Thomas Müllers Aus beim FC Bayern ist besiegelt. Doch gegen Inter Mailand in der Champions League kann die geschasste Legende nun beweisen, dass die Bayern-Bosse mit ihrer Entscheidung möglicherweise einen gravierenden Fehler begangen haben.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war die Nachricht des Wochenendes: Die Ära von Thomas Müller beim FC Bayern endet. Ohne weitere Verhandlungen hat sich der Verein entschieden, den auslaufenden Vertrag des 35-Jährigen nicht zu verlängern. Nicht einmal auf eine gemeinsame Pressemitteilung konnten sich Müller und der FC Bayern noch einigen - auch wenn sich beide Parteien bemühten, der Nachricht noch etwas Positives beziehungsweise in Müllers Fall eher eine Art Verständnis für die Vereinsentscheidung abzuringen. So ganz konnte man es ihm nicht abnehmen.

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Die Reaktionen in der Sportwelt und vor allem auch bei den Bayern-Fans fielen entsprechend aus. Der Tenor: Man hätte Thomas Müller zugestehen müssen, selbst zu entscheiden, wie und ob er den FC Bayern verlässt. Die Entscheidung, nicht einmal mit ihm zu verhandeln, wird als Demontage einer Legende gesehen. Dass sich Sportvorstand Max Eberl inmitten dieser Gemengelage öffentlich in der Sendung "Doppelpass" bei Sport1 versuchte zu erklären, kann man ihm dabei durchaus als Mut und versuchsweise gelebte Transparenz anrechnen.

"Ich weiß, dass wir dafür keinen Applaus erhalten werden", erklärte Eberl unter anderem, merkte aber auch an, Müller habe "auch keinen Folklorevertrag" gewollt. Wobei man sich fragen muss, wie sich Eberl da so sicher sein kann, wo doch offenbar nicht einmal verhandelt wurde.

Thomas Müller ist nicht nachtragend

Immerhin sei "nicht alles kaputtgegangen" im Verhältnis mit Müller, merkte Eberl zudem an. Nicht alles, aber wahrscheinlich vieles, das konnte man aus Müllers Brief an die Fans herauslesen. Doch es gibt Hoffnung für den FC Bayern: Denn wenn Müller neben seiner Spielweise etwas ganz besonders auszeichnet, dann ist es, wie wenig nachtragend er ist. Das hat er nicht nur mit seinem Comeback in der Nationalmannschaft bewiesen, sondern auch immer wieder beim FC Bayern. Wie viele Trainer hatten schon seinen Abgesang angestimmt und doch konnten sich auch die Kovacs, Tuchels und Co. immer sicher sein, dass Müller auf dem Platz hundert Prozent geben würde, unabhängig davon, wer da auf der Bank saß.

Und deshalb wird es auch für den Rest der Saison egal sein, was war und was sein wird - wenn Müller auf dem Platz steht, wird er hundert Prozent geben. Um da kleinlich und nachtragend zu sein, dafür liebt er das Fußballspielen und auch den FC Bayern zu sehr. Außerdem hat Müller natürlich noch ein großes Ziel vor Augen: das "Finale dahoam" in der Champions League.

"Das Viertelfinale ist irgendwie die letzte Hürde, die wir bewältigen müssen, bevor ich so richtig anfangen kann, vom Finale dahoam zu träumen", schrieb Müller in seinem Newsletter am Samstag. "Klar ist das unser Ziel, aber vielleicht wisst ihr, was ich meine. Wenn wir es ins Halbfinale schaffen, dann wird das Finale für mich ultimativ greifbar."

Müller als Musiala-Ersatz gegen Inter von Anfang an?

Mit dem Ausfall von Jamal Musiala ist es nun gar nicht mal unwahrscheinlich, dass Thomas Müller bei einem möglichen Halbfinal- oder sogar Finaleinzug eine entscheidende Rolle spielen könnte. Die Experten sind sich jedenfalls einig: Thomas Müller muss gegen Inter Mailand (Dienstag, 21:00 Uhr) als Musiala-Ersatz spielen. Für Stefan Effenberg hätte diese Entscheidung gar nicht mal eine emotionale Komponente, er würde ihn bringen, "weil er so on fire ist", erklärte er der ehemalige Bayern-Kapitän bei Sport1. "Ich würde mir wünschen, dass er nochmal diese große Bühne bekommt. Er hat sich viele Träume erfüllt, ist Weltmeister geworden, hat die Champions League gewonnen. Aber dieses Finale dahoam hat so eine große Bedeutung für Thomas Müller."

Lothar Matthäus sieht Müller in der Startelf: "Ich glaube auch, dass er am Dienstag gegen meinen anderen Ex-Verein Inter Mailand von Anfang an spielt, weil er ja noch in Form ist", sagte der frühere Bayern-Profi bei Sky. Matthäus erwartet dabei "irgendwas Spezielles um Thomas Müller". Und auch für den früheren Bayern- und Nationalmannschafts-Mitspieler Miroslav Klose ist Müller prädestiniert, die Rolle als Musiala-Ersatz zu übernehmen. "Jeder Trainer ist froh, wenn er Thomas Müller auf dem Platz hat. Er hat nicht die Qualität von Musiala, diese Dribblings. Aber er hat eine Schlauheit auf dem Platz, Räume zu erkennen. Er ist prädestiniert", sagte der Trainer des 1. FC Nürnberg.

Müllers Anspruch war es in den vergangenen Jahren immer, seinen sportlichen Wert weiter unter Beweis zu stellen, auch wenn ihn viele schon oft auf die Rolle des Entertainers reduzieren wollten. Gegen Inter Mailand wird er nun aller Voraussicht nach einmal mehr die Gelegenheit bekommen zu beweisen, dass er der Mannschaft immer noch helfen, sie tragen kann. Und obwohl man Müller nie einen Mangel an Motivation vorwerfen konnte, wird er dieses Mal vielleicht sogar noch ein kleines bisschen mehr motiviert sein. Schließlich geht es um das Finale dahoam - und vielleicht auch darum, den Bayern-Bossen zu beweisen, dass sie mit der Beendigung seines Vertrags einen gravierenden Fehler gemacht haben.

Verwendete Quellen

  • dpa
  • sid
Teaserbild: © IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON