Sowohl der FC Bayern als auch der VfL Wolfsburg sind raus aus der Champions League. Beide verloren deutlich. Das löst eine Grundsatzdebatte über die Qualität des deutschen Fußballs aus.
1:6 und 2:10 – deutliche Abreibung ist vermutlich noch eine harmlose Beschreibung dessen, was der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg in der Champions League erlebt haben. Gegen Olympique Lyon und den FC Barcelona hagelte es im Viertelfinale hohe Niederlagen.
Gerade im Ergebnissport Fußball fällt es oft schwer, sich von den nackten Zahlen zu lösen. Doch genau jetzt muss sich der deutsche Fußball eine Frage stellen: Wie schlimm ist es wirklich und welche Gründe hat das klare Aus in der Königinnenklasse?
FC Bayern und VfL Wolfsburg: Beide sportlich unterlegen
Klar ist: Beide Teams haben verdient verloren. Beide haben auch in der Höhe verdient verloren, wenngleich es Unterschiede gab. So hatten die Bayern in beiden Spielen gegen Lyon Phasen, in denen sich gute Gelegenheiten für einen anderen Spielausgang ergeben hatten.
Wolfsburg hingegen hatte schon im Hinspiel kaum eine Chance und schaffte es im Rückspiel dann nicht, den Schaden zu begrenzen. Letztlich war es für das Endergebnis aber egal, ob es nur teilweise oder dauerhaft einen Klassenunterschied gab. Sowohl der FCB als auch der VfL waren schlichtweg nicht gut genug.
Zwischen den Bayern und Lyon war ein bemerkenswerter Unterschied im athletischen und physischen Bereich zu erkennen. Die Französinnen wirkten robuster, schneller und stabiler. Barcelona hingegen gab den Wolfsburgerinnen im taktischen und technischen Bereich eine Lehrstunde.
Deutschland abgehängt? Finanziell gibt es große Unterschiede
Seit 2015 gelang es Deutschland nicht mehr, die Champions League zu gewinnen. Und eine Ursache dafür ist offensichtlich: In anderen Ländern und bei anderen Klubs wurde erheblich früher mit großflächigen Investitionen in den Fußball der Frauen angefangen als in Deutschland.
Vor allem finanziell gibt es heute riesige Unterschiede. Wie die "L'Équipe" unter der Woche berichtet hat, verdient Lyons Unterschiedspielerin Tabitha Chawinga 80.000 Euro brutto im Monat – ohne Prämien, Bonuszahlungen oder andere Zusätze. In den Top-10 der Ligue 1 folgen mit Tarciane (70.000 Euro), Kadidiatou Diani (60.000), Wendie Renard (50.000),
Für die Bundesliga gibt es solche Zahlen bisher nicht. Aber es gibt Anhaltspunkte. So hat der DFB für die Saison 2023/24 einen Report herausgegeben, aus dem hervorgeht, dass eine Spielerin in der höchsten deutschen Spielklasse durchschnittlich 4.000 Euro pro Monat verdient hat. Nach Informationen unserer Redaktion bewegen sich die Top-Gehälter in der Bundesliga im Bereich zwischen 20.000 und 25.000 Euro brutto pro Monat – gezahlt vom FC Bayern und Wolfsburg.
Die Top-Gehälter der beiden Spitzenklubs in Deutschland dürften also in etwa dem Durchschnitt entsprechen, den Topklubs wie Lyon oder auch der FC Barcelona zahlen.
FC Bayern und Wolfsburg haben weniger Qualität als Lyon und Barça
Dieser finanzielle Unterschied macht auch einen großen sportlichen Unterschied. Während die Bayern auf Verletzungen und Wechsel innerhalb der Partie mit teils unerfahrenen Talenten oder Spielerinnen antworteten, die nicht zur absoluten Spitzenklasse gehören, legte Olympique Lyon mit der ehemaligen Weltfußballerin Ada Hegerberg oder der erfahrenen Top-Stürmerin Eugénie Le Sommer von der Bank nach. OL hat einen Kader, der mit Spitzenspielerinnen gespickt ist.
Für die Bayern kam in der aktuellen Saisonphase zu viel zusammen, um da mithalten zu können. Georgia Stanway, Glódís Perla Viggósdóttir, Katharina Naschenweng und
Beim VfL Wolfsburg gelten diese Sorgen ebenfalls. Nur kämpft man dort auch gegen die Nachteile des eigenen Standorts. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Weltklasse-Spielerinnen ins Ausland oder im Fall von Oberdorf zum FC Bayern gewechselt. Weil sie dort nicht nur besser verdienen, sondern auch bei Klubs spielen, die aufgrund des Renommees im Männerfußball eine andere Strahlkraft haben – und nahezu jede Stadt dieser Vereine eine andere Anziehungskraft hat als die Autostadt.
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Wolfsburgs Entwicklung ist daher besorgniserregender als die der Bayern. Denn die konnten in den letzten Jahren immerhin Top-Spielerinnen verpflichten. Der VfL hingegen hat massiv an Qualität verloren und ist zu abhängig von den älteren Spielerinnen wie Alexandra Popp, Svenja Huth oder Marina Hegering.
