Kiel/Frankfurt/Main - Der Druck für Nuri Sahin wird immer größer und doch greifen die Gesetzmäßigkeiten der Branche bei Borussia Dortmund noch nicht. Selbst eine weitere Niederlage am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) bei Eintracht Frankfurt würde nicht zwingend das Aus des aktuellen BVB-Trainers nach der schlechtesten Dortmunder Hinrunde seit zehn Jahren bedeuten.

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"Wir werden keine Trainerdiskussion führen", sagte Geschäftsführer Lars Ricken nach dem jüngsten verheerenden Auswärtsauftritt beim 2:4 (0:3) am Dienstag bei Aufsteiger Holstein Kiel. Der Rückstand auf das Minimalziel Champions-League-Qualifikation wächst und wächst dadurch. Vor dem Duell am Freitag liegt die Eintracht als Dritter acht Zähler vor dem BVB (25 Punkte).

Das Vertrauen, das die Verantwortlichen in den 36 Jahre alten Ex-BVB-Profi Sahin haben, ist dem Vernehmen nach so groß, dass er selbst bei einem möglichen noch größeren Rückstand auf Platz vier, im Amt bleiben könnte. Nach dem indiskutablen Auftritt in Kiel gehen den BVB-Bossen aber so langsam die Argumente für ihre Treue aus.

Die Argumente pro Sahin schwinden

Bislang galt stets die Losung, dass sich jeder BVB-Coach an der Qualifikation zur Gelddruckmaschine Champions League messen lassen muss. "Generell reden wir gerade nicht über einen europäischen Wettbewerb", sagte Ricken nun aber wenig verwunderlich nach dem Absturz ins Tabellenmittelfeld. "Es geht nur darum, das nächste Spiel bei Eintracht Frankfurt zu gewinnen."

Und das wird angesichts der teilweise in dieser Spielzeit fast absurd anmutenden miesen Auswärtsauftritte der Dortmunder schwer genug. "Das hat mit dem Anspruch, den Borussia Dortmund hat, nichts zu tun", schimpfte Sportdirektor Sebastian Kehl nach dem Tiefpunkt in Kiel. "Wir verhalten uns teilweise kindlich." Dafür verantwortlich seien aber die Spieler.

Holstein Kiel - Borussia Dortmund
Noch halten die BVB-Verantwortlichen zu Trainer Nuri Sahin. © dpa / Gregor Fischer/dpa

"Der Trainer hat die Mannschaft emotional und taktisch hervorragend eingestellt", sagten Ricken und Kehl erstaunlicherweise ziemlich wortgleich. Zu sehen war davon in Kiel indes nichts. Da räumte der geknickte Sahin ein, dass seine Spieler nichts von dem, was er vorgegeben habe, umgesetzt hätten. "Wir haben überhaupt nicht angenommen, was uns hier erwartet. Wir haben Kiel genauso erwartet, wie sie heute gespielt haben", sagte der Coach.

Entwicklung der Mannschaft nicht erkennbar

Eigentlich wollte und sollte der große und stolze BVB nach der kurzen Weihnachtspause zur großen Aufholjagd ansetzen. Stattdessen droht nach dem 2:3 zum Jahresauftakt gegen Meister und Pokalsieger Leverkusen nun sogar eine englische Woche mit null Punkten aus drei Spielen.

"Wir haben die Hinrunde analysiert. Es ist dann schon bitter, wenn ähnliche Verhaltensweisen, die dazu geführt haben, dass wir bislang keine gute Saison gespielt haben, wenn wir die dann wieder gesehen haben. Das ist schon sehr enttäuschend", sagte Ricken und lieferte damit eigentlich ein Argument gegen Sahin, der für die Entwicklung der Mannschaft ja verantwortlich ist.

Grippewelle keine Entschuldigung

Dass vor dem Saison-Neustart eine verheerende Grippewelle die Mannschaft packte und die nahezu den gesamten Abwehrverbund außer Kraft setzte, liegt indes nicht in Sahins Verantwortung. In Kiel kehrten in Ramy Bensebaini, Nico Schlotterbeck und Kapitän Emre Can immerhin drei Spieler sogar in die Startelf zurück, die es unter normalen Umständen möglicherweise noch gar nicht wieder in den Kader geschafft hätten.

Holstein Kiel - Borussia Dortmund
Auch Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl steht in der Kritik. © dpa / Gregor Fischer/dpa

Dennoch war es Sahin selbst, der betonte: "Auch wenn wir mit elf kranken Spielern gespielt hätten, kannst du so eine Leistung nicht bringen. Ich übernehme die volle Verantwortung für diese Leistung." Was bei ausbleibenden Konsequenzen freilich nur eine hohle Phrase ist.

Sahin fordert Aussprache: "Wahrheit sagen"

Der Trainer fordert nun eine Aussprache. "Es ist Zeit, dass wir uns in der Mannschaft, aber auch im Verein die Wahrheit sagen", forderte Sahin. Zeit und Raum dafür ist bis Freitag genug. Am Dienstagabend flog das Team bereits nach Mannheim, um sich in der Rhein-Main-Region vorzubereiten.

Dringend benötigte Verstärkungen wird es bis Freitag nicht geben. Nach dem Verkauf von Offensivakteur Donyell Malen für knapp 30 Millionen Euro an Aston Villa ist wieder Spielraum für Kaderkorrekturen da. Die sollten insbesondere für die Position von Kehl sitzen. Angesichts der Treue zu Sahin und der Kritik am Kader, der in seiner Zusammenstellung schon im alten Jahr als problematisch angesehen wurde, gilt die Einschätzung, dass es auch für den Sportdirektor eng werden könnte, sollte der BVB seine Ziele verpassen, als wenig gewagt. Trotz des soeben erst verlängerten Vertrags bis 2027.  © Deutsche Presse-Agentur

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