Am zweiten Spieltag machen die oft gescholtenen Video-Assistenten einen guten Job und helfen dabei, mehrere Fehlentscheidungen zu verhindern. Der Gladbacher Borussia nützt das an einem gebrauchten Tag jedoch nichts, anders als Hertha BSC und Greuther Fürth. In Stuttgart grummelt man unterdessen.
Im Topspiel des zweiten Spieltags am Samstagabend zwischen Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach (4:0) kam für die unglücklichen Gäste wirklich alles zusammen: Sie verloren nicht nur die Partie klar, sondern hatten auch gleich mehrere verletzte Spieler zu beklagen.
Stefan Lainer ist einer davon, er wurde kurz vor der Halbzeit durch eine harte Grätsche von Mitchel Bakker zu Fall gebracht und zog sich dabei einen Knöchelbruch zu, wie sich inzwischen herausstellte. Allerdings offenbar nicht am rechten Fuß, den der Leverkusener mit den Stollen traf, sondern am linken, der in dieser Szene eigentlich weniger in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein schien.
Wie auch immer: Schiedsrichter Deniz Aytekin bewertete Bakkers Einsatz als rücksichtslos und nicht als brutal, es sprach deshalb eine Verwarnung aus. Als Sanktion für den Treffer am rechten Knöchel von Lainer mit einem Teil der Sohle wäre allerdings auch ein Feldverweis denkbar gewesen.
Der Strafstoß für Gladbach ist regeltechnisch anspruchsvoll
Weil dieser Treffer aber nicht mit übermäßig hoher Intensität erfolgte, Bakkers Fuß bei der Grätsche am Boden blieb und der Kontakt nur kurz ausfiel, war die Gelbe Karte akzeptabel. Video-Assistent Tobias Welz hatte deshalb keinen Anlass, dem insgesamt sehr gut pfeifenden Aytekin ein On-Field-Review zu empfehlen.
Dennoch griff er in dieser Szene ein – allerdings aus einem anderen Grund. Der Referee hatte nach dem Foul an der Strafraumgrenze auf Freistoß für die Gladbacher erkannt, VAR Welz verortete das Vergehen jedoch innerhalb des Strafraums. Regeltechnisch ist diese Szene durchaus anspruchsvoll.
Denn anders als beim Halten, das dort zu ahnden ist, wo es wirksam wird, und nicht dort, wo es beginnt, ist bei Fußvergehen zwar der Ort des ersten Kontakts entscheidend – und der lag hier außerhalb des Leverkusener Sechzehners.
In einer Aktion beging Bakker zwei Fouls nacheinander
Allerdings konnte man im zeitlich nachgelagerten, deutlicheren und schwerwiegenderen Treffer an Lainers rechtem Fuß ein eigenes, weiteres Vergehen sehen – und das fand genau auf der Strafraumlinie statt, die nun mal zum Strafraum gehört.
Weil bei zwei Regelübertretungen durch ein und dieselbe Mannschaft unmittelbar nacheinander ohne zwischenzeitliche Spielunterbrechung in spieltechnischer Hinsicht immer der schwerere Verstoß zu ahnden ist, vermeldete der VAR: Das maßgebliche Foul fand innerhalb des Strafraums statt, deshalb muss es einen Elfmeter geben.
Da der Schiedsrichter bereits festgestellt hatte, dass ein Foul vorliegt, und es nur noch um den genauen Tatort ging, der eine Schwarz-weiß-Entscheidung ist, musste er sich die Szene auch nicht noch einmal selbst am Bildschirm ansehen. Aytekin übernahm daher die Bewertung des VAR und änderte seine Entscheidung von Freistoß auf Strafstoß. Doch passend zum für die Gäste so unglücklichen Tag vergab Lars Stindl den Elfmeter.
Hertha profitiert vom VAR, verliert aber trotzdem
In der Begegnung Hertha BSC gegen den VfL Wolfsburg (1:2) gab es ebenfalls nach einem Eingriff des VAR einen Strafstoß, wobei die Sache hier anders gelagert war als in Leverkusen. Nach knapp einer Stunde hatte Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck den recht eindeutigen Tritt des Wolfsburgers John Anthony Brooks im eigenen Strafraum gegen den Fuß von Dodi Lukembakio als nicht elfmeterwürdig bewertet und weiterspielen lassen.
