Der Rauswurf von Kapitän Daniel Frahn und dessen Folgen spült den Chemnitzer FC schon wieder in die Schlagzeilen. Die verworrene Gemengelage und eine gespaltene Fanszene lassen weitere turbulente Wochen für den CFC befürchten.

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Es war nicht nur die Südkurve, die am Sonntagabend ein klares Statement abgab. Die kleinen, weißen Papierbögen mit der schwarzen Nummer elf darauf übersäten die Fankurve des Chemnitzer, auch auf den anderen Geraden des Stadions - den Gästeblock des Hamburger SV mal ausgenommen - waren die Bekundungen nicht zu übersehen und später nicht zu überhören: Jeder Spielername der CFC-Startelf und auch der von Trainer David Bergner wurde mit einem lauten "Frahn Fußballgott" übertönt.

Wer wissen wollte, was die Chemnitzer Fanszene und auch genug Leute auf der Haupt- und Gegengeraden vom Rauswurf des Spielers Daniel Frahn hielten, der wurde vor, während und nach dem Pokalspiel des Drittligisten gegen den Hamburger SV aufgeklärt.

Es war eine Art Opferkult auszumachen, ein Konflikt wurde offen zur Schau gestellt, die Reaktion großer Teile der Fans auf die Demission des Spielers zur satten Konfrontation mit der Vereinsführung, dem Notvorstand und die Gesellschafter, die den Klub derzeit lenken und zu der Ansicht kamen: "Daniel Frahn, für Sie ist beim Chemnitzer FC kein Platz mehr."

Die jüngere Geschichte des CFC, die politische Entwicklung der Stadt, die Rahmenbedingungen dort und nicht zuletzt auch die Ereignisse vom vergangenen Sommer haben den bekanntesten Klub der Stadt mittlerweile in einen Strudel manövriert, aus dem der CFC offenbar nur schwerlich wieder entrinnen kann.

Neonazi als zentrale Figur

Der Rauswurf des Spielers Daniel Frahn vor ein paar Tagen schien der vorläufige Tiefpunkt, manche vermuten nun aber stattdessen den Start in eine neue, sehr unschöne Episode des Klubs.

In den Jahren der Unterklassigkeit Mitte der 90er wurde der CFC wie einige andere Klubs gerade in Ostdeutschland auch zur Zielscheibe rechter Strömungen. Nach dem Abstieg aus der Regionalliga in die damals viertklassige Oberliga wenige Jahre später verstärkten sich die rechten Strukturen um den Klub nochmals und schon damals war Thomas Haller eine der zentralen Figuren.

Der gelernte Fleischer Haller war ein militanter Neonazi und unter anderem Gründer der Vereinigung "HooNaRa", eine Abkürzung für "Hooligans, Nazis, Rassisten", die sich seit Anfang der 90er-Jahre rund um den CFC tummelte - und später auch den NSU unterstützt haben soll.

Einem Mitglied der Gruppe wurde 1999 Tatbeteiligung beim Mord an einem 17-Jährigen nachgewiesen. Haller war damals auch vor Ort, seine Rolle bei der tödlichen Schlägerei wurde aber nie richtig aufgeklärt.

Mit seinem Ordnerdienst "Haller Security" war er für die Sicherheit bei Heimspielen verantwortlich und damit mittendrin im Geschehen, hervorragend vernetzt mit Mitarbeitern im Klub und natürlich der rechten Szene, die in den Fußballstadien der Republik damals wie heute den Nachwuchs rekrutiert - was in den Ligen unterhalb der ersten und zweiten Bundesliga damals ein Leichtes war.

"...wir sind in einer halben Stunde da"

Mitte der 2000er-Jahre flog Haller zwar bei CFC Security raus und "HooNaRa" bekam Stadionverbot, wenige Monate später wurde die Gruppierung offiziell sogar aufgelöst.

Der harte Kern, zwischen 30 und 40 Personen, die bis heute vom Verfassungsschutz beobachtet werden, hält sich aber - wie Haller in einem seiner seltenen Gespräche mit Journalisten dem Magazin "Rund" unumwunden zugab. "Einerseits gibt es ‚HooNaRa‘ nicht mehr - andererseits sind wir in einer halben Stunde da."

Mit Haller beginnt auch die Saga um Daniel Frahn, die den gebeutelten Klub nun seit mehreren Monaten umtreibt und derzeit wieder in die Schlagzeilen befördert. Haller stirbt im Frühjahr, dem toten Neonazi wird in Folge dessen nicht nur in Hinterzimmern und auf der Straße gedacht - sondern auch im Stadion des Chemnitzer FC.

Frahns erste Entgleisung sanft sanktioniert

Eine vom Klub zumindest bewilligte Choreografie wird inszeniert, nach einem der vier Chemnitzer Treffer rennt Frahn dann zur Seitenlinie und lässt sich von einem Betreuer ein Shirt überreichen mit der Aufschrift "Support your local Hools", unterstütze deine lokalen Hooligans. Frahn wird daraufhin gesperrt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Eine alternativlose Reaktion, wie der Sportsoziologe und Fanforscher Gunter A. Pilz im Gespräch mit unserer Redaktion findet.

