Julian Nagelsmann ist DER Shooting-Star am deutschen Trainerhimmel - und weckt mehr und mehr das Interesse anderer Vereine. Ist der Coach von 1899 Hoffenheim schon bald ein Kandidat für den FC Bayern? Er bringt jedenfalls viele Eigenschaften mit, die zum Rekordmeister passen.

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"Scheiß da nix, dann feid da nix." Der Satz steht dann erstmal im Raum, unwidersprochen. Vermutlich, weil ihn im Kraichgau noch nie jemand gehört hat, zumindest nicht vorgetragen im oberbayerischen Idiom.

Julian Nagelsmann hat seine flapsige Bemerkung vor der Partie seines Vereins gegen den Rekordmeister dann gleich noch zweifach erklärt und auch die Bedeutung des bajuwarischen Spruchs, der im Hochdeutschen in etwa so viel heißt wie "Denk dir nichts, dann passiert dir auch nichts". Oder: "Mach‘ dir keinen Kopf!"

Wenn das nur so einfach wäre. 1899 Hoffenheim trifft am Dienstag ja nicht auf einen handelsüblichen Bundesligisten, sondern auf den FC Bayern. Es ist aus vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes Topspiel des 27. Spieltags.

Die Bayern sind derzeit eine Lawine, reißen ihre Gegner nur so zu Tal und walzen alles platt, das sich ihnen in den Weg stellt. Hoffenheim hat zum ersten Mal überhaupt zu diesem Zeitpunkt einer Saison die reelle Chance, sich für die Champions League zu qualifizieren. Und dann ist da ja auch noch Julian Nagelsmann. Ein Trainer, der mehr und mehr in den Fokus rückt - und auf den auch heute alle Augen gerichtet sein werden.

Es ist gerade einmal 13 Monate her, als Nagelsmann die Bundesliga enterte. Damals war sein Alleinstellungsmerkmal sein beinahe jugendliches Alter - heute gilt Nagelsmann als so etwas wie die große deutsche Trainerhoffnung der Zukunft.

Neulich äußerte sich Uli Hoeneß über eine mögliche Zusammenarbeit der Bayern mit dem Shooting-Star. Vielleicht nicht in unmittelbarer Zukunft, aber irgendwann. Dann sprach Bundestrainer Joachim Löw davon, dass Nagelsmann durchaus mal seine Aufgabe beim DFB ausüben könne.

Bayern-Trainer? Bundestrainer?

Bayern-Trainer, Bundestrainer - ein paar Nummern kleiner geht es derzeit offenbar nicht, wenn die Rede von Julian Nagelsmann ist.

Der Hochgelobte hat vor wenigen Tagen den Trainerpreis des deutschen Fußballs 2016 entgegengenommen, der DFB hat ihn in der Hauptsache für seine herausragende Talententwicklung in Augsburg und Hoffenheim ausgezeichnet.

Nagelsmann wurde mit Hoffenheims A-Jugend 2014 deutscher Meister und ein Jahr später Vizemeister. Er wurde jüngster Meister-Trainer in der U 19 und dann natürlich der jüngste Trainer der Bundesliga-Geschichte.

Die Art und Weise, wie Hoffenheims Profis seit Nagelsmanns Amtsübernahme und speziell in dieser Saison auftreten, ist ungeheuer beeindruckend. Nagelsmann hat in lediglich zwei kompletten Vorbereitungen aus einem Abstiegskandidaten ein Team geformt, das sogar Vizemeister werden könnte.

Er ist ein Trainer modernster Prägung

Hoffenheim-Spiele sind immer auch kleine Abhandlungen von Fußball-Lehrbüchern. Da sind klar strukturierte, auf den halben Meter exakt inszenierte Abläufe in Defensive wie Offensive zu sehen, gruppen- und mannschaftstaktische Feinheiten höchster Qualität.

Ganz sicher ist die individuelle Leistungsdichte und -spitze anderer Mannschaften in der Bundesliga höher, sind die Kader besser und tiefer besetzt als in Hoffenheim. Und trotzdem hat die Mannschaft in dieser Saison erst zwei von 26 Spielen verloren.

Nagelsmann nutzt viele neue Ansätze der Trainingsmethodik und Anleihen aus der Kognitiv-Forschung. Und doch ist er recht weit weg vom sogenannten Laptoptrainer.

Es ist seine unverstellte Art, die mehr Authentizität versprüht als bei fast allen anderen Trainern im Profibereich. "Ein Bauer muss sich auch ab und zu von seinen Kühen und Schweinen trennen. Das gehört dazu", hat er am Montag erzählt und damit die bevorstehenden Wechsel von Niklas Süle und Sebastian Rudy zu den Bayern umschrieben.

Nagelsmann setzt nicht auf eingeschliffene Abläufe, die hundertfach nachgestellt und einstudiert werden. Er verfeinert lediglich Handlungsmuster, setzt die Leitplanken, innerhalb derer sich die Spieler bewegen und trotz der Routine immer auch kreative Lösungen finden müssen.

Die Liste der Interessenten dürfte lang sein

Nagelsmann bringt neben fachlichem Knowhow im Spitzenbereich auch eine gewisse Eloquenz mit, ohne dabei hart in der Sache gegen die Mannschaft oder sich selbst sein zu können.

Er kann eine Mannschaft tatsächlich besser machen, junge Spieler entwickeln, mit schwierigen Charakteren umgehen, seine Spieler verstehen. Und er beherrscht das Spiel mit den Medien.

Es sind ziemlich viele Zutaten, die auch ein Bayern-Trainer mitbringen muss. Derzeit ist der Rekordmeister mit Carlo Ancelotti hervorragend aufgestellt, der Italiener treibt seine Mannschaft jetzt in der heißen Phase der Saison zu Höchstleistungen.

"Wir sind sehr zufrieden mit Carlo Ancelotti, vielleicht bleibt er ja noch fünf Jahre", sagt Hoeneß. "Wir brauchen uns darüber im Moment gar keine Gedanken machen." Aber Ancelotti wird im Sommer 58 Jahre alt und ziemlich sicher nicht ewig Trainer bei den Bayern bleiben.

Nagelsmann will noch mindestens ein Jahr in Hoffenheim bleiben, wie er jüngst betonte. Doch 2018 oder 2019 scheint der Sprung zu einem größeren Verein aktuell beinahe schon unausweichlich. Es dürfte dann mehr als einen Interessenten geben, der den Trainer unter Vertrag nehmen möchte. Und es ist durchaus denkbar, dass einer von ihnen der FC Bayern sein wird.

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