Vivien Endemann trifft mit dem VfL Wolfsburg im DFB-Pokalfinale der Frauen auf den FC Bayern München (Donnerstag, 16:00 Uhr). Im Interview mit unserer Redaktion spricht die 22-Jährige über die Konkurrenzsituation zwischen den beiden Top-Vereinen, ihren langen Weg in den Profifußball und die Olympischen Sommerspiele.
Frau Endemann, in der Bundesliga verlor der VfL Wolfsburg erst im März mit 0:4 gegen den FC Bayern München. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass das DFB-Pokalfinale für Ihre Mannschaft besser verläuft?
Vivien Endemann: Ich glaube, wir sind als Team super eingestellt. Wir haben einen klaren Plan, wie wir das Spiel angehen wollen - und eine überragende Qualität in unserer Mannschaft. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir das Spiel auch gewinnen können. In dem angesprochenen Bundesligaspiel kam einiges zusammen: Nachdem wir in Rückstand geraten waren, ging es für uns aufgrund der Tabellensituation darum, das Spiel irgendwie noch zu drehen. Wir mussten hinten aufmachen, dadurch fiel die Niederlage dann noch deutlicher aus. Es war nicht unser Tag.
Bei der damaligen Begegnung fehlte
Egal in welchem Spiel, Poppi ist enorm wichtig für unsere Mannschaft, weil sie immer vorangeht. Sie ist eine absolute Führungsspielerin und gibt immer Vollgas. Aber ich denke, wenn sie fehlt, haben wir noch immer eine super Qualität, auch in der Breite des Kaders, um das aufzufangen.
Druck vor dem Finale
Verspüren Sie einen besonderen Druck, weil der DFB-Pokal der einzige Titel ist, den Ihre Mannschaft in dieser Saison gewinnen kann?
Ich glaube, in einem Pokalfinale ist immer Druck da – egal wie die Ausgangssituation ist. Aber es ist nicht so, dass wir uns deshalb extra Druck machen oder einen zusätzlichen Druck verspüren.
Wer ist die unangenehmste Gegenspielerin beim FC Bayern München?
Ich als Offensivspielerin kann vor allem über deren Defensive sprechen. Wenn man sich den Kader von Bayern anschaut, haben alle Spielerinnen in der Innen- und Außenverteidigung eine überragende Qualität – natürlich auch in der Offensive.
Können Sie trotzdem eine Verteidigerin hervorheben, gegen die man es als Offensivspielerin besonders schwer hat?
Glodís Viggosdottir ist natürlich eine sehr gestandene Spielerin. Aber grundsätzlich kann man bei diesem Kader nicht ein oder zwei Spielerinnen hervorheben.
Ihre Mitspielerin Lena Oberdorf wird in der kommenden Saison die Seiten wechseln und für den FC Bayern München spielen. Wie hatte sie der Mannschaft diesen Wechsel mitgeteilt?
Wir haben das jedenfalls erfahren, so viel steht fest (grinst). Ich glaube, die Art und Weise, wie sie uns das mitgeteilt ist, ist vor dem Pokalfinale irrelevant.
Es gibt Gerüchte über weitere namhafte Abgänge, zum Beispiel von Ewa Pajor. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass Wolfsburg den Status als Nummer 1 im deutschen Frauen-Fußball dauerhaft verliert?
Ich schätze die Gefahr als nicht groß ein. Klar ist Bayern ein ernstzunehmender Konkurrent, das sehen wir ja in der Meisterschaft. Sie legen auch auf dem Transfermarkt zu. Aber das werden wir sicherlich auch machen. Wir haben noch immer einen überragenden Kader.
Bei den Herren gewann der FC Bayern München elf Meisterschaften in Folge, ehe nun Bayer Leverkusen erstmals den Titel gewann. Eine solch lange Dominanz können Sie sich im Frauen-Fußball also nicht vorstellen?
Da ich bei Wolfsburg spiele, eher nicht. Wir haben große Ambitionen und weiterhin einen absolut konkurrenzfähigen Kader.
Themawechsel: Sie haben sich in Ihrer Karriere Schritt für Schritt hochgearbeitet. Nachdem Sie beim SV Werder Bremen ausgebildet wurden, spielten Sie in der Regionalliga für den TV Jahn Delmenhorst, ein Jahr später für den Zweitligisten SV Meppen, später erfolgten dann die Wechsel zum Bundesligisten SGS Essen und zum Top-Verein VfL Wolfsburg. Wurde Ihr Talent erst spät erkannt?
