Die DFB-Frauen zeigen unter Christian Wück die nächste starke Leistung. Gegen die Schweiz reicht es am Ende zu einem 6:0-Sieg. Laura Freigangs Weltklasse und ein Top-Talent aus Freiburg ebnen den Weg zum Kantersieg.

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Aufbruch. Vielleicht ist das das Wort, das die drei Spiele der DFB-Frauen unter Christian Wück am besten beschreibt. Gegen die Schweiz bestätigte sich dieser Eindruck nicht nur, er verstärkte sich gar.

Es steht ein anderes Team auf dem Platz. Fußballerisch und teilweise auch namentlich. Neue Namen wie Cora Zicai und Alara Sehitler sind dazugekommen, auch längst in der Nationalelf etablierte Namen tauchen nun aber häufiger auf und übernehmen größere Rollen.

Ein Prozess, der nach den Abgängen von Alexandra Popp, Marina Hegering, Merle Frohms oder auch Svenja Huth zwingend notwendig war und ist. Aber auch ein Prozess, der von Wück offenbar in die richtige Richtung angestoßen wurde.

Mit 6:0 gewann Deutschland gegen die Schweiz. Ein Sieg des Umbruchs.

Freiburg, Frankfurt und Co.: DFB-Team wird von vielen Klubs geprägt

Das zeigt sich auch auf der Anzeigetafel. FC Chelsea, FC Bayern, Eintracht Frankfurt, SC Freiburg – die sechs Treffer waren eine Co-Produktion verschiedener Klubs. Mit Sophia Winkler stand eine Essenerin im Tor, die ihr Debüt abgeklärt absolvierte, auch der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim waren natürlich vertreten und in der vergangenen Länderspielpause stürmte mit Giovanna Hofmann eine Leipzigerin.

Wück setzt auf die Stärke der Bundesliga. Dort zeigt sich auch in der Tabelle derzeit, wie eng alles zusammengerückt ist und wie schnell die Top-Teams mal Punkte in Freiburg oder bei anderen Teams aus dem Mittelfeld liegen lassen.

Das DFB-Team wird mittlerweile von deutlich mehr Klubs geprägt als nur vom FC Bayern und dem VfL Wolfsburg. Unter Vorgänger Horst Hrubesch und auch dessen Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg hatten es selbst Spielerinnen wie Laura Freigang schwer, den Weg in die erweiterte Startelf zu schaffen.

Laura Freigang: So gut wie nie

Unter Wück scheinen die Karten neu gemischt zu werden. Neben Debütantin Winkler stand auch Selina Cerci in der ersten Elf, zur Pause kamen mit Pia-Sophie Wolter und eben Freigang zwei Frankfurterinnen, die das Spiel im Verbund mit Freiburgerin Cora Zicai entschieden haben.

Gerade Freigang schwebt im Moment durch die Saison. In 14 Pflichtspielen für die SGE traf die 26-Jährige bereits 16-mal, bereitete zudem zwei Tore vor. Diesen Flow nahm sie mit zum DFB. "Man muss nur den Fuß hinhalten", erklärte sie nach dem Spiel beim "ZDF" mit Blick auf die perfekten Flanken von Wolter. Ganz so einfach waren ihre Tore aber auch nicht.

Es waren Abschlüsse, die sie in der Vergangenheit gern mal versiebt hat. Aber in dieser Saison tritt sie deutlich selbstbewusster, klarer und zielstrebiger auf. Zweimal hielt sie ihren Fuß nicht nur in die Flanke, sie versenkte den Ball jeweils technisch anspruchsvoll im Tor – es waren zwei Weltklasse-Tore. Freigang scheint derzeit den letzten Schritt in Richtung Top-Spielerin zu gehen. Sie ist so gut wie nie und tut dem DFB-Team damit sehr gut.

Schon deshalb, weil Lea Schüller trotz ihres Doppelpacks und guter Leistung immer noch Zeit benötigt, um ihre beste Form zu erreichen. Die Bayern-Stürmerin fiel in den letzten Monaten häufig aus oder war schlicht nicht fit.

Wie viel Risiko darf es sein? DFB-Team hatte Startschwierigkeiten

Das war gerade in der ersten Halbzeit zu sehen, als die Deutschen im Spiel nach vorn noch sehr behäbig und fehleranfällig agierten. Einerseits tat man sich schwer damit, das eigentlich spielstarke Zentrum mit Schüller, Cerci und Linda Dallmann einzubinden. Andererseits schafften es die drei Spielerinnen zu selten, Dynamik ins Spiel zu bringen.

