Gleich sechs neue Cheftrainer feierten am Wochenende ihre Premiere in der Bundesliga - mit Licht und Schatten. Selbst die erfolgreichen Nuri Sahin und Vincent Kompany haben noch viel Arbeit vor sich. Ein anderer darf sich über einen perfekten Einstand freuen.

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Warum scheint Julian Schuster in Freiburg so schnell aus Christian Streichs Schatten zu treten? Wie liefen die Bundesliga-Debüts von Vincent Kompany und Nuri Sahin? Und warum wartet auf die beiden und andere Debütanten noch jede Menge Arbeit? Eine Bestandsaufnahme.

Julian Schuster (SC Freiburg):

So wahnsinnig viel hat Julian Schuster nach zwölf Jahren Christian Streich in Freiburg gar nicht verändert und das war wohl die erste richtig gute Entscheidung des neuen Trainers. Den Übergang von der Ikone hin in ein neues Zeitalter hat Schuster so leise und gewissenhaft hinbekommen, wie das wohl nur in Freiburg möglich ist. Den Auftakt gegen den Vizemeister im Derby so galant zu gestalten, inklusive eines völlig verdienten 3:1-Sieges, hat die möglichen Zweifel jedenfalls fürs Erste zerstreut.

Neu war das deutlich höhere Pressing, mit dem Freiburg dem Gegner nach einer schwierigen Startphase immer wieder zusetzen konnte. Ohne dabei aber ins offene Messer zu rennen. Stuttgarts Idee, den Gegner zu locken, um dann mit zwei, drei schnellen Pässen das Mittelfeld zu überspielen und Dynamik zu erzeugen, ließ der Sportclub kein einziges Mal zu.

Abgesehen vom frühen Führungstor der Schwaben nach einem Eckball hatte der VfB - in der letzten Saison ein Garant für Tore und Torchancen in Hülle und Fülle - keine einzige nennenswerte Offensivszene mehr. Freiburg kontrollierte im kompakten 4-5-1 das Mittelfeldzentrum und ließ keinen Meter Raum, um dann nach den immer häufiger generierten Ballgewinnen schnell umzuschalten.

Freiburg - das letzte Saison 0:5 und 1:3 gegen Stuttgart unterlegen war - hatte auch bei nur 33 Prozent Ballbesitz die Kontrolle über das Spiel, Schusters Mannschaft die perfekten Lösungen gegen den lethargischen VfB. Bezeichnend, dass Freiburg nach der ersten Trinkpause Mitte der ersten Halbzeit und Schusters prägnanten Anweisungen plötzlich Kontrolle erlangte und nicht wieder abgab.

Sollte es vor den ersten beiden Spielen im Pokal und in der Liga leise Zweifel daran gegeben haben, wie groß das Vertrauen der Spieler in ihren neuen Trainer ist: Julian Schuster hat sie in Rekordzeit widerlegt.

Nuri Sahin (Borussia Dortmund):

Der BVB hat auf allen Ebenen extrem umgebaut und auch Nuri Sahin verfolgt bei seiner ersten Station als Cheftrainer einige grundsätzlich neue Ideen. Allerdings waren beim schwierigen Auftaktsieg gegen Frankfurt davon nur einige zu sehen. Sahin vertraute einem verkappten 3-4-3 mit drei gelernten Innenverteidigern in der Abwehr und wenig überraschend Pascal Groß als Teil der Doppel-Sechs davor.

Allerdings war die Rollenverteilung mit dessen Nebenmann Emre Can nicht so, wie man das wohl erwarten durfte: Statt Groß als ersten Aufbauspieler zu nutzen, schlüpfte öfter auch Can in diese Rolle - die aber nicht erst seit gestern sichtlich nicht zu ihm passt. Gegen Frankfurts mutiges Pressing hatte der BVB deshalb große Schwierigkeiten.

Und zeigte dann beim Führungstreffer doch, wie es in Zukunft aussehen könnte: Mit einem schnellen Pass auf Groß, einem schnellen Aufdrehen und dem Tiefenpass, um einen der Flügelspieler ins direkte Duell zu schicken.

Weil dem BVB immer noch ein geeigneter Linksverteidiger fehlt und womöglich noch ein weiterer spielstarker Sechser, muss Sahin improvisieren. Weder Julian Ryerson auf rechts noch Donyell Malen auf der linken Seite sollten als Schienenspieler die beste Lösung sein, im Angriff ist Karim Adeyemi derzeit wohl ebenfalls nur ein Platzhalter.

