Es war Ingrid Hjelmseth und dem Unvermögen der dänischen Nationalmannschaft geschuldet, dass die obskure Spielplangestaltung der UEFA am Donnerstag kurz vor Mitternacht nicht vollends ad absurdum geführt wurde.

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1:1 stand es im skandinavischen Duell zwischen Norwegen und Dänemark nach 90 und nach 120 Minuten. Zum fünften Mal im fünften Spiel war es den Däninnen nicht gelungen, nach regulärer Spielzeit plus Verlängerung einen Sieg einzufahren - und trotzdem noch eine sehr veritable Chance auf das Erreichen eines EM-Endspiels zu haben.

Eine Mannschaft, die ohne "Sieg" - im Viertelfinale gegen Frankreich gewann Dänemark nach Elfmeterschießen, in der Vorrunde gab es zwei Remis und eine Niederlage - in ein Endspiel einzieht. So etwas hat es auch noch nie gegeben.

Dänemark hatte sich als einer der beiden besten Gruppendritten noch ins Viertelfinale gemogelt und es dürfte ein paar hohe Herren gegeben haben, die schon mit dem schlimmsten Szenario gerechnet hatten: Dass die Däninnen ins Finale einziehen und dort auch über den Umweg der Verlängerung oder sogar des Elfmeterschießens Europameister werden, ohne auch nur ein Spiel gewonnen zu haben.

Chance zur Revanche

Auf Norwegens Torfrau Ingrid Hjelmseth war aber Verlass. Sie fischte im Elfmeterschießen gegen Dänemark die ersten beiden Versuche aus dem Eck, am Ende triumphierte die norwegische Mannschaft mit 4:2 und trifft im Finale nun in der Neuauflage des Gruppenspiels vor rund zwei Wochen auf Deutschland.

Norwegen dürfte der Partie trotz des Sieges im letzten Gruppenspiel mit eher gemischten Gefühlen entgegensehen. Bereits dreimal hieß die Paarung in einem EM-Finale Deutschland gegen Norwegen. Und dreimal siegte die DFB-Auswahl, 1989, 1991 und 2005.

Dazu haben die Spielerinnen von Trainer Even Pellerud 30 Minuten Verlängerung in den Beinen und einen Tagen weniger zur Regeneration. "Es ist gut, dass wir nun einen Tag länger Pause haben. Da können die Spielerinnen den Sieg ein wenig genießen und ausruhen", sagte Silvia Neid.

Die Bundestrainerin hat die Elogen auf ihre Mannschaft registriert, neben Bundestrainer Joachim Löw hat auch die Bundeskanzlerin bereits zum Finaleinzug gratuliert. Dass damit noch lange nichts gewonnen ist, scheint der eine oder andere geflissentlich zu übersehen. "Ich freue mich, dass wir es mit dieser jungen Mannschaft ins Finale geschafft haben", sagte auch Neid und wurde dann sogar eine Spur zu pathetisch. "Das sind alle tolle Menschen ..."

Etwas mehr als diese Erkenntnis wird es aber schon brauchen, um die unangenehmen Norwegerinnen am Sonntag ein viertes Mal in einem Finale zu besiegen. Mit dem 4-3-3 der "Landslaget" hatte Deutschland in der Vorrunde große Probleme, besonders die Offensivbewegung gegen das dann abgewandelte 4-5-1 des Gegners schmeckte Neids Team überhaupt nicht.

Vorsicht vor den Standards!

Nicht nur deshalb war auch Assistenztrainerin Ulrike Ballweg am Donnerstag Norrköping zugegen, um ein paar frische Eindrücke der Norwegerinnen zu sammeln. Besonders die Standardsituationen dürfte sich Ballweg notiert haben. Norwegen ist dabei schwer auszurechnen, Pellerud hat mit seiner Mannschaft mehrere kluge Varianten einstudiert.

Die deutsche Mannschaft hat aber einen noch größeren Vorteil auf ihrer Seite: Wie kein anderes Team konnte sich Neids Mannschaft im Laufe des Turniers steigern. Das ist der Stoff, aus dem Champions sind.

"Das Italien-Spiel war unser Schlüsselmoment. Da ging es darum, den Gegner im Zaum zu halten. Mit dem Einzug ins Halbfinale ist den jungen Spielerinnen dann ein Stein vom Herzen gefallen", erklärte Neid den Wandel innerhalb einer mittlerweile losgelösten Mannschaft.

Vielleicht kann die Bundestrainerin gegen Norwegen wieder auf Torjägerin Celia Okoyino da Mbabi zurückgreifen, die im Semifinale noch verletzt gefehlt hatte. Andernfalls läuft wieder Anja Mittag auf, die ihre Rolle als Vertretung gegen Schweden ganz vorzüglich ausgefüllt hatte.

Sieben Mal stand Deutschland in einem EM-Finale und gewann sieben Mal. Die Chance auf Titel Nummer acht scheint dieses Mal aber genau so groß wie ein erstmaliges Scheitern. Nur: Die noch vor wenigen Tagen heftig in der Kritik stehende Neid hat sich davon offenbar losgelöst.

"Ich weiß, dass die Mannschaft viel mehr kann, als sie hier bislang zeigt. Aber das sind junge Spielerinnen, denen muss man auch Fehler zugestehen", hatte sie stets betont. Vor einer Woche klang das noch wie eine Durchhalteparole, jetzt darf sich Neid in ihrer Wortwahl bestätigt fühlen.

Neid drückt Stempel auf

Selbst ihre schärfsten Kritiker müssen einsehen, dass aus einer bunt zusammengestellten und unglaublich jungen Mannschaft in kurzer Zeit eine Einheit geworden ist, die in der Lage war, sich in den wichtigen Spielen kontinuierlich zu steigern, sich ins Turnier zu beißen und erneut ins Finale einzuziehen. Allesamt Fakten, die unweigerlich mit dem Schaffen der Bundestrainerin zu tun haben.

Silvia Neid hat offenbar aus der Vergangenheit gelernt, aus den Geschichten rund um die verkorkste Heim-WM vor zwei Jahren. Als es viel überflüssiges Drumherum gab und weniger Trainingsdisziplin. Auch sie ist vorsichtiger geworden in ihren Äußerungen und so erstaunt es keineswegs, dass sie sich vor dem Finale nicht zu großen Ankündigungen hin reißen lässt.

"Wir werden auf alle Fälle wieder alles geben", sagte Neid. Was wie eine nichtssagende Worthülse daherkommt, sollte für die Norwegerinnen Gefahr genug bedeuten. Denn eines kann diese deutsche Mannschaft seit Beginn der K.o.-Phase ganz besonders gut: alles geben.

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