Für Video-Assistent Tobias Stieler war das ein klarer und offensichtlicher Fehler – und man kann ihm nur zustimmen: Der Fall war eindeutig. Jöllenbeck sprach den Herthanern nach dem Review dann auch einen Elfmeter zu, den der Gefoulte verwandelte.
Der Bielefelder Kapitän hat einen Aussetzer
Zum gleichen Ergebnis führte eine VAR-Intervention im Spiel der SpVgg Greuther Fürth gegen Arminia Bielefeld (1:1), wobei es in diesem Fall um ein Handspiel des Bielefelders Manuel Prietl im eigenen Strafraum kurz nach der Pause ging.
Schiedsrichter Daniel Schlager hatte zunächst nichts unternommen, als der Kapitän der Gäste nach einer Hereingabe der Hausherren und einem weiteren Ballkontakt durch den Fürther Paul Seguin in einer nicht besonders gefährlichen Situation plötzlich seinen rechten Arm ausgefahren und den Ball mit der Hand abgelenkt hatte.
Video-Assistent Robert Hartmann riet jedoch zum Review – und zwar zu Recht: Prietls Armhaltung und seine Armbewegung waren hier das, was man regeltechnisch als "unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche" bezeichnet.
Das sah auch der Referee so, der den Gastgebern schließlich einen Strafstoß zusprach, den Branimir Hrgota zum 1:1 nutzte.
Stuttgart hadert mit der Handspielregel
Weniger eindeutig stellte sich die Sachlage nach etwas mehr als einer Stunde in der Partie zwischen RB Leipzig und dem VfB Stuttgart (4:0) am Freitagabend dar. Nach einem Torschuss des Leipzigers Christopher Nkunku blockte Marc-Oliver Kempf den Ball mit seinem Oberkörper ab, von dort sprang ihm die Kugel an den linken Unterarm.
Schiedsrichter Florian Badstübner bewertete dieses Handspiel als strafbar und gab einen Strafstoß, dabei blieb es auch nach der Überprüfung durch VAR Guido Winkmann. So mancher fragte sich daraufhin: Gab es da nicht die Regelung, dass ein Handspiel niemals strafbar ist, wenn der Ball von einem anderen Körperteil an den Arm oder die Hand prallt? Hatte Kempf nicht außerdem sogar versucht, den Arm wegzuziehen?
Die erste Frage muss man verneinen. Auch vor der jüngsten Neuformulierung der Handspielregel war es schon so, dass ein Handspiel im Falle einer unnatürlichen Verbreiterung der Abwehrfläche auch dann bestraft wurde, wenn der Ball von einem anderen Körperteil an den Arm oder die Hand sprang. Daran hat sich nichts geändert.
Der Elfmeter gegen den VfB war nicht eindeutig falsch. Kempf hatte kurz vor dem Schuss seinen linken Arm waagerecht zur Seite ausgestreckt, um einen Gegner auf Abstand zu halten. Einem regelkonformen Zweck diente das also nicht. Als der Ball auf ihn zuflog, senkte er den Arm etwas, ohne ihn nahe an den Körper zu bringen.
Dennoch kann man das als Bemühung bewerten, ein Handspiel zu vermeiden, und zu der Einschätzung kommen, dass er den Ball gezielt mit dem Oberkörper abblocken wollte, die Kugel jedoch unglücklich an den Arm hüpfte. Für diese Sichtweise sprechen vermutlich mehr Argumente als für das Urteil, dass hier ein Spieler ein Handspiel in Kauf genommen hat.
Den Elfmeter nicht zu geben, wäre deshalb die bessere Entscheidung gewesen. Aber klar und offensichtlich falsch, also vollkommen absurd und unvertretbar, war die getroffene Entscheidung nicht. Und deshalb ist es nachvollziehbar, dass der Video-Assistent kein Review empfohlen hat. Denn in Grenzfällen soll er es nun mal nicht.
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