- Deutschland gewinnt mit 2:0 gegen Spanien und zeigt dabei vor allem in der Defensive eine starke Leistung.
- Gegen spielstarke Spanierinnen beweisen die Deutschen, dass sie taktisch variabel agieren können und leidensfähig sind.
- Im Viertelfinale geht man durch den Gruppensieg England aus dem Weg – oder geht England den Deutschen aus dem Weg?
"Zwei Spiele, zwei Siege – besser geht's nicht", fasste
Gerade hatte Deutschland Spanien durch gnadenlose Effizienz und große Defensivpower an den Rand der Verzweiflung gebracht. "Jede hat für die andere gearbeitet – so stellen wir uns das vor", hielt Voss-Tecklenburg fest.
Taktisch und mental war es abermals eine Top-Leistung des deutschen Teams, das nun mit sechs Punkten bereits als Gruppensieger feststeht. Fünf Erkenntnisse zum Triumph über das bei der EM mitfavorisierte Spanien.
1. Deutschland mit guter Mischung aus Mut und Rationalität
Schon nach drei Minuten zeigte die DFB-Elf erstmals, was sie sich gegen technisch überlegene Spanierinnen vorgenommen hatte. Man lief hoch an, setzte den spanischen Spielaufbau unter Druck und wurde mit einem Fehler von Torhüterin Sandra Paños belohnt. Die 29-Jährige gilt als eine der ballsichersten Torhüterinnen bei dieser Europameisterschaft. Hier ließ sie sich zu einem außergewöhnlichen Ballverlust verleiten.
Mit der Führung im Rücken und dem späteren 2:0 durch
Der spanischen Eleganz setzte Deutschland Aggressivität entgegen. Selbst als sie sich etwas zurückgezogen, fanden sie in den richtigen Augenblicken wieder nach vorn. Sie ließen Spanien da spielen, wo es sie nicht schmerzte. Auch wenn sie mal die Zwischenräume vor der Abwehr oder gar hinter der Abwehrkette fanden, halfen sich die Spielerinnen gegenseitig aus. Spanien hatte viel Ballbesitz und einige schöne Passstafetten. Deutschland überzeugte erneut als Team, kam über eine beeindruckende Geschlossenheit und hohe Intensität.
2. Deutsche Abwehr: Erster Stresstest
Vor dem Turnier ein großes Fragezeichen, gegen Dänemark nur bedingt gefordert, nun aber einem großen Stresstest ausgesetzt – die Rede ist von der deutschen Abwehr. Spanien rannte an, Spanien kombinierte sich nach vorn, aber Spanien biss sich eben auch in den meisten Spielphasen die Zähne aus.
Vor allem Mitte der zweiten Halbzeit, als die Kräfte langsam schwanden, verteidigte Deutschland tief in einem 4-5-1. In dieser Phase hätte das Spiel trotz komfortabler Führung nochmal kippen können. Deutschland kam nicht mehr hinten raus. Spanien hatte die richtigen Lösungen. Sie machten das Spiel breit, zogen die deutschen Ketten auseinander und bespielten die dadurch größer werdenden Zwischenräume gut. Auch die Schnittstellen der Abwehr attackierten sie klug.
Deutschland aber hatte immer wieder einen Fuß oder den Kopf dazwischen. Sie blieben eng an ihren Gegenspielerinnen, bedrängten sie und halfen einander, wenn die Spanierinnen ihre Dribblings gewannen oder sich durchkombinierten. Nur zwölf spanische Abschlüsse ließen sie zu. Aus Position und Qualität der Schüsse errechnet der Statistik-Dienstleister "Fotmob" 1,38 erwartbare Tore.
Die Daten unterstreichen nochmal die deutsche Leistung. Oft kommt es nicht vor, dass Spanien so wenig klare Chancen hat. Zur Wahrheit gehört zwar dazu, dass Deutschland das Quäntchen Glück hatte. Den ersten Stresstest hat die deutsche Abwehr aber trotzdem bestanden.
