Wolfsburg (1:4, 1:6) und Bayern (0:2, 1:4) wurden regelrecht aus der Champions League geprügelt. Der deutsche Frauenfußball muss sich rasch anpassen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Die Unternehmerin Michele Kang zeigt mit Olympique Lyon, wie schnell das gehen kann.
Als Olympique Lyon die Bayern-Frauen im Viertelfinale der Champions League mit 2:0 und 4:1 besiegte, war das nicht nur ein sportlicher Erfolg, sondern ein Fingerzeig.
Auf der einen Seite die Rekordsiegerinnen der Champions League aus Lyon, die im größten Stadion des Vereins spielten, europäische Spitzenverdienerinnen wie Lindsey Heaps oder Tabitha Chawinga auf dem Feld hatten, eine Ex-Weltfußballerin auf der Bank (
Kang investiert und applaudiert – Dreesen kanzelt Gwinn ab
Auf der anderen Seite der FC Bayern. Eine tolle Auswahl an Spitzensportlerinnen, die von den eigenen Vereinsbossen aber eher als Benefiz-Projekt abgekanzelt wird, siehe Christian Dreesen contra Giulia Gwinn.
Diesen Unterschied verkörpert eine Frau: Michele Kang. Die südkoreanisch-amerikanische Milliardärin hat nicht nur OL Féminin, also Olympique Lyons Frauen, in eine neue Ära geführt. Nein, sie will den globalen Frauenfußball insgesamt strukturell und wirtschaftlich neu aufstellen. Ihr Credo: "Das ist kein Diversity-Projekt. Das ist ein Business", wie sie es selbst im Interview mit dem britischen "Guardian" sagt.

Tatsächlich ist Frauenfußball wirtschaftlich längst relevant. Laut einem aktuellen Deloitte-Report ist der Frauenfußball nach dem Frauenbasketball der am schnellsten wachsende Sport der Welt. Die globalen Einnahmen aus dem Frauenfußball werden von 740 Millionen Dollar im Jahr 2024 auf 820 Millionen Dollar im Jahr 2025 steigen, prognostiziert die Beratungsfirma.
Topstars bei Lyon verdienen viermal so viel wie die Bayern-Frauen
Die Frauen des FC Barcelona, die 2024 die Champions League gewannen, haben ihre Einnahmen laut Klubangaben in den vergangenen drei Jahren verdreifacht. Alleine durch Sponsoren erwirtschaftete die Frauenmannschaft Barcelonas in der vergangenen Saison 8,5 Millionen Dollar, wie die "New York Times" berichtet. Im Jahr 2023, als die Spanierinnen Weltmeisterinnen wurden, stiegen Barcelona Feminin's Online-Verkäufe um 275 Prozent.
Kangs Ansatz trifft also auf ein prächtiges Ökosystem, welches sie selber sorgfältig bewässert und nährt, wie ein aktueller Bericht der "L'Équipe" zeigt. Demnach verdient Olympique Lyons Tabitha Kawinga, die Bayern in der Champions League schlichtweg schwindelig spielte, 80.000 Euro brutto. Im Monat.

Zum Vergleich: In der Frauen-Bundesliga liegt das durchschnittliche Monatsgehalt laut DFB aktuell unter 3.000 Euro. In der Spitze verdienen Topstars wie Bayerns
20.000 Euro ist bei Olympique Lyon der Durchschnittslohn, berichtet die "L'Équipe", auch die englischen Topklubs wie Chelsea oder Arsenal, die beide ins Halbfinale der Champions League eingezogen sind, zahlen sehr großzügig.
Wenig wunderlich also, dass Wolfsburgs 22 Jahre junge Nationalspielerin Jule Brand vor einem ablösefreien Wechsel nach Lyon stehen soll.
Olympique Lyon: OL Féminin wurde vom Männerteam finanziell abgetrennt
Ohne Michele Kang wäre Lyon wohl nicht mehr so eine attraktive Adresse im Spitzenfußball der Frauen. Denn als sie 2023 die Mehrheit bei OL Féminin übernahm, war die Abteilung durch die Finanzprobleme der OL Groupe gefährdet.
Der Hauptverein hatte unter dem amerikanischen Eigentümer John Textor Schulden von über 500 Millionen Euro angehäuft, das Männerteam stand wirtschaftlich auf der Kippe, der französische Verband drohte dem Traditionsklub sogar mit dem Zwangsabstieg.
In einem Schritt, der für Europa revolutionär war, wurde die Frauenabteilung wirtschaftlich von der Männerabteilung abgetrennt und in ein eigenes Unternehmen überführt – mit Kang als Mehrheitseigentümerin (52,9 Prozent).
Dieses Konstrukt gibt OL Féminin Unabhängigkeit und Zukunftssicherheit. Und es ist Teil eines größeren Plans. Unter dem Dach ihrer Holding "Kynisca Sports" – benannt nach der ersten olympischen Siegerin der Antike – formt Kang ein weltweites Netzwerk aus Frauenfußballvereinen.
Ambitionen einer Milliardärin: Sportmedizin für Frauen, ein Team pro Kontinent
Neben Lyon gehören dazu auch Washington Spirit aus der amerikanischen National Women's Soccer League (NWSL) und der englische Zweitligist London City Lionesses. Kangs Ziel: Ein Klub auf jedem Kontinent. Nicht zur Markenbildung, sondern zur Leistungssteigerung und Wertschöpfung.

