Glückliche Fans auf der einen Seite, kaputter Rasen auf der anderen: In den vergangenen Wochen kam es nach einigen Fußballspielen zu Platzstürmen. Sind diese gerechtfertigt? Ein Pro und Contra.
PRO: Die Emotionen nach langer Abwesenheit
von Tamara Keller
Was macht den Fußball besonders? Eine Frage, die sich einfach beantworten lässt: die Fans. In den vergangenen Wochen sind diese vor allem durch eines aufgefallen: den Platzsturm. Kann man ihnen das verübeln? Nein!
Es hat eben lange gefehlt: Die Freude, das Glücksgefühl und das Kribbeln im Bauch, wenn das favorisierte Team ein super Spiel abliefert und man sich als Zuschauerin oder Zuschauer im Stadion als Teil davon fühlt. Schließlich hat man ja das Team 90 Minuten angefeuert. Bei einer gewonnenen Meisterschaft, dem gesicherten Klassenerhalt oder einem wichtigen Sieg zum Ende der Saison ist es verständlich, dass die Fans das Bedürfnis haben, ein Teil des Spektakels auf dem Platz zu sein.
Bei all der Feierei und den Endorphinen sollte jedoch trotzdem die Vernunft siegen: Ab dem Moment, in dem die Feierei zur Bedrohung wird, sollte sie abgebrochen werden. Das ist aber auch Aufgabe der Vereine. Sie müssen schließlich für Sicherheit in ihren Stadien sorgen.
Dass es auch anders geht, zeigte zum Saisonabschluss Union Berlin. Zwar stürmten dort ebenfalls einige Fans den Platz, doch diese wurden von den Fans auf den Rängen ausgepfiffen. Der Grund: Der Verein hatte vier Tage vor dem Spiel angekündigt, dass der Parkplatz hinter der Haupttribüne freigehalten wird, um dort gemeinsam mit dem Team zu feiern.
Auch wenn die Platzstürme sich derzeit häufen, sind sie kein neues Phänomen und werden irgendwie immer zum Fußball dazugehören. Der derzeitige "Trend" lässt sich relativ einfach erklären: Wer die letzten zwei Jahre sein Team aus den eigenen vier Wänden vor dem Fernseher angefeuert hat, hat es auch verdient, mal wieder den heimischen Rasen unter den Füßen zu spüren.
CONTRA: Das Feiern muss auch anders gehen
von Sonja Riegel
Klar: Ausgelassene Emotionen gehören zum Fußball. Dass Fans durch Platzstürme den Raum einnehmen, der eigentlich den Spielern gehört, ist allerdings bedenklich. Denn der Grat zwischen "gemeinsam feiern" und "vor den Fans in die Kabine flüchten" ist leider schmal.
Dabei hat es sich in den vergangenen Wochen eingebürgert, dass Fans vergleichsweise wenig Grund dafür brauchen, sich selbst zum Mittelpunkt der Party zu machen. Da reichen ein Finaleinzug (Eintracht Frankfurt gegen West Ham) oder eine Niederlage und ein siebter Tabellenplatz (1. FC Köln gegen Wolfsburg) oder man stürmt nach einem Aufstieg nicht nur den eigenen, sondern einen Spieltag später auch noch den gegnerischen Platz (FC Schalke 04).
Wirklich unangenehm wird es aber, wenn die Anhänger auch noch unverhohlen ihren eigenen Verein bestehlen: Es werden Tornetze zerschnitten und Rasenstücke rausgerissen, um sie als Trophäe zu präsentieren. Die komplett Schmerzfreien bieten die Errungenschaften anschließend online zum Verkauf an - Geldgier statt ehrliche Emotionen.
Und wenn in der Ausgelassenheit der Situation auf dem Rasen, den man ja bereits unerlaubt betreten hat, auch noch Dinge wie die Verletzten in Bremen oder ein mutmaßlicher sexueller Übergriff in Nürnberg passieren, sollte man endgültig einsehen, dass es auch anders gehen muss - mit einer auf dem Rasen feiernden Mannschaft und Stimmung von den Rängen. Denn kein Aufstieg, Titelgewinn oder Europapokaleinzug ist weniger schön, wenn man ihn von der Tribüne aus bejubelt.
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