Sahin muss diesen Übergang noch einigermaßen geräuschlos moderieren, das wahre Dortmunder Gesicht wird man wohl erst nach der Länderspielpause Mitte September erkennen können. Immerhin ist aber der Auftakt schon mal geglückt und das war gerade in der Aufbruchstimmung in Dortmund besonders wichtig.

Vincent Kompany (FC Bayern):

Der Start der Bayern war im Prinzip die vergangene Saison, komprimiert auf 90 Minuten: Sehr gute Sequenzen wechselten sich mit schwachen ab, es fehlte (noch) die Konstanz und Selbstverständlichkeit und das große Sorgenkind bleibt offenbar immer noch die Defensivleistung der Mannschaft.

Vincent Kompany vertraute einem 4-2-3-1, ohne große personelle Rochaden - abgesehen von Joshua Kimmichs Rückversetzung ins zentrale Mittelfeld. Etwas überraschend saß der vermeintliche Königstransfer Joao Palhinha 90 Minuten nur auf der Bank. Die Bayern waren eine Hälfte lang sehr dominant, ließen Wolfsburg kaum zur Entfaltung kommen und führten verdient - nach einem offenbar einstudierten Ablauf im Anschluss an einen Einwurf.

Dann aber zeigte sich das, was schon Kompanys Vorgängern Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann immer wieder zum Verhängnis wurden: Einzelne Spieler leisteten sich grobe individuelle Patzer, die das Spiel kippen ließen. Gegen Wolfsburgs höheres Pressing fanden die Bayern 15, 20 Minuten lang kein Mittel, wurden fahrig, verspielten einmal mehr einen Vorsprung.

Ein Deja-vu kündigte sich an, zumal Wolfsburg offensiv immer gefährlich blieb. Aber anders als in der jüngeren Vergangenheit fanden die Bayern doch noch einen Ausweg, in erster Linie aber begünstigt durch die Einwechslung von Thomas Müller. Riskanter soll Bayerns Spiel wieder werden, auch direkter und vor allen Dingen defensiv stabiler: Das alles war in Wolfsburg aber nur in Teilen zu erkennen.

Tatsächlich hat Kompany immer noch mit den "alten" Problemen zu kämpfen, da hilft auch Manuel Neuer in seiner Lieblingsposition als verkappter Libero nicht viel. Unter Druck bleiben die Bayern verwundbar, ohne den klassischen Anker-Sechser und den abgewanderten Matthijs de Ligt das defensive Zentrum ein massives Problem. Daran dürfte sich auch auf absehbare Zeit nicht viel ändern, die spät zurückgekehrten EM-Fahrer noch eine Zeit benötigen.

Aber Zeit ist speziell beim FC Bayern ein sehr begrenztes Gut. Umso wichtiger war der Auftaktsieg für die Mannschaft und ihren neuen Trainer.

Bo Svensson (Union Berlin):

Wer Bo-Svensson-Fußball erwartet hatte bei seiner Bundesliga-Premiere für Union, der wurde beim Remis in Mainz nicht enttäuscht - und dann irgendwie aber doch. Svensson baut Union in eine Dreierketten-Mannschaft um, hat aber offenbar trotz einiger Zugänge immer noch das Zutrauen in die "alte Garde". Jedenfalls ließ Svensson seine Zugänge zunächst alle auf der Bank.

Und seine "neuen alten" Spieler haben wohl noch das eine oder andere Problem, die Ideen des Trainers sauber umzusetzen. Svensson ließ etwas ungewöhnlich mit zwei Zehnern hinter den beiden Spitzen spielen, für das Flügelspiel waren in der Regel die Schienenspieler zuständig.

Mehr als viel tiefer Ballbesitz und dann lange Bälle waren aber kaum drin, an der Mainzer Abwehr zerschellten Berliner Angriffsversuche spätestens beim Übergang ins Angriffsdrittel. Das erinnerte doch fatal an die Spiele der letzten Saison, als es Union auch an Ideen und konkreten Abläufen in der Offensive mangelte.

Und weil auch das hohe Pressing noch vergleichsweise zaghaft ausfiel und die Mannschaft dann in Rückstand geriet, musste Svensson doch wieder auf das in der Vorbereitung praktizierte 3-4-3 zurückgreifen. So ganz hat der Trainer die grundlegenden Spielmuster noch nicht gefunden, ein echter Neustart der Unioner sieht jedenfalls anders aus. Aber: Svensson wird genug Zeit und womöglich auch noch den einen oder anderen Neuzugang bekommen, um sich Schritt für Schritt anzunähern.

