Der Titelverteidiger wird die Meisterschaft an Bayern München verlieren und muss sich auf einen größeren Umbruch vorbereiten.
Das 1:1 beim FC St. Pauli war der Tiefpunkt einer traurigen Entwicklung: Bayer Leverkusen schafft keine Wunderdinge mehr – nicht mal beim abstiegsbedrohten Aufsteiger. Der Rückstand auf Bayern München beträgt jetzt acht Punkte. Schon kommendes Wochenende, vier Spieltage vor Saisonende, kann der amtierende Meister seinen Titel an den Rekordmeister verlieren. Die Saison endet titellos. Im DFB-Pokal war der Titelverteidiger ja vorzeitig am Drittligisten Arminia Bielefeld gescheitert.
Vor ziemlich genau einem Jahr war das anders. Leverkusen musste Luxus-Fragen wie diese beantworten: Schafft die Mannschaft nach dem Gewinn der Meisterschaft auch den DFB-Pokalsieg und damit das Double?
Tah vor Wechsel zum FC Barcelona
Heute, kein Jahr später, ist Bayer wieder Vizekusen und erlebt, was Verein und Mannschaft über Jahre immer wieder geschwächt hat: den Abgang der besten Kräfte. Abwehrchef Jonathan Tah erlaubt keinen Zweifel, dass er Leverkusen zum Saisonende verlässt. Das wollte er schon voriges Jahr. Aber Bayern München zahlte damals nicht den geforderten Preis.
Schick, Boniface, Frimpong, Grimaldo: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächsten Namen auf dem Transfermarkt gehandelt werden und ihr Abgang ein Preisschild in Millionenhöhe erhält. Bayer Leverkusen ist wie eine Aktie, die an der Börse ihr Allzeithoch erfahren hat: Danach beginnt der Ausverkauf. Sportchef Simon Rolfes muss den Laden nun irgendwie zusammenhalten. Das wird schwer. Sein bestes Argument war bisher der Trainer.
Alonso: Kein Bekenntnis zu Leverkusen
Doch von Xabi Alonso hört man in diesen Tagen kein Bekenntnis zu Bayer Leverkusen. Auch seine Tage im Rheinland sind gezählt. Er wird, wenn keine Überraschung passiert, Carlo Ancelotti bei Real Madrid ersetzen und bei den Königlichen die nächste Karrierestufe erklimmen. Drei Jahre lang hat er bei Leverkusen das Trainerhandwerk gelernt und die Meisterprüfung abgelegt. Nun zieht er weiter. So ist das Business und trotzdem irgendwie traurig.
Zurück bleibt ein Verein, der ein einziges Mal die Bayern so richtig geärgert hat und jetzt den Preis dafür blecht: Der Erfolg weckt Begehrlichkeiten bei Klubs, die noch mehr Geld und noch mehr Perspektiven bieten. So wie beim VfB Stuttgart 2007 und beim VfL Wolfsburg 2009: Nach dem Freudentaumel folgte der Katzenjammer, dass die Rückkehr ins Mittelmaß unaufhaltsam schien. Bayer Leverkusen braucht jetzt eine neue Story.
Trainermarkt verspricht gute Namen
Die alte lautete: Alonso baut aus Beamtenfußballern titelhungrige Punktemonster. Doch die Zeit ist vorbei. Vorige Saison hatte Leverkusen 16 Punkte mehr geholt als heute, was dazu führte, dass Bayern München irgendwann die Luft ausging. Heute sind 64 Punkte nicht schlecht, Platz zwei und Vizemeisterschaft sind nicht mehr zu nehmen – aber halt nicht so furchteinflößend, dass der Tabellenführer ins Schwitzen kommt.
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Die zentrale Frage ist wohl: Wer wird der neue Alonso, der Mannschaft und Verein mitzieht? Der Trainermarkt verspricht ein paar gute Namen (Glasner, Fabregas, Raul), aber das ist ja nur die eine Baustelle. Die andere ist: Wie früh kann er anfangen, am Kaderpuzzle mitzuarbeiten? Der Umbruch wird, Spekulation heute, größer als erwartet. Und vielleicht bleibt am Ende nur das Dankeschön für die erfolgreiche Alonso-Zeit.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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