Wie gut ist der deutsche Fußball wirklich?
Und doch haben beide wiederum eine gemeinsame Sorge: Wie stark sind die Talente des deutschen Fußballs wirklich? Beim FC Bayern gibt es eine Reihe an Spielerinnen, die die ganz großen Erwartungen bisher nicht erfüllen konnten. Linda Dallmann, Lea Schüller oder auch Sydney Lohmann zählen dazu. In der Vergangenheit trennte man sich von Lina Magull, nachdem sie keine wichtige Rolle mehr gespielt hatte.
Die Gründe sind bei allen unterschiedlich, aber das Resultat ist gleich: Wirklich Weltklasse ist keine dieser Spielerinnen (bisher).
Streng genommen kann man das auch den deutschen Vorzeigefußballerinnen beim FCB unterstellen – wenngleich sich die Kritik hier auf einem ganz anderen Niveau abspielt. Giulia Gwinn und Klara Bühl sind zwei der bekanntesten und besten Fußballerinnen Europas. Bühl hat das bei ihrem Treffer zum zwischenzeitlichen 1:0 in Lyon mal wieder bewiesen. Die Flügelstürmerin ist in jedem Spiel in der Lage, aus dem Nichts den Unterschied zu machen. Gleichzeitig unterlaufen ihr aber auch in jedem Spiel Fehler, die einer Weltklasse-Spielerin nicht passieren dürfen. Mit nun 24 Jahren und einem neuen großen Vertrag in der Tasche muss in Zukunft von ihr mehr Konstanz verlangt werden.
Gwinns Problem war, wenn sie fit blieb, nie die Konstanz. In dieser Saison hat sie dennoch hin und wieder Schwierigkeiten. Ihr Fehler zum 1:2 am Mittwochabend war untypisch für sie. Auch in der Bundesliga wirkt sie manchmal unkonzentriert.
Die Qualitätsprobleme zeigen sich in den letzten Jahren auch immer wieder in der Nationalelf. Seit der Goldmedaille bei Olympia im Jahr 2016 gab es keinen großen Titel mehr für Deutschland. Lange profitierte man von den Ausläufern der letzten wirklich starken Generation. Dann zeigten sich die Folgen der frühen 2010er Jahre, in denen man es verpasst hatte, den Grundstein für die Zukunft zu legen.
Deutschland und die Spätfolgen der 2010er Jahre
Von unten kommen jetzt einige Spielerinnen in Deutschland nach, aber der Wiederaufstieg wird viel Zeit und vor allem Investitionen in Strukturen und Entwicklung benötigen. In anderen Ländern wurde damit deutlich früher und energischer begonnen, während man sich hierzulande auf alten Erfolgen ausruhte.
Wolfsburg und Bayern brauchen deutsche Spielerinnen, die man mit dem Standortvorteil an sich binden kann, um die Qualität der Kader zu erhöhen. Um nicht zu Ausbildungsvereinen für die europäische Elite zu verkommen, gibt es letztlich aber nur einen Weg: Dass VW und der FC Bayern mehr Geld investieren als bisher. Gerade in München betont man gern die Wertschätzung für die Frauen. Bei der Bereitschaft, die gute sportliche Arbeit mit etwas mehr Mitteln zu unterstützen, hört diese aber offenkundig auf.
Ein "Benchmarking Report" des Weltverbandes hat jüngst gezeigt, dass Ligen in "Tier 1", wo die FIFA die Top-Ligen sieht, fast doppelt so viel Geld ausgeben, wie sie einnehmen. 4,4 Millionen Dollar an durchschnittlichen Einnahmen stehen 7,6 Millionen Dollar an durchschnittlichen Ausgaben gegenüber. Das unterstreicht die Bereitschaft vieler Klubs, in einen Markt mit viel Wachstumspotenzial zu investieren.
Wie ernst ist die Situation für Bayern und Wolfsburg?
Der Fußball der Frauen muss dabei aber auch eine enorme Herausforderung bewältigen: Einerseits wird zu Recht Investment verlangt und dass Klubs in Vorkasse gehen. Andererseits können manche Klubs so ein deutlich schnelleres Tempo in der Entwicklung an den Tag legen als andere. In Lyon investiert Michele Kang sehr viel Geld. In England sind die Investoren hinter den Klubs bekannt.
Für die deutschen Klubs könnte es in Zukunft immer schwerer werden, sich mit den Top-Teams in Europa zu messen, wenn sie nicht zu höheren Ausgaben bereit sind. Das haben die Bayern und Wolfsburg jetzt in aller Deutlichkeit zu spüren bekommen.
Verstecken müssen sie sich wegen ihrer Niederlagen in Zukunft dennoch nicht. Vor allem der FC Bayern hat trotz allem in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt. Allerdings ist diese immer noch fragil. In München wird man bald eine Grundsatzentscheidung darüber treffen müssen, wie ernst man es mit dem Fußball der Frauen wirklich meint.