittlerweile besonders motiviert sind. "Wir alle wissen, was wir in den letzten fünf, sechs Jahren geleistet haben. Alle geben sich gegen Kroatien besonders viel Mühe", sagte er, fügte dann aber noch hinzu: "Das darf kein Alibi sein."

Kroatien steht nun im dritten Vorrundenspiel in der Pflicht. "Wir haben keine andere Wahl als einen Sieg gegen Italien. Ich glaube, dass wir es schaffen können, aber wir müssen besser spielen", sagte Modric. "Es wird ein schwieriges Spiel, Italien ist eine große Mannschaft, sie haben einen großartigen Trainer, sie sind sehr gut organisiert. Wir sind immer noch positiv, es hängt alles von uns ab, wir wissen, was zu tun ist."

Doch bekommen sie es auch umgesetzt?

Verwendete Quelle

  • Pressekonferenz und Mixed Zone nach dem Spiel Kroatien gegen Albanien am 19. Juni 2024
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