"Der Verein hatte überhaupt keinen Spielraum, weil er nach der Satzung des DFB gehandelt hat, nach der jeder Form von Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus entgegenzutreten ist. Vereine oder Verbände, die dem nicht nachkommen, werden sanktioniert. Insofern war das Verhalten des Chemnitzer FC in der Angelegenheit nur konsequent."

Auf seiner Facebook-Seite entschuldigte sich der Spieler: "Ich bin kein Sympathisant eines Neo-Nazis! Auch teile ich diese politische Einstellung nicht und trage auch keine rechten Gedanken in mir."

Der Klub reagierte mit einer Kampagne beim nächsten Heimspiel, ließ die Mannschaft eine klare Botschaft an die Fans richten ("Gemeinsam für demokratische Grundwerte und Fairplay") und stellte nach einigen massiven Auflagen des Sächsischen Fußballverbandes einen neuen Fanbeauftragten und einen Anti-Rassismus-Beauftragten ein.

Der Fall sorgte damals für großes Aufsehen, weil die Stadt Chemnitz schon im Sommer 2018 wegen rechtsradikaler Demonstrationen und Ausschreitungen wochenlang in den Schlagzeilen stand.

Nach dem Tod eines Mannes hatten zunächst vor allem Anhänger des Chemnitzer FC jene Versammlungen organisiert, aus denen heraus Migranten, Journalisten und politische Gegner angefeindet und angegriffen wurden. Gerade in und um Chemnitz floriere der subkulturelle Rechtsextremismus, wie Hooligan-Forscher Robert Claus erklärt.

Gegengewicht zur rechten Szene

Erst jetzt, mit der erneuten Entgleisung, sah sich der Klub zum rigorosen Handeln gezwungen. Als Frahn am Wochenende das Spiel seiner Mannschaft in Halle als Zuschauer verfolgte, feuerte er seine Mannschaft im Block zusammen mit als rechts eingestuften Gruppierungen und Personen an.

Frahn soll sogar mit der Gruppe "Kaotic Chemnitz" zum Spiel angereist sein. Seine besondere Stellung als Mannschaftskapitän des CFC machte die Gemengelage so brisant.

Als Anführer der Mannschaft hatte Frahn mehr als andere Spieler bei Fan-Treffen Kontakt zu Vereinigungen und Gruppen, da lassen sich schneller Verbindungen herstellen. Weil Frahn aber nicht nur Kapitän, sondern auch der gefährlichste Angreifer des Klubs war, wurden seine Verfehlungen lange geduldet.

Spätestens seit den Vorkommnissen bei der Trauerfeier um Thomas Haller im Stadion des Chemnitzer FC fährt der Klub einen stringenteren Kurs. Der Rauswurf Frahns ist auch als Symbol zu verstehen für die eigene Fanszene.

In den Wochen nach dem Skandalspiel im Frühjahr gründete sich die Gruppierung "CFC-Fans gegen Rassismus", die als erstes Gegengewicht der von Rechtsradikalen unterwanderten Fanszene angetreten ist.

Frahn will CFC verklagen

Die Verantwortlichen im Klub gehen jetzt den unbequemen Weg, Sportdirektor Thomas Sobotzik und Insolvenzverwalter Klaus Siemon geraten auch deshalb sprichwörtlich ins Fandenkreuz der Kritik.

Siemons Konterfei war am Wochenende in Halle als Zielscheibe auf einem Plakat im Chemnitzer Block zu sehen, Sobotzik habe Drohungen erhalten. "Ich hatte sehr viele WhatsApp-Nachrichten von Fans, die plötzlich meine Nummer hatten. Das waren sicherlich nicht nur nette WhatsApp. Wenn man das als Drohungen bezeichnen kann", sagte Sobotzik in einem Interview mit "MDR aktuell". Es sei aber bei Drohungen geblieben, ergänzte er.

Das war vor dem Hamburg-Spiel. Danach scheint klar: Dieser Klub und seine Fanszene sind so schnell nicht zu vereinen. Dem Chemnitzer FC stehen weitere turbulente Wochen und Monate ins Haus, die Fanszene wird sich so leicht nicht befrieden lassen.

Am kommenden Montag steht die Mitgliederversammlung an, unter anderem sollen ein neuer Aufsichtsrat und Ehrenrat gewählt werden. Der Insolvenzverwalter droht mit der Liquidation des Klubs, sollte die Wahl nicht nach seinem Gutdünken ausgehen, auf der anderen Seite steht die Gefahr, dass die rechten Gruppen mobilisieren und für einen Kandidaten die Mehrheit erlangen.

Das befürchtet zumindest Fanforscher Pilz. "Ein Verantwortlicher mit rechtsradikaler Gesinnung in den Gremien könnte zur Konsequenz haben, dass der Verein aus dem DFB ausgeschlossen wird."


Verwendete Quellen:

  • Sportbuzzer.de: Chemnitzer-FC-Sportdirektor Sobotzik erhält Drohungen nach Frahn-Rauswurf
  • Endstation-rechts.de: Chemnitz: Stadionshow für Neonazi-Hooligan
  • Chemnitzerfc.de: Chemnitzer FC trennt sich mit sofortiger Wirkung von Daniel Frahn
  • Facebook.com: Daniel Frahn
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