3. Außen laufstark, innen konsequent
Die kollektive Abwehrleistung lässt sich nochmal sehr gut anhand individueller Leistungen veranschaulichen. Kathrin Hendrich gewann alle ihrer fünf Bodenzweikämpfe, an
Unterstützt wurden die Außenverteidigerinnen von den laufstarken Angreiferinnen Svenja Huth und Klara Bühl. Letztere führte 17 Bodenzweikämpfe. Auch wenn sie davon nur sechs gewann, störte sie damit den spanischen Spielfluss entscheidend. Deutschland vertraute darauf, dass Spanien mit den Räumen auf den Flügeln nicht viel anzufangen weiß. Und wenn die Defensive doch mal Chancen zuließ, war Merle Frohms mit einigen sehr starken Paraden zur Stelle.
Wichtig war es zudem, dass die Viererkette in den ersten 60 Minuten immer wieder spielerische Lösungen fand, um den Ball auch mal in den eigenen Reihen zu halten. Neben der ohnehin spielstarken Marina Hegering (87 Prozent Passquote) ist hier Giulia Gwinn hervorzuheben. Die 23-Jährige löste mehrfach Drucksituationen durch kurze Dribblings und Doppelpässe auf. In der zweiten Halbzeit wurde der Druck größer und die Entlastungsphasen nahmen ab. Deutschland aber blieb hinten stabil und brachte das 2:0 über die Zeit.
4. Deutschland mit besonderer Leidensfähigkeit
30 Prozent Ballbesitz, nur 172 Pässe, 61 Prozent Passquote – die Statistiken sind untypisch für das deutsche Spiel. Gegen Spanien war das aber nahezu unausweichlich. "Wir haben uns schon darauf eingestellt", sagte Torschützin Alexandra Popp nach dem Spiel.
Das DFB-Team will eigentlich selbst das Spiel kontrollieren. Gegen Dänemark verzeichnete Deutschland 66 Prozent Ballbesitz. Für Spielerinnen, die es gewohnt sind, selbst den Takt vorzugeben, ist es eine riesige Herausforderung, sich von einem auf das nächste Spiel komplett umzustellen. Deshalb sind umgekehrt auch die Ballbesitzphasen der Deutschen gegen Spanien so wichtig gewesen.
Der Fokus lag aber auf der Defensivarbeit. Deutschland schaffte es auf eindrucksvolle Art und Weise, diesen Schalter umzulegen und trotzdem die Qualitäten im Offensivspiel auf den Platz zu bringen, wenn sich die Möglichkeit ergab. Gegen kein anderes Team werden sie sich nochmal so verstellen müssen. Dass sie es aber können, zeigt die Variabilität, mit der das DFB-Team bisher auftrumpft.
5. England im Viertelfinale vermeiden – oder andersherum?
Deutschland ist der erste Platz in Gruppe B nicht mehr zu nehmen. Das bedeutet, dass man im Viertelfinale nicht auf England treffen wird, die zuletzt Norwegen mit 8:0 besiegt haben. Gleich im ersten K.-o.-Spiel auf die Gastgeberinnen zu treffen, wäre eine große Herausforderung gewesen.
Wie spätestens seit dem 2:0 gegen Spanien klar ist, wäre es keine unlösbare gewesen. Dennoch dürfte man auch im DFB-Team nicht unglücklich darüber sein, dass es nun Österreich oder Norwegen wird. Andersherum wird man auch in England glücklich darüber sein, nicht schon im Viertelfinale auf Deutschland treffen zu müssen.
Martina Voss-Tecklenburg wollte noch gar nicht so weit denken. Es gehe erstmal darum, jetzt das letzte Spiel gegen Finnland seriös anzugehen, sagte die Bundestrainerin. Und dann denke man erst über das Viertelfinale nach, "wer auch immer es dann wird." Diese Schritt-für-Schritt-Mentalität zeichnet das Team aus.
Mit dem Sieg gegen Spanien sind die Deutschen nun Top-Favoritinnen auf das Halbfinale. Dort könnte man bei einem Weiterkommen dann beispielsweise auf Frankreich, Schweden oder die Niederlande treffen. Die vielleicht größte Erkenntnis des gestrigen Abends ist jedoch, dass dieses deutsche Team niemanden fürchten muss. Im Gegenteil noch: Wer so eine Leidensfähigkeit und Anpassungsfähigkeit zeigt, zählt zu Recht zu den großen Favoritinnen dieses Turniers. Aber frei nach der Bundestrainerin: Jetzt wartet erstmal Finnland.
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