Wie schon 1958 machte der DFB auch dieses Mal keine Anstalten, sich für die nächste Europameisterschaft anzumelden. Bundestrainer Sepp Herberger sah den Wettbewerb noch immer als "reine Zeitverschwendung" an.

Mehr News zur Fußball-EM

"Deutschland steht abseits", schrieb der "Kicker" am Tag der Auslosung. Neben dem DFB verzichteten von den 33 UEFA-Mitgliedern auch Schottland (verbandsinterne Probleme) und Finnland (finanzielle Probleme). Zyperns Bewerbung fiel den Wirren des Bürgerkriegs zum Opfer.

Insgesamt 29 Verbände meldeten sich an, Spanien bekam den Zuschlag als Ausrichter. Die Vorrunde ergab 13 Spielpaarungen, ausgetragen im K.o.-System mit Hin- und Rückspiel. Österreich, Luxemburg und die Sowjetunion erhielten Freilose. Die Überraschungen der Vorrunde gelangen Bulgarien, das sich in einem dritten Entscheidungsspiel in Rom gegen Portugal durchsetzte (1:0), sowie der DDR. Das Team des ungarischen Trainers Karoly Soos bezwang den amtierenden Vize-Weltmeister vor 50.000 Zuschauern im Ostberliner Walter-Ulbrich-Stadion mit 2:1. Beim Rückspiel in Prag sah es lange Zeit nicht gut aus für die Ostdeutschen, doch Peter Duckes Ausgleichstreffer zum 1:1 vier Minuten vor dem Ende sicherte der DDR das Tickets für Achtelfinale.

Quasi kampflos kam Albanien gegen Griechenland weiter, da sich die Griechen strikt weigerten gegen den Nachbarn anzutreten. Beide Länder befanden sich damals im Kriegszustand. In der Runde der letzten 16 gab es zwei Überraschungen: Mit Jugoslawien und Italien mussten zwei heiße Anwärter auf den Titel vorzeitig gehen. Geheimfavorit Schweden wurde zum Stolperstein für die Jugos. Die Skandinavier mit ihrer fantastischen Sturmreihe um Gunnar Gren, Gunnar Nordahl und Nils Liedholm, kurz Gre-No-Li, holten in Belgrad ein 0:0.

Im Rückspiel von Malmö sah es lange nach einem Entscheidungsspiel aus. Doch kurz vor dem Abpfiff rutschte Jugoslawiens Keeper Milutin Soskic ein harmloser Weitschuss durch die Finger und Schweden triumphierte 3:2. "So einen Ball darf ein Klassemann noch nicht einmal im Schlaf verfehlen", fauchte Trainer Lovric. Der zweifache Weltmeister Italien musste indes mit seiner Küken-Truppe gegen die Sowjetunion bitteres Lehrgeld bezahlen. Das Durchschnittsalter der Squadra Azzurra lag bei gerade mal 22 Jahren.

Vor sagenhaften 102.000 Zuschauern im kalten Moskauer Leninstadion schlugen sich die jungen Italiener beim 1:2 jedoch tapfer. Das Rückspiel im Römer Stadio Olimpico wurde dann zu einem einzigen Sturmlauf der Azzurri – der allerdings gestoppt wurde von Lew Jaschin. Einzig und allein ihrem Superstar im Tor hatte es der Titelverteidiger zu verdanken, dass die 70.000 mit einem enttäuschenden 0:0 nach Hause geschickt wurden und Italien draußen war. "Der furchtbare Jaschin", titelte die "Gazzetta dello Sport" am Tag drauf. Ebenfalls furchtbar verlief das Achtelfinale für die Niederlande. Der haushohe Favorit schied aber peinlicherweise gegen den kleinen Bruder Luxemburg aus (1:1 und 1:2). Die bis dato größte Sensation der Europameisterschaften.

Im Viertelfinale war für die wackeren Luxemburger gegen Dänemark dann aber Endstation. Allerdings nur denkbar knapp. Nach einem 3:3 und einem 2:2 musste ein drittes Spiel in Amsterdam die Entscheidung bringen, welches Dänemark 1:0 gewann. Spanien lud sich durch zwei klare Erfolge über Irland (2:0 und 5:1) quasi selbst zur eigenen Partie ein, auch Ungarn hatte gegen Frankreich wenig Mühe (2:1 und 3:1).

Der Kracher des Viertelfinals war aber die Partie Schweden gegen Sowjetunion. Beim 1:1 im Hinspiel in Stockholm sicherte Hamrins Tor kurz vor Schluss den Skandinaviern immerhin noch das remis. Beim Rückspiel im Leninstadion aber waren die Schweden ohne Chance.

107.000 Zuschauer sahen ein 3:1 der Sowjets, bei denen Jaschin vor dem Spiel als erster Torhüter und erster Osteuropäer mit dem "Goldenen Ball" als Europas Fußballer des Jahres ausgezeichnet wurde.

Im ersten Halbfinale im Estadio Santiago Bernabeu zwischen Spanien und Ungarn wohnten 75.000 Zuschauer bei. Peredas Führung für die Spanier glich Bene mit einem Abstauber vier Minuten vor dem Ende aus.

In der Verlängerung entschied ein Zufallstreffer von Amancio die Partie zu Gunsten der Gastgeber. Das andere Halbfinale zwischen Dänemark und der Sowjetunion wurde zu einer klaren Angelegenheit für die Sowjets. "Jaschin hätte schon nach 20 Minuten wieder zurück ins Hotel gehen können", bemerkte ein Journalist nach dem langweiligen 3:0.

So kam es am 21. Juni 1964 zum Traumfinale zwischen Titelverteidiger UdSSR und Gastgeber Spanien. Rund 80.000 Tickets hatte der Verband abgesetzt, an jenem Abend tummelten sich dann aber geschätzte 130.00 im Santiago Bernabeu. Bereits in der fünften Minute brachte Pereda Spanien in Führung. Nur 120 Sekunden später glichen die Russen aber durch Linksaußen Chussainow aus. In der zweiten Halbzeit hatten die Iberer zweimal Pech, als Schiedsrichter Holland aus England zunächst einen Treffer von Pereda nicht anerkannte und einen klaren Elfmeter für die Spanier nicht ahndete.

Fünf Minuten vor dem Ende wurden die Gastgeber dann aber doch noch belohnt. Nach Flanke vom überragenden Pereda wuchtete Marcelino den Ball per Flugkopfball am machtlosen Jaschin vorbei ins Netz. Einen bitteren Beigeschmack erhielt der Titel der Seleccion dann einige Tage später. Die Zeitung ABC druckte einen Cartoon, in dem General Franco seinen Spielern gratuliert: "Sie und ich haben sich als Sieger erwiesen. Wir beide haben die Roten geschlagen."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.