Beim klaren Erfolg in Lissabon zeigt der BVB zumindest eine Halbzeit lang sein Champions-League-Gesicht. Trainer Niko Kovac sieht erste Fortschritte, mahnt aber zugleich auch. Und das wohl auch zu Recht.

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Manche Dinge ändern sich offenbar auch in schweren Zeiten nicht, etwa die Liebesbeziehung zwischen Borussia Dortmund und der Champions League. In der schwierigen vergangenen Saison war die Königsklasse der Hort für die glücklichen Momente und mitten hinein in die schwerste sportliche Krise seit anderthalb Jahrzehnten konnten die Dortmunder nun schon wieder ein Lebenszeichen im europäischen Groß-Wettbewerb senden.

Das 3:0 im Playoff-Hinspiel bei Sporting war mehr als "nur" ein sehr gutes Ergebnis und ein großer Schritt auf dem Weg in die Runde der besten 16 Mannschaften Europas. Es war ein Hinweis darauf, was in dieser Mannschaft stecken kann – wenn sie denn willens und in der Lage ist, ein paar ihrer Potenziale abzurufen.

Und auch für den nächsten neuen Trainer Niko Kovac war das Spiel in Lissabon vielleicht ein kleiner Wendepunkt. Nach dem Tiefschlag gegen Stuttgart vom Wochenende war die Partie bei Sporting von besonderer Bedeutung und eine Prüfung für Kovac‘ Ideen und Ansätze – die zumindest in Teilen mit Bravour abgelegt wurde.

Ricken: "Ein überragendes Statement"

"Ein überragendes Statement", wollte Lars Ricken erkannt haben und in Bezug auf die Dortmunder Vorstellung in der zweiten Halbzeit konnte man dem Geschäftsführer auch kaum widersprechen. Der BVB trat wie eine Mannschaft auf, die sich im Flow befindet, selbstbewusst, mutig und dominant. Da war nichts mehr zu sehen von den Problemen der letzten Wochen und Monate. "Als wäre da eine Handbremse gelöst worden: extrem mutig, laufstark - und die Spielfreude war plötzlich da", so Ricken weiter.

Und auch sein Trainer fand am Mikrofon von Prime Video nach einer enormen Leistungssteigerung nur lobende Worte für seine Mannschaft. "Ich muss sagen, dass die Mannschaft im zweiten Durchgang ein fantastisches Spiel gemacht und zu Recht gewonnen hat. Man kann nicht erwarten, dass wir Sporting von Beginn an an die Wand spielen, aber wir haben in der ersten Halbzeit viel zu langsam Fußball gespielt. Wenn du das Balltempo erhöhst, bekommst du Räume. Wir haben Körperlichkeit, Mentalität und Aggressivität gezeigt!"

Mit drei Treffern innerhalb von 22 Minuten zerlegte der BVB einen allerdings auch harmlosen Gastgeber. Im Duell der "Krisen-Klubs" war es letztlich die Borussia, die schneller und zielstrebiger den Weg aus dem Tief fand, während das personell gebeutelte Sporting auch im fünften Champions-League-Spiel in Folge seit dem Weggang von Trainer Ruben Amorim nicht gewinnen konnte.

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Immer noch viele Probleme im Dortmunder Spiel

Zur Wahrheit eines schönen Dortmunder Fußball-Abends gehört aber auch, dass trotz des fulminanten Sieges und des ordentlichen Fußballs in der zweiten Halbzeit noch etliche Probleme bleiben dürften. Der BVB hat es dieses Mal geschafft, sein Champions-League- und sein Bundesliga-Gesicht in 90 Minuten zu packen.

Den starken 45 Minuten nach der Pause waren 45 richtig schwache vorausgegangen, mit den üblichen Problemen und Schwächen dieser Mannschaft. Weil sich Kovac offenbar nicht von Beginn an für ein mutiges Angriffspressing samt direktem Anlaufen des nächsten Gegenspielers entscheiden konnte oder wollte, verpasste seine Mannschaft immer wieder den Zugriff auf den Gegner und kam so weder zu hohen Ballgewinnen noch in eine kompakte Formation im Zentrum des Spiels.

Im Ballvortrag haperte es einmal mehr schon im tiefen Aufbau, die Sechser hatte keine gute Anbindung an die Innenverteidiger und keine Idee, Sportings erste Linien kontrolliert zu überspielen. Das wiederum mündete in lange Zuspiele in die Spitze, um dort zweite Bälle aufzusammeln. Allerdings waren diese schlecht vorbereitet, weil Dortmunds Formation zu gestreckt war und schlicht die nachrückenden Spieler fehlten, um Serhou Guirassy entscheidend zu unterstützen.

Da half auch die etwas eigenwillige Idee nicht, Daniel Svensson und Pascal Groß ein bisschen wie beim Handball mit unterschiedlichen Rollen und Positionen in Angriff und Abwehr zu betrauen: Gegen den Ball gab es die "konventionelle" Lösung mit Svensson als linkem Glied der Viererkette und Groß auf der Doppel-Sechs neben Marcel Sabitzer und im eigenen Ballbesitz dann der schnelle Rollentausch mit einem hochschiebenden Groß auf dem linken Flügel und dem ins Zentrum einkippenden Svensson.

Die Hoffnung auf "einen Impact"

Diese altbekannten Komplikationen knüpften scheinbar nahtlos an die uninspirierte Vorstellung gegen Stuttgart an - umso überraschender folgte deshalb die 180-Grad-Wende mit Beginn der zweiten Halbzeit und entscheidenden Aktionen einiger der Sorgenkinder der letzten Wochen: Julian Brandt als Vorlagengeber, Karim Adeyemi und Pascal Groß als Torschützen setzten ein Ausrufezeichen. Und Guirassy steht nun bei 13 Torbeteiligungen in der Champions League - so viele wie kein anderer Dortmunder Spieler jemals zuvor.

Für den BVB kann diese eine Hälfte des Spiels in Lissabon nur der Anfang zu einer kontinuierlichen Steigerung sein, alles andere wäre schlicht vermessen. Mit dem klaren Sieg ist das Achtelfinale der Königsklasse in greifbare Nähe gerückt und damit die Chance, sich auch weiter auf dem höchsten Niveau zu präsentieren und das nötige Geld einzuspielen. Das Kerngeschäft bleibt aber weiter die Bundesliga und da geht es am Wochenende mit einem Auswärtsspiel in Bochum weiter.

Oft genug in den letzten Monaten und Jahren folgte auf ein Hoch der nächste Dämpfer. In der Bundesliga sind weitere Rückschläge bei sieben Punkten Rückstand auf Rang vier aber streng verboten.

"Ich wünsche mir, dass uns das [Spiel in Lissabon, Anm. d. Red.] für die Zukunft einen Impact gibt. Wir wollen aber auch nicht alles in den Himmel heben", weiß auch Niko Kovac. Er hat seinen neuen Klub in dieser Beziehung offenbar schon ganz gut verstanden.

Verwendete Quellen

Kovac: "Großes Kompliment an meine Jungs"

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Nach einem 3:0-Sieg bei Sporting Lissabon steht Borussia Dortmund mit einem Bein im Champions-League-Achtelfinale. BVB-Trainer Nico Kovac zeigte sich nach dem Spiel in Portugal sehr zufrieden.
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