Noch vor wenigen Wochen blickten deutsche Klubs in der Champions League neidisch auf Italien. Doch in den Playoffs zeigten Vereine aus der belgischen und niederländischen Liga den Serie-A-Teams ihre Grenzen auf. Die gute Saison im Europapokal ist dahin.
Es ist noch gar nicht lange her, da war die italienische Fußballwelt eine andere. Am vorletzten Spieltag der neuen Ligaphase gewannen vier der fünf Teams in der Champions League ihre Partien, nur Juventus Turin spielte gegen den FC Brügge unentschieden.
In der Tabelle standen mit den zwei Mailänder Vereinen AC und Inter sowie mit Atalanta Bergamo drei Klubs unter den Top Acht, die die direkte Achtelfinal-Qualifikation bedeutet hätten – mehr als alle anderen Länder. Mit Juventus hatte noch ein weiteres Team gute Chancen, ebenfalls in die Spitzengruppe zu rutschen. Vier italienische Teams in der heißen Phase der Champions League – damals gar nicht so unrealistisch.
Die Träume von der europäischen Dominanz haben sich jedoch innerhalb von zwei Tagen ausgeträumt. Der italienische Fußball erlebte in den Rückspielen der Champions-League-Playoffs eine echte Horror-Woche. Gleich drei Klubs – Juventus, der AC Milan und Atalanta Bergamo – hatten mit PSV Eindhoven, Feyenoord Rotterdam und dem FC Brügge auf dem Papier eigentlich schlagbare Gegner aus kleineren Ligen erwischt. Doch am Ende enttäuschten alle drei Favoriten gegen die Klubs aus den Niederlanden und Belgien.
Italienische Klubs blamieren sich in CL-Playoffs
Während Juventus in Eindhoven eine 1:0-Führung aus dem Hinspiel verspielte, war das Ausscheiden vom AC Milan schon beim schwachen Auftritt in der Vorwoche in Rotterdam erkennbar gewesen. Doch besonders Atalanta lieferte im Rückspiel vor eigenem Publikum einen desaströsen Auftritt, leistete sich einen unnötigen Aussetzer auf dem Platz und machte mit einem Trainer, der den eigenen Spieler wegen eines verschossenen Elfmeters anging, negative Schlagzeilen.
Statt möglicherweise vier Teams ist jetzt mit Inter Mailand nur noch ein italienischer Vertreter im Champions-League-Achtelfinale vertreten – zuletzt war dies in der Saison 2014/15 der Fall, als Juventus als einziger italienischer Klub die K.o.-Runde und letztlich auch das Finale erreichte. Ein Szenario, das sicherlich auch den Inter-Fans gefallen würde – doch im Achtelfinale wartet mit Feyenoord oder Eindhoven ein Team, das im Besiegen von italienischen Teams bereits Erfahrung hat.
Trotzdem ist das Ausscheiden aus der Champions League nicht nur für die einzelnen Teams, sondern auch für die italienische Liga, eine herbe Enttäuschung. "Ein Desaster", kommentierte Italiens wichtigste Sportzeitung "Gazzetta dello Sport". Die Hoffnung, für gute Leistungen im Europapokal einen fünften Champions-League-Platz für die kommende Saison zu erhalten, muss der italienische Fußball damit endgültig aufgeben.
Die großen Klubs aus Mailand und Turin scheinen aktuell aber sowieso mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Besonders bei Juventus (Vierter in der Serie A) und Milan (Siebter) geht es in der nationalen Meisterschaft längst auch darum, überhaupt die Mindestziele zu erreichen. Um die Meisterschaft kämpft derweil Inter Mailand mit dem SSC Neapel, der als letztjähriger Zehntplatzierter in diesem Jahr gar nicht im Europapokal vertreten ist.
Italienischer Fußball war in Europa zuletzt stark
Dabei hatte die Serie A auf europäischer Ebene in den vergangenen Saisons eine Hochphase, in der Spielzeit 2022/23 waren die italienischen Klubs noch zu fünft in den Halbfinals der europäischen Wettbewerbe vertreten, darunter als Champions-League-Finalist. Mit dem ersten italienischen Titel in der Königsklasse seit 2010 klappte es nicht, dennoch stellt das Land mit Atalanta Bergamo und der AS Rom zuletzt immerhin zwei Europapokalsieger. Und in dieser Saison war die Serie A mit der Bundesliga eine der Ligen, die aufgrund guter Leistungen in Europa einen fünften Platz in der Champions League zugesprochen bekam.
Dass es dieses Jahr so weitergeht, kann nach der aus italienischer Sicht enttäuschenden europäischen Woche erst einmal ausgeschlossen werden. Denn in den weiteren europäischen Wettbewerben sieht es nur ein wenig besser aus. In der Europa League strauchelte die AS Rom in den Playoffs gegen den FC Porto, mit dem Stadtrivalen Lazio ist aber zumindest ein Team sicher im Achtelfinale. Und in der Conference League ist Italien mit der AC Florenz, die nach zwei Finalniederlagen nun den dritten Anlauf startet, die Conference League zu gewinnen, ebenfalls nur mit einem Team vertreten.
Der Höhenflug des italienischen Fußballs wurde auch mit dem sogenannten "Decreto Crescita" verbunden, einem 2019 verabschiedeten Gesetz, das den italienischen Teams Steuererleichterungen für im Ausland verpflichtete Spieler versprach. Ende 2023 wurde es wieder abgeschafft. Kritiker, die mit dieser Entscheidung einen Abschwung des italienischen Fußballs prognostizierten, darunter etwa Lazios Präsident Claudio Lotito, könnten jetzt wieder lauter werden.
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