- Nach zehn Bundesliga-Spieltagen hat Union Berlin den FC Bayern um vier Punkte abgehängt und behauptet die Tabellenspitze.
- Diese Leistung beeindruckt nicht nur den Titelverteidiger.
- Unions Erfolgstrainer Urs Fischer hat alle Hände voll zu tun, die Begeisterung um ihn und seine Spieler einzudämmen.
Nach zehn Spieltagen der Bundesliga heißt der Tabellenführer nicht Bayern München, aber auch nicht Borussia Dortmund. An der Spitze behauptet sich nach einem 2:0 über den BVB der 1. FC Union Berlin. Der Bundesliga-Neuling von 2019 ist seit dem sechsten Spieltag Tabellenführer und hält die arrivierten Klubs derart beeindruckend in Schach, dass die mit Lob nicht sparen.
Nach dem meisterlich anmutenden 5:0 im Topspiel über die ebenfalls in der Spitzengruppe der Bundesliga munter mitmischenden Freiburger äußerten Bayern Münchens Trainer
Julian Nagelsmann: "Union gibt alles für den Sieg"
"Union Berlin mischt verdient ganz oben mit", sagte Nagelsmann. Er lobte, wie der Europa-League-Teilnehmer die permanenten englischen Wochen bewältigt. "Sie sind Donnerstag und Sonntag immer körperlich und mental voll da. Sie hauen sich einfach in alles rein und geben alles für den Sieg. Dann ist es oft so, dass das Leben dich dafür belohnt. Sie sind verdientermaßen oben dabei", sagte der 35-Jährige.
Und auch Freiburgs Coach Christian Streich rühmte die Eisernen als die Mannschaft, "die ziemlich sicher die beste defensive Organisation in der Bundesliga" habe.
Ist Union angesichts von 23 Punkten und vier Punkten Vorsprung auf Titelverteidiger FC Bayern schon ein echter Mitbewerber um den Meistertitel? Da ist Nagelsmann gespannt: "Ich war auch schon woanders Trainer und weiß, dass man die Konstanz über 34 Spieltage braucht, um am Ende ganz oben zu stehen. Für die Zuschauer ist es immer gut, wenn die Liga spannend ist. Union gehört zu den Topteams der Liga. Und ich gehe davon aus, dass sie das die nächsten Wochen so weitermachen."
Edin Terzic rechnet Union Berlin bereits den Spitzenteams zu
Der unterlegene Dortmunder Trainer
Als "außergewöhnlich stark" bezeichnete auch Leipzigs Coach
Marco Rose scheut die Meisterfrage: "Da würde Urs sicher böse werden"
Zur Meisterfrage wollte sich Rose nicht äußern. "Da würde Urs sicher böse werden." Auch unterstrich Rose die Entwicklung, die die Berliner in den vergangenen Jahren trotz wechselnden Personals durchlaufen haben: "Wenn Spieler dazukommen, merkt man gleich, das macht Sinn. Es sind alles Spieler, die das verkörpern, was Union will."
Von zehn Partien hat der Klub nur eine verloren. Auch gegen die Bayern reichte es im Heimspiel am fünften Spieltag zu einem Unentschieden (1:1). In der Woche darauf sprang Union dank eines 1:0 beim 1. FC Köln von Position vier aus an die Tabellenspitze. Bemerkenswert: Zu DDR-Zeiten war Union nie Tabellenführer der damaligen Oberliga.
"Union Berlin ist extrem schwer zu bespielen", äußerte Freiburgs Coach Streich nach dem 0:5 in München. "Sie bekommen kaum Gegentore. Und wenn sie eines machen, haben sie fast schon gewonnen - vielleicht außer gegen Bayern. Das ist eine absolute Topmannschaft. Ich kann nur alle Hüte ziehen vor dem, was da geleistet wird", sagte Freiburgs Trainer.
Urs Fischer will Union Berlins Saisonziel nicht korrigieren
Dessen gefeiertem Kollegen Fischer fällt die undankbare Rolle zu, all das Lob mindestens einzuordnen, besser jedoch abzuwehren. "Es ist ein Wahnsinn, es ist unglaublich", schwärmte Fischer nach dem Erfolg über Dortmund zwar, dann bremste er aber vehement: "Wir sollten erstmal die 40 Punkte erreichen, bevor wir über ein neues Ziel sprechen."
Die euphorisierten Fans sahen das naturgemäß ganz anders. "Deutscher Meister wird nur der FCU!", hallte durch die Alte Försterei, das konnte auch Fischer nicht verhindern. Die Anhänger der Köpenicker träumen vom Titel. Den holte Fischer bereits zwei Mal in der Schweiz, 2016 und 2017 mit dem FC Basel. Aber auch mit Außenseitern überraschte Fischer zuvor in seiner Heimat. 2011 führte er den FC Zürich zur Vize-Meisterschaft, 2015 den FC Thun auf Platz vier.
Mit Union ging es unter Fischer seit 2018 stetig aufwärts. Dem Aufstieg in die Bundesliga folgten dort die Plätze elf, sieben und fünf, auf die erstmalige Qualifikation für die Europa Conference League der Sprung in die Europa League 2022. Das ist schwer zu toppen, und doch schafft dies Fischer mit seiner Mannschaft derzeit.
Urs Fischer überlässt das Träumen den Fans von Union Berlin
Das Träumen vom Meistertitel verstehe er, sagt Fischer, "aber es ist mir egal". Es sei "doch logisch, dass unsere Fans uns feiern und Lieder anstimmen. Sie dürfen auch träumen, aber wir nicht. Wir sollten unseren Fokus behalten."
"Wenn man oben steht, hat man das Glück vielleicht", witzelte Unions Timo Baumgartl, dessen Tor zum möglichen 3:0 nur BVB-Coach Gregor Kobel verhinderte: "Wir genießen es umso mehr und wehren uns nicht dagegen."
Das Köpenicker Fußball-Märchen findet seine Fortführung, doch ist Union Berlin wirklich die beste Mannschaft in Deutschland? "Wenn ich auf die Statistik schaue, dann glaube ich: Nein, ist sie nicht", sagte Fischer: "Wir stehen zwar an erster Stelle, aber wir haben weiter unsere Themen, an denen wir arbeiten müssen."
Statistik belegt: Union Berlin wird nicht mehr weit abstürzen
Fischer aber sei eine Statistik gezeigt, die seiner Vorsicht widerspricht. In diesem Jahrtausend rutschte ein Team, das am zehnten Spieltag Spitzenreiter war, im schlechtesten Fall noch auf Platz neun ab. Dem VfL Wolfsburg passierte das 2004/05. (dpa/sid/hau)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.