"Dann muss man versuchen, über außen schnell zu spielen", analysierte Wück hinterher: "Wir wollten über die Außen kommen." Stattdessen aber schenkte man den Schweizerinnen Umschaltsituationen. Drei-, viermal lief das Heimteam in Gleich- oder gar Überzahl und mit viel Raum auf das Tor von Winkler zu.

Glück für Deutschland, dass die Schweizerinnen nicht die Qualität mitbrachten, um diese Situationen zu bestrafen. Wück fordert von seinem Team ein temporeiches und offensives Spiel – inklusive hohem und aggressivem Pressing. In allen drei bisherigen Spielen sorgte das für Tore, mitunter auch für Spektakel. Allerdings auf beiden Seiten.

Risikoabwägung wird ein Bereich sein, an dem gearbeitet werden muss. Das bedeutet nicht, dass die Deutschen tiefer verteidigen müssen. Aber es kann beispielsweise bedeuten, dass die Strukturen in Ballbesitz weiter gestärkt werden müssen. Die Fähigkeit, den Ball über einen längeren Zeitraum in den eigenen Reihen zu halten, ist gerade für ein intensives Pressing extrem wichtig.

Je häufiger und je länger die DFB-Frauen den Ball kontrollieren können, desto mehr Kraft bleibt fürs Gegenpressing. Im ersten Durchgang musste man zu häufig dem Ball hinterherjagen, hatte im Gegenzug eben zu selten die Kontrolle über das Geschehen.

Laura Freigang: Sie will das Wück-Team künftig prägen

Toptorschützin in der Bundesliga und beim DFB auf der Zehnerposition: Laura Freigang will ihre starke Form aus der Bundesliga mit zur Nationalmannschaft bringen und auch im Trikot der deutschen Fußballerinnen durchstarten.

DFB-Frauen: Ein Standard öffnet die Tür zum Torfestival

Das Tor von Sjoeke Nüsken nach einem Standard öffnete dann endgültig die Tür. Sicherlich kam das auch den Einwechselspielerinnen entgegen. So hatte Zicai beispielsweise häufiger Situationen mit viel Raum als Klara Bühl in der ersten Halbzeit. Trotzdem oder gerade deshalb zeigte die Debütantin aber, dass sie schon jetzt eine große Verstärkung für Wück ist.

Ihre Dribblings brachten genau das, was dem Trainer im ersten Durchgang fehlte: Dynamik. Die Freiburgerin ist schnell, technisch stark und hat viel Zug zum Tor. Das 3:0 von Schüller bereitete sie vor, beim 5:0 belohnte sie ihre gute Leistung mit einem eigenen Treffer.

Ein rundum gelungener Abend für eine Nationalelf, die sich gerade neu aufstellt und endlich wieder aktiven und offensiven Fußball spielt. Mit allen Hürden, die eine solche Entwicklung mit sich bringt.

Aufbruch im DFB-Team

Dass der Bundestrainer nicht davor zurückschreckt, die neuen Namen wie Zicai oder Sehitler nicht nur schnell zu nominieren, sondern sie auch gleich bei der ersten Möglichkeit einzusetzen, ist wichtig für den weiteren Prozess.

Ebenso wichtig wie die richtige Einordnung des 6:0 in der Schweiz. Es gibt gewiss noch Probleme im Ballvortrag – in der Entscheidungsfindung, aber auch im technischen Bereich. Allzu viele Einladungen, die man dem Gegner am Freitagabend zum Kontern gab, sollte man in Zukunft nicht verteilen.

Trotzdem sieht es so aus, als wäre man auf dem richtigen Weg. Während es unter Hrubesch noch ein Strecken der vorangegangenen Ära war, baut Wück das Team gerade neu auf – personell und fußballerisch. Es ist eine längst überfällige und notwendige Neuausrichtung.

Ob sie vor dem Hintergrund der schon bald anstehenden EM in der Schweiz noch rechtzeitig kam, wird sich zeigen müssen. Und doch kann man das "vielleicht" aus der Beschreibung der ersten drei Spiele unter Wück streichen: Das fühlt sich definitiv an wie ein Aufbruch.

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