Dabei steht das "K" in Kang nicht nur für Kapital, sondern auch für Kreativität. Sie baut parallele Strukturen zum Männerfußball auf: eigene Trainingszentren, eigene medizinische Forschung, eigene Trainingsmethodik. 2024 gründete sie dazu das Nonprofit "Kynisca Innovation Hub", um dem Geschlechterungleichgewicht in der Sportwissenschaft entgegenzusteuern.
Mit ihrem sportmedizinischen Ansatz bemüht sich Kang um die volle Ausschöpfung des weiblichen athletischen Potenzials. Aktuell beschäftigen sich nämlich nur sechs Prozent aller sportwissenschaftlichen Studien mit weiblichen Athletinnen.
"Wir müssen aufhören, Frauen wie kleine Männer zu trainieren."
"Wir müssen aufhören, Frauen wie kleine Männer zu trainieren", sagt Kang im "Guardian"-Interview und legt damit den Finger in die Wunde. Denn Fußballerinnen sind eben anders als Fußballer, erleiden zum Beispiel fünf bis sieben Mal öfter einen Kreuzbandriss und haben zyklusbasierte Hormonschwankungen, die sich während des Monats auch in Leistungsfähigkeit und Verletzungsanfälligkeit äußern können.
Bei Washington Spirit, Kangs Klub in der amerikanischen NWSL, wurden bereits neue Erholungs-, Ernährungs- und Trainingssysteme eingeführt. Das Team, das 2022 noch im unteren Drittel der Liga war, erreichte 2024 das Finale der NWSL.
Michele Kang lockt Weltmeisterin von Barca in Englands zweite Liga
Der Klub, den Kang für 35 Millionen Dollar kaufte, wird inzwischen mit 54 Millionen Dollar bewertet. Auch die London City Lionesses, zuvor im unteren Tabellendrittel der zweiten englischen Liga, stehen nun auf Platz zwei und kratzen am Aufstieg in die Women's Super League. Startrainer wie Jonatan Giráldez und Funktionäre wie Markel Zubizarreta wechselten schon in Kangs System, weil sie das Entwicklungspotenzial sehen.
In Lyon plant sie ein neues Stadion für 15.000 bis 20.000 Zuschauer, weil es eben nicht schön aussieht, wenn im Stadion der Männer die Hälfte der 59.000 Plätze leer bleiben. Auch ein eigener Campus für OL Féminin soll gebaut werden.

Diese Perspektive fehlt in vielen anderen Topligen. In Spanien etwa sind die Klubstrukturen oft intransparent, die Spielerinnen protestieren seit Jahren gegen mangelnde Absicherung. Selbst Ballon-d'Or-Gewinnerinnen wie Aitana Bonmatí kritisieren das schwache Marketing.
"Als ich das Projekt verstand, gab es keine Zweifel."
Die spanische Nationalspielerin Maria Perez über ihren Wechsel zu London City
Kang nutzt diese Lücken gezielt: Sie lockte etwa die spanische Weltmeisterin Maria Pérez vom FC Barcelona zu London City. Die Spielerin wechselte aus Überzeugung: "Als ich das Projekt verstand, gab es keine Zweifel."
Deutschland droht bei dieser Entwicklung abgehängt zu werden. Zwar erzielt der FC Bayern mit der Frauenabteilung geschätzte Einnahmen im niedrigen einstelligen Millionenbereich, doch infrastrukturell und strategisch fehlt der klare Fokus. Ein eigenes Stadion für die Frauen ist nicht in Sicht, obwohl das Problem des zu kleinen Campus, mit seiner Maximalkapazität von 2.500 Plätzen, seit vielen Jahren bekannt ist.
Michele Kang hat ein System geschaffen, das den Frauenfußball ernst nimmt, auf höchstem Niveau finanziert und global denkt. Ihre Vision ist nicht nur eine Kampfansage an die etablierten Männerklubs und deren Frauenmannschaften, sondern eine Blaupause für die Professionalisierung des globalen Frauenfußballs. Ihr Imperium steht erst am Anfang.
Verwendete Quellen
- The Rise of Women's Football: Michele Kang, OL Féminin and the business model that could change women’s football
- The Guardian: Deloitte predicts global revenues in women’s sport will reach $2.35bn in 2025
- 90min.de: Olympique Lyon: Neue Ära, alter Erfolg? Modell könnte den Frauenfußball verändern
- AS: El 'City Group' de Kang da sus frutos y pone en alerta a la Liga F
- The Observer: London City Lionesses' owner Michele Kang: 'This is a serious investment'
- L'Équipe: Les salaires de l'Arkema Première Ligue 2025: l'OL et le PSG loin devant le reste
- RMC Sport: Aulas plébiscite l'arrivée de Michele Kang à l'OL
- Uefa: Women’s Football Across the National Associations (2023 Landscape Report)
- Fifa: FIFA Wome's Football Strategy Report