• Deutschland besiegt Dänemark mit 4:0. Der Matchplan der Bundestrainerin geht dabei komplett auf.
  • Lange Bälle, Standards und ein intensives Pressing lassen das DFB-Team glänzen.
  • Auch die Defensive ist meistens stabil. Gegen Spanien wartet aber eine andere Herausforderung auf die Deutschen.
Eine Analyse

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Deutschland startet furios in die Europameisterschaft und schlägt Dänemark mit 4:0. Nach Toren von Lina Magull (21.), Lea Schüller (57.) und Lena Lattwein (78.) trug sich auch noch Alexandra Popp in ihrem ersten EM-Spiel in die Torschützinnenliste ein (86.). Fünf Erkenntnisse zum Start nach Maß.

1. Deutschland mit klarem Plan

"Wir haben die Räume gefunden, die wir bespielen wollten", sagte Martina Voss-Tecklenburg nach dem Spiel im "ZDF": "Dänemark hat sich irgendwann zurückgezogen. Wir wollten weiter mit langen Bällen hinter die Kette kommen." Mit diesen drei Sätzen beschrieb die Bundestrainerin den Matchplan gegen Dänemark.

Auf dem Platz setzte das Team diese Marschroute sehr gut um. Während der Ball sicher durch die eigene Viererkette lief, wechselten die Offensivspielerin vorne variabel die Positionen. Das Ziel war es, Dänemark vertikal auseinander zu ziehen und so den Raum zwischen den gegnerischen Mittelfeld- und Abwehrspielerinnen zu vergrößern.

Vor allem Svenja Huth ließ sich dann immer wieder in den Halbraum fallen, um anspielbar zu sein. Spielten die Deutschen nicht diese Chipbälle in den Zwischenraum, suchten sie häufig den langen Ball auf die Flügel. Denn da waren die dänischen Außenverteidigerinnen meist weit aufgerückt. Auch deshalb, weil sie von den deutschen Spielerinnen immer wieder aus ihren Positionen gezogen wurden.

So tauchte Lina Magull auch mal auf den Flügeln auf, um eine Abwehrspielerin auf sich zu ziehen, während Klara Bühl oder Svenja Huth hinter die gegnerische Kette starteten. Rechts wie links ergaben sich dadurch vielversprechende Angriffe, die die DFB-Elf noch zu selten in Tore ummünzte. Der Plan war aber klar zu erkennen und setzte Dänemark von Beginn an unter Druck.

2. DFB mit hohem und intensivem Pressing

Die langen Bälle hatten noch einen weiteren Vorteil. Weil Deutschland mit vielen Spielerinnen im Angriffsdrittel positioniert war, konnten sie sehr effektiv auf zweite Bälle gehen. Vor dem 1:0 wurde zwar kein langer Ball gespielt, doch die DFB-Elf verlor den Ball in der Offensivbewegung.

Allerdings waren sofort sechs Spielerinnen in der Nähe, die sofort anlaufen konnten. Lea Schüller und Lina Magull eroberten den Ball zurück und Letztere brachte Deutschland in Führung. Dänemark wirkte mitunter überfordert mit dem aggressiven und intensiven Pressing des deutschen Teams.

Gleichwohl fanden auch die Däninnen ab und an die Räume hinter der vordersten DFB-Linie. Gefährlich wurde es jedoch selten, weil die Restverteidigung rund um die starke Marina Hegering sehr stabil war. Selbst wenn die Deutschen mal nicht so gut organisiert waren, konnten sie mit viel Laufbereitschaft und Leidenschaft Schlimmeres verhindern.

Es war eine herausragende Teamleistung. Deutschland spielte dynamisch, mit viel Tempo und mit einer sehr hohen Intensität. Dass sie das bis zum Schluss durchhalten konnten, lag auch am sehr breit besetzten Kader. Im Turnierverlauf könnte das noch ein großer Trumpf sein.

3. Deutschland zeigt Standard-Qualitäten

"Wir haben jede Ecke so gespielt", sagte Lea Schüller im "ZDF" über ihren Treffer zum 2:0. Fünf deutsche Spielerinnen positionierten sich direkt im Fünfmeterraum, sechs Gegenspielerinnen komplettierten ein unübersichtliches Rudel. Hinzu kam Lene Christensen. Schon bei vorherigen Ecken zeigte die dänische Torhüterin das eine oder andere Problem.

Offenbar hatte das Team rund um Voss-Tecklenburg diese Schwäche bei hohen Bällen vorab analysiert. Tatsächlich gab es das deutsche Rudel bei jeder Ecke zu beobachten. In der 57. Minute mit Erfolg. Christensen kam heraus, blieb aber hängen und musste dabei zusehen, wie Schüller den Ball ins Netz köpfte.

Auch das 3:0 resultierte aus einem Standard. Diesmal nach einem Freistoß. Lena Lattwein bewegte sich so weit nach außen, dass ihre Gegenspielerin sie aus den Augen verlor. Auch weil der Ball zunächst ins Zentrum segelte, wo Lena Oberdorf ihn genau zu Lattwein köpfte, die von außen wieder nach innen sprintete.

Klar einstudierte Standards könnten bei dieser Europameisterschaft noch ein wichtiges Mittel für das DFB-Team werden. Gegen Dänemark waren sie bereits spielentscheidend.

4. Deutschlands Defensive wackelt nur kurz

Die Defensive war eines der großen Fragezeichen vor dem Turnier. Gegen Dänemark spielte Deutschland nicht nur zu Null, sondern überzeugte darüber hinaus auch mit einer ansprechenden Teamleistung in der Abwehr. Nur kurz vor der Pause wackelte das DFB-Team leicht.

Dänemark drehte in dieser Phase den Spieß um und fand vor allem hinter Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn einen großen Raum. Die 23-Jährige verteidigte viel nach vorn und ging dabei mehrfach ins Risiko – in den überwiegenden Fällen mit Erfolg. In der einen oder anderen Situation hätte Dänemark das aber besser für sich ausnutzen können.

Auch auf der linken Seite kam Dänemark gegen Felicitas Rauch das eine oder andere Mal durch. Die Linksverteidigerin vom VfL Wolfsburg gewann nur einen ihrer drei Bodenzweikämpfe. Hier gibt es für das deutsche Team noch Luft nach oben. Dass Dänemark aber insgesamt nur auf sechs Abschlüsse kam und daraus laut "Fotmob" nur 0,63 Tore erwartbar gewesen wären, unterstreicht eine insgesamt gute Defensivleistung der Deutschen.

5. Wie viel Euphorie ist angebracht?

Der Auftaktsieg war aus so vielen Gründen wichtig. Einer davon ist das kommende Spiel gegen Spanien. Die Spanierinnen gewannen ihre Auftaktpartie gegen Finnland mit 4:1. Am zweiten Spieltag könnte somit bereits die Vorentscheidung in Gruppe B fallen. Gibt es eine Siegerin im Duell zwischen Spanien und Deutschland, wird diese wohl als Gruppenerste ins Viertelfinale einziehen.

Das 4:0 gegen Dänemark wird dem DFB-Team nun viel Rückenwind geben. Immerhin galten die Däninnen ebenfalls als Mitfavoritinnen. Dennoch ist die große Frage, wie viel Euphorie angebracht ist. Vermutlich wird erst das Spiel gegen Spanien endgültige Klarheit in die Frage bringen, wo das deutsche Team steht. Gegen Finnland brauchten die Spanierinnen etwas Zeit, um ins Spiel zu finden, überzeugten dann aber mit ihrer gewohnten Ballsicherheit. Voss-Tecklenburg deutete bereits an, dass sie sehr genau darum wisse. Wird sie das hohe Pressing also anpassen?

Dass Spanien unter Druck für den einen oder anderen Fehler gut ist, zeigten sie zumindest im Ansatz. Vermutlich wäre es der falsche Weg, sich der spanischen Passmaschine zu unterwerfen. Gleichzeitig verfügen die Spanierinnen über die technische und taktische Qualität, Deutschlands Pressing mit wenigen Pässen auszuhebeln.

Die Bundestrainerin wird wohl an einer ausbalancierten Lösung feilen müssen. Dass sie und ihr Team aus der Analyse richtige Schlüsse ziehen können, konnte man gegen Dänemark sehen. "Uns muss erstmal jemand schlagen", sagte die Bundestrainerin im Kreis mit dem gesamten Team nach Abpfiff. Kann Deutschland die analytische Vernunft mit dieser Emotionalität, der Leidenschaft und dem Mut aus dem Auftaktspiel kombinieren, wird auch Spanien große Probleme mit dieser Aufgabe haben.

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