Österreich ist raus! Eine völlig verpennte erste Halbzeit kostet dem ÖFB-Team nicht nur den Sieg gegen Island, sondern auch den Aufstieg in die K.o. Runde. Trainer Marcel Kollers anfängliche Taktik dürfte nach dem Desaster nun in den Fokus der Kritik rücken.

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  • Österreich verliert gegen Island nur 1:2 (0:1) und scheitert bereits in der Gruppenphase
  • Aleksandar Dragovic verschießt Elfmeter
  • Marcel Kollers Taktik greift eine Halbzeit lang völlig ins Leere
  • Alessandro Schöpfs tolles Tor reicht nicht
  • Island zieht sensationell als Gruppenzweiter ins Achtelfinale ein

Der Star des Spiels

Hannes Halldorsson hielt gegen Österreich nicht überragend. Aber wenn der Torhüter der Isländer gefordert war, war er auch zur Stelle. Einzig Schöpfs Versuch musste der gelernte Filmregisseur passieren lassen. Ansonsten hieß es aus österreichischer Sicht: Endstation Halldorsson.

Die Szene des Spiels

Es hätte die frühe Wende werden können: Aleksandar Dragovic ist nicht der klassische Elfmeterschütze und trotzdem trat der Innenverteidiger kurz vor der Pause zum wichtigsten Strafstoß der jüngeren Geschichte an. Dragovic scheiterte an der Stange. Es war wie ein Sinnbild der gesamten EM: Aus einer großen Chance machte Österreich leider nichts.

Die Lehren des Spiels

Österreich hat auch im dritten Turnierspiel nicht über 90 Minuten seine Leistung abrufen können und scheitert deswegen auch verdient bereits in der Vorrunde. Gegen leidenschaftliche, aber fußballerisch limitierte Isländer muss in so einem wichtigen Spiel mehr drin sein, als eine gute Halbzeit. Der verschossene Elfmeter von Dragovic passte ins schiefe Bild dieser verkorksten EM.

ÖFB-Coach Marcel Koller stellte überraschend auf eine 3-4-3-Grundformation. Die Überlegungen dahinter: Mit drei Innenverteidigern in der letzten Linie sollten die viele hohen Zuspiele auf die isländischen Spitzen solider verteidigt werden. Und gegen das 4-4-2- des Gegners bliebe die Überzahl im Übergangs- und Angriffsdrittel als permanente Gefahr, erneut mit David Alaba in der zentralen Rolle. So viel zur Theorie.

In der Praxis waren die Probleme der letzten Spiele aber wieder zu erkennen. Österreich begann übernervös und hatte nach nicht einmal 120 Sekunden schon großes Glück bei einem Lattentreffer der Isländer.

Das Pressing wurde nur verhalten und im Mittelfeld durchgezogen, die Angst vor den langen Bällen hinter die Abwehrlinie war spürbar. Und in der Offensive wusste offenbar kein Spieler so genau, wann er welchen Laufweg wählen sollte.

Koller korrigierte seine Aufstellung zur Pause - und lag damit goldrichtig. Im Zusammenspiel mit den Einwechslungen von Marc Janko Alessandro Schöpfs und der Rückkehr zum gewohnten 4-2-3-1 oder situativ einem 4-1-4-1 spielte Österreich plötzlich den Fußball, den man aus der Qualifikation gewohnt war.

Alaba fühlte sich auf der Sechs deutlich wohler und schob das Spiel zusammen mit Julian Baumgartlinger immer wieder an. Vor allem aber entfachte die ÖFB-Auswahl plötzlich jene Leidenschaft und Unbeschwertheit, die es von der ersten Minute an gebraucht hätte.

Island spielte in der ersten Hälfte noch gut mit, war immer wieder gefährlich. Mit dem Anpfiff zum zweiten Durchgang aber verschanzten sich die Insulaner fast nur noch am und um den eigenen Strafraum, Entlastung gab es kaum noch. Dagegen versuchten die Blauen immer wieder an der Uhr zu drehen. Im Prinzip war es bei dieser Art Fußball eine Frage der Zeit, bis der Ausgleich fällt.

Österreich musste sich nach den kraftraubenden Minuten zuvor nach dem Treffer eine kleine Verschnaufpause gönnen und verlor dann etwas den Faden. Erst in der Schlussphase wurde wieder Druck aufgebaut. Aber ohne die nötige Struktur und klar definierte Abläufe.
Auf beiden Seiten gab es für den Schiedsrichter Szymon Marciniak einige knifflige Szene zu bewerten. Dem Polen sind keine großen Fehler vorzuwerfen, der Elfmeterpiff für Österreich geht ebenso in Ordnung wie Marciniaks Entscheidung, bei Florian Kleins vermeintlichem Handspiel im Strafraum Mitte der zweiten Halbzeit nicht auf Strafstoß zu entscheiden.

Die ÖFB-Auswahl war als so etwas wie ein Geheimfavorit gestartet und scheidet jetzt als Gruppenvierter in dieser auf dem Papier absolut machbaren Gruppe sang- und klanglos aus. Island dagegen holt sensationell den zweiten Platz in Gruppe F und erwartet am kommenden Montag England zum Achtelfinal-Clash.

Stimmen zum Spiel

Christian Fuchs (Österreich): "Wir haben alles versucht. Wir hatten genug Chancen, haben sie aber leider nicht genutzt. Vom letzten Tor brauchen wir nicht reden, das war ein Konter, da haben wir alles nach vorne geworfen. Das erste Tor war bitter. Ich möchte nicht das System schuld machen - wir stehen auf dem Platz und müssen die Tore machen. Das ist uns nicht gelungen. Wir haben gekämpft, aber es war nicht genug."

Marcel Koller (Trainer Österreich): "Wir waren viel zu hektisch und nervös. Wir hatten zu wenig Ruhe am Ball, das war bei jedem Spiel so. Erst in der zweiten Halbzeit haben wir so gespielt, wie vorher. Wir müssen die Erfahrung mitnehmen, jeder kann davon profitieren. Es ist viel passiert: Spieler waren verletzt oder hatten ihren Rhythmus nicht. Bei so einem Turnier ist das Level extrem hoch. Die Spiele folgen so schnell aufeinander, dass du deine Form während des Turniers eigentlich nicht finden kannst. Fußball ist ein Selbstvertrauen-Sport. Wenn du Spiele gewinnst, baust du Selbstvertrauen auf. Jetzt geht es gerade in die andere Richtung, das müssen wir wieder umdrehen. Ich gebe Dragovic keine Schuld, das kann passieren mit dem Elfmeter. Es waren zwei, drei Schützen genannt, die Spieler haben das dann auf dem Feld selbst untereinander ausgemacht."

Die Tabelle der Gruppe F

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