Ich hätte nach der U17 in Bremen bleiben können. Aber ich habe dann gemeinsam mit meinen Eltern entschieden, was der beste nächste Schritt wäre, um Fußball und Schule miteinander zu verbinden. Der Schritt in die Regionalliga war nicht verkehrt. Als ich dann in die 2. Bundesliga nach Meppen gegangen bin, nahm das alles seinen Lauf. Ich glaube, ich war nie der Überflieger, daher habe ich auch nie für eine U15- oder U16-Nationalmannschaften gespielt. Ich bin die Schritte etwas später gegangen als einige andere. Aber jetzt bin ich hier (lacht).
War es immer Ihr Ziel, eines Tages in der Bundesliga zu spielen?
Nein, so weit habe ich früher gar nicht gedacht. Ich habe einfach nur Fußball gespielt, weil es mir Spaß macht. Das ist heute noch so. Ich habe zwar immer viel an mir gearbeitet und zusätzliche Trainingseinheiten gemacht. Aber einfach nur, weil ich Spaß daran hatte. Ich habe nie gesagt, dass ich irgendwann in der Bundesliga spielen möchte. Als ich in der Regionalliga spielte, ist das noch Freizeit-Fußball gewesen. Wir haben dreimal die Woche abends trainiert, alle Spielerinnen haben nebenbei studiert oder gearbeitet. Aber als die Anfrage aus Meppen kam, war mir klar, dass das eine super Möglichkeit ist, um in der 2. Bundesliga zu spielen.
War das der große Schritt in den professionellen Fußball?
Ja, das war für mich eine neue Welt, denn der Unterschied zwischen der Regionalliga und der 2. Bundesliga ist groß. Und Meppen war zudem ein Klub, der die Ambition hatte, in die Bundesliga aufzusteigen. Das haben wir dann gemeinsam geschafft. Aber es war nie so, dass ich alles auf eine Karte gesetzt habe.
Was war die größte Herausforderung, um sich von der 2. Liga auf die Bundesliga einzustellen?
Alles war neu. Man hat im großen Stadion gespielt, oft auch gegen Nationalspielerinnen. Wir haben vielleicht etwas öfter trainiert, aber ansonsten hat sich nicht viel verändert.
Wolfsburgs Vorteile
Inwiefern unterscheiden sich die Bedingungen bei einem Verein wie VfL Wolfsburg von denen bei Ihren Ex-Vereinen?
Die Infrastruktur hier in Wolfsburg ist überragend, wenn man sich die Kabinen oder den Kraftraum anguckt. Auch die Trainingsplätze sind natürlich super. Aber auch in Delmenhorst und Meppen wurde alles versucht, um das Beste aus den eigenen Möglichkeiten herauszuholen. Es gab zum Beispiel eine Verbindung zu einem Fitness-Studio, wo man trainieren konnte.
Neben dem Fußball studieren Sie Fitness-Wissenschaften. Hat das einen positiven Einfluss auf Ihre Fußball-Karriere?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt Module wie Physiotherapie und Ernährungswissenschaften, wo ich sehr viel für mich rausziehen kann – aus anderen Themen wie Marketing oder Rechnungswesen eher weniger.
Ende Februar gaben Sie Ihr Debüt für die deutsche Nationalmannschaft. Im Sommer könnten Sie an den Olympischen Sommerspielen teilnehmen. Wie blicken Sie diesem Event entgegen?
Relativ entspannt. Natürlich wäre es ein Highlight, dabei zu sein. Trotzdem weiß ich, dass nur ein 18er-Kader zu Olympia reist. Ich versuche einfach, weiter beim VfL meine Leistung zu bringen, verletzungsfrei zu bleiben und mich bestmöglich vorzubereiten. Dann entscheidet der Trainer letztendlich, wer im Kader ist und wer nicht.
Bundestrainer Horst Hrubesch übernahm die Mannschaft in einer schwierigen Situation, nachdem die DFB-Auswahl im Sommer 2023 in der Vorrunde der Weltmeisterschaft ausgeschieden war. Nun scheint sich die Nationalmannschaft wieder auf der Erfolgsspur zu befinden. Was zeichnet ihn als Trainer aus?
Er ist sehr direkt, steht auf den einfachen Fußball und sagt klar heraus, was er denkt. Man weiß bei ihm, woran man ist. Er kann uns sehr viel weiterhelfen. Und ich glaube, er ist genau der Trainer, den die Mannschaft zum aktuellen Zeitpunkt braucht.
Zur Gesprächspartnerin:
- Vivien Endemann (Jahrgang 2001) war in der Jugend für den SV Werder Bremen aktiv, spielte daraufhin für den Regionalligisten TV Jahn Delmenhorst und den Zweitligisten SV Meppen, mit dem der Aufstieg in die Bundesliga gelang. 2021 erfolgte der Wechsel zur SGS Essen, ehe sie im Sommer 2023 zum VfL Wolfsburg wechselte. Im Februar debütierte sie für die deutsche Nationalmannschaft, für die sie bislang drei Länderspiele bestritt.
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