Peter Zeidler (VfL Bochum):

Passend zu seiner eigenen Premiere in der Bundesliga schickte Peter Zeidler in Leipzig gleich sechs Debütanten auf den Platz und ließ mit dem mittlerweile eher seltenen 4-4-2 mit Mittelfeldraute spielen. Dass Zeidler als ehemaliger Rangnick-Schüler und -Co-Trainer und ehemaliger Cheftrainer bei Red Bull Salzburg nun ausgerechnet gegen die deutsche Dependance antreten durfte, machte seine Premiere in der Bundesliga nur noch interessanter.

Und Zeidler zeigte gegen die turmhoch favorisierten Leipziger gleich mal, was von Bochum und von ihm in dieser Saison zu erwarten ist: Höchste Intensität und Balljagd, ein aggressives Pressing, Laufbereitschaft und Leidensfähigkeit.

Zeidler transferierte seine Ideen aus St. Gallen quasi eins zu eins nach Bochum und führt den Weg dort fort, den Ex-Trainer Thomas Letsch schon eingeschlagen hatte - nur eben noch konsequenter und zum Teil auch radikaler.

Bochum verstrickte Leipzig immer wieder in direkte Duelle, die flächendeckende Manndeckung hat in der Ausprägung keine andere Mannschaft am ersten Spieltag so praktiziert wie Zeidlers Bochum. Gegen den Ball war das schon sehr gut, in der Offensive drückt bei Bochum aber noch der Schuh.

Mit zwei wuchtigen, aber technisch unterdurchschnittlichen Angreifern war nicht viel mehr möglich oder auch erwünscht als lange Bälle in die Spitze, um dann über Ablagen in den Zehnerraum oder auf die Außen in Flankenposition zu kommen.

Immerhin: Die eingewechselten Myron Boadu und Aliou Balde brachten einige spielerische Komponenten ein. Der VfL kann - theoretisch - also auch anders. Trotz der zweiten Niederlage nach dem Pokal-Aus in Regensburg zum Start passt das Spiel gegen den Ball. In der Offensive hat Zeidler aber noch jede Menge Arbeit vor sich.

Alexander Blessin (FC St. Pauli):

Eigentlich schien Heidenheim ein dankbarer Gegner für St. Paulis Rückkehr nach 13 Jahren, schließlich haben die Heidenheimer mehrere Stützen der letzten Jahre verloren, müssen sich als Team noch finden und kamen quasi direkt von der Conference-League-Qualifikation aus Schweden zurück.

Dann zeigte St. Pauli mit seinem neuen Trainer Alexander Blessin aber allenfalls in Ansätzen jenen Fußball, der die Mannschaft in der letzten Saison eine Klasse tiefer noch ausgezeichnet hatte und der auch Heidenheim mehr Probleme hätte bereiten können. Im Spiel mit dem Ball waren die Anknüpfungspunkte zu Blessins Vorgänger Fabian Hürzeler zwar zu erkennen - der saubere Aufbau durchs Zentrum, die Ausrichtung auf die Halbräume.

Ein Problem war aber die fehlende Dynamik im letzten Drittel und das Herausspielen von klaren Torchancen. Das wurde erst spät im Spiel besser, weil auch die Schienenspieler besser anschoben. Die entscheidenden Anpassungen blieben aber aus. St. Pauli darf sich auch nicht zu schade sein, den Ball auch mal direkt nach vorne zu spielen, um dann auf den zweiten Ball zu gehen und mit kleinen Ablagen in Abschlusspositionen zu kommen.

Und: Gegen den Ball lag der Fokus doch sehr auf Raumsicherung und Kompaktheit. Blessins eigentliche Idee bei seinen vorherigen Stationen ist ein sehr direktes, frühes und riskantes Anlaufen des Gegners. Gegen Heidenheim war davon nicht viel zu sehen, ein wenig spielte die Mannschaft mit angezogener Handbremse.

Die Ansätze sind allemal da, es wird aber wohl noch eine Weile dauern, bis Blessin die richtige Mischung gefunden hat. Und über allem schwebt die Frage, ob und wie St. Paulis Markenkern aus der Zweitliga-Saison auch in der Bundesliga reproduzierbar ist.

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