Angst vor neuen Randalen: Das Spiel der deutschen Gruppengegner Ukraine gegen Polen in Marseille wurde als Hochrisikospiel eingestuft. Unser Reporter war vor Ort und hörte von Einheimischen sogar von einer "Fight Zone". Trotzdem war sein Eindruck von den Fans und der Polizei ausnahmslos positiv.

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Marseille. Schon bei der Ankunft am Bahnhof Saint-Charles springt die gelöste Stimmung zwischen den polnischen und den ukrainischen Fans auf die neutralen Anhänger über. Locker und fröhlich posieren die Fanlager der beiden Nachbarländer vor der Kulisse der Mittelmeermetropole.

Das Hochrisikospiel der beiden deutschen Gruppengegner Ukraine und Polen bei der EM 2016 in Frankreich steht im besonderen Fokus. Vor allem die schweren Ausschreitungen zwischen russischen und englischen Hooligans zum Start der EM ließ die Polizeipräsenz am alten Hafen und vor dem Stadion in Marseille in die Höhe schnellen.

Von Anspannung ist vor der Partie, die Polen am Ende für sich entscheiden wird, zunächst nichts zu spüren. Lediglich die schwer bewaffneten Ordnungshüter am Bahnhof lassen auf die Brisanz dieser Partie schließen.

Einheimische sprechen von "Fight Zone"

Beim Spaziergang durch die Stadt ist die Lage auf den ersten Blick entspannt. Hier und da schallen die Gesänge englischer Fans durch die Straßen. Anhand der Textpassage des allgegenwärtigen EM-Gassenhauers, wer gerade "on fire" ist, ist zu erkennen, ob es sich um Nordiren, Iren oder Engländer handelt.

In Marseille ist dies an diesem Nachmittag James Vardy, der Shootingstar von Sensationsmeister Leicester City in der Premier League. Die gute Laune der grölenden Briten ist beinahe ansteckend.

Doch während in der Innenstadt alles friedlich zu sein scheint, sorgen erste Festnahmen von polnischen Hooligans am Vieux Port für Unwohlsein.

Beim Gespräch mit den Einheimischen ist nur von der "Fight Zone" die Rede. Die Gegend rund um den alten Hafen ist der Hotspot in diesen Tagen. Die Marseiller würden diese ohnehin meiden.

Laxe Kontrollen am Stadion

Auf dem Weg zum Stadion und in der U-Bahn verleihen erneut die mit Maschinengewehren bewaffneten Polizisten ein gewisses Unbehagen. Deren sichtbare Entspanntheit relativiert dieses Gefühl allerdings schnell.

Der Gang zum beeindruckenden Stade Velodrome wird rechts und links gesäumt von den Hundertschaften der französischen Spezialeinheiten. Hier hatte am frühen Nachmittag ein Aufmarsch von eher nationalistisch orientierten polnischen Chaoten für kurze Ausschreitungen gesorgt. Die Polizei bekam diese aber allem Anschein nach schnell in den Griff.

Umso verwunderlicher ist die doch eher laxe Kontrolle am Einlass ins Stadion. Nur sporadisch werden die Taschen durchsucht.

Wenig überraschend werden während der Begegnung hier und da Pyros gezündet. Die überwiegend polnischen Fans verbreiten allerdings mit Fangesängen weitestgehend positive Stimmung.

100 glattrasierte polnische Schlachtenbummler

Dieses Bild setzt sich auch nach Abpfiff fort. Polen und Ukrainer gehen fast schon freundschaftlich miteinander um. Zurück in der Stadt wird jedoch klar, warum es sich bei dem Aufeinandertreffen um ein Hochrisikospiel handelte.

Weniger die Rivalität der beiden Staaten als vielmehr die Gesinnung vieler Anhänger aus den Reihen der Osteuropäer treibt einem Sorgenfalten auf die Stirn. Ein fast beklemmendes Gefühl stellt sich ein, als beim Schlendern durch die Straßen eine Gruppe von etwa 100 glattrasierten polnischen Schlachtenbummlern von Polizisten geleitet um die Häuser zieht.

Straßenkick statt Randale

Zur Eskalation kommt es an diesem Abend nicht mehr. Im Deutschland-Trikot durch Marseille zu laufen, bedeutet schlimmstenfalls böse Blicke auf sich zu ziehen.

Spät in der Nacht endet mit einem Straßenkick am Vieux Port zwischen Engländern, Polen und Franzosen dieser brisante längste Tag des Jahres.

Es hätte wesentlich schlimmer kommen können.

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