Jetzt hat sich Red Bull auch noch den Fußball-Traditionalisten Jürgen Klopp geschnappt. Für viele Fans ist mit der Meldung eine Welt zusammengebrochen. Für Red Bull war der Schritt hingegen nur ein logischer, um die eigene Marke weiter festigen. Wir haben mit dem Medienexperten Prof. Dr. Michael Schaffrath von der Technischen Universität München über die Hintergründe und Auswirkungen gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Deal hat die Fußball-Welt durchgeschüttelt: Jürgen Klopp geht zu Red Bull und wird dort "Head of Global Soccer". Wie hat der Getränkeriese das geschafft? Dafür brauchten die Verantwortlichen im Grunde "nur" drei Dinge. "Viel Geld, ein überzeugendes Konzept und das richtige Timing. Genau diese Trias hat Red Bull perfekt eingelöst", sagte der Medienexperte Prof. Dr. Michael Schaffrath von der Technischen Universität München im Gespräch mit unserer Redaktion.

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Ein lukratives Angebot – zwischen acht und elf Millionen Euro soll er laut "Bild" verdienen - eine für Klopp neue und spannende Aufgabe und dazu reichlich Verantwortung und Einflussmöglichkeiten, und schon hat der Konzern den Traditionalisten Klopp für das Projekt gewonnen, das für Traditionalisten im Fußball ein rotes Tuch ist. Was laut Schaffrath "auch ein weiterer und recht persönlicher Beleg für die hochgradige Kommerzialisierung des Profi-Fußballs" ist.

Aber eben auch ein Beweis für den durchschlagenden Erfolg des Unternehmens im Sport. Klopp ist ein typischer Red-Bull-Move, ein Paukenschlag mit einer riesigen medialen Durchschlagskraft. Denn das Getränkeunternehmen, das es seit 1984 gibt, mischt den Sport bereits seit Anfang der 1990er-Jahre auf.

Red Bull hat seine Chance sehr früh erkannt

"Der traditionelle Werbeslogan von Red Bull lautete: 'Red Bull verleiht Flügel!' Und der Konzern hat sehr früh erkannt, dass Sport aufgrund der dort generierten Einschaltquoten und Reichweiten im Marketing-Konzept und im Sponsoring-Portfolio ein ganz wichtiger Baustein sein kann und mittlerweile ist", sagte Schaffrath. "Das weltweit vertriebene Produkt 'Energy-Drink' soll ja global möglichst vielen Menschen 'Flügel verleihen' und dafür ist der Millionen-Markt Sport eine geeignete Plattform."

Der 2022 verstorbene Gründer Dietrich Mateschitz hat dadurch dafür gesorgt, dass die prägnante Dose omnipräsent war und ist. Während der Sport die Marke Red Bull groß gemacht und die Verkaufszahlen in die Höhe getrieben hat, rückte umgekehrt das Unternehmen Sportarten neu in den Fokus. Der Österreicher hatte schon immer einen Sinn dafür, was funktionieren kann, sowohl geschäftlich als auch gesellschaftlich. Nach seinem Tod ist Oliver Mintzlaff für sämtliche sportliche Aktivitäten des Konzerns verantwortlich – und damit auch für den Klopp-Deal, der dem Konstrukt weitere Aufmerksamkeit und einen Schub verleiht. Klopp könnte auch eine Mateschitz-Idee sein.

Denn was in den 1990er-Jahren mit Extremsportarten in der Nische begann, ist inzwischen eine Art eigenes Sport-Ökosystem mit angeschlossener Marketing-Maschinerie durch zahlreiche Fußball-Klubs in der ganzen Welt, zwei Formel-1-Teams, Eishockey-Vereine, eigene Events, einen eigenen TV-Sender, ein eigenes Print-Magazin und ein riesiges Portfolio an unterstützten Athleten bei einer Mischung aus etablierten Topstars und vielversprechenden Talenten.

Im Marketingsystem Red Bulls seien dabei drei Bausteine von besonderer strategischer Relevanz, meint der Medienexperte: "Erstens eine große Internationalität mit Engagements z. B. in Europa, Japan und den USA, zweitens eine Sportarten-Fokussierung auf traditionelle Profisportarten wie etwa Fußball, Eishockey und Formel 1 und drittens noch eine veritable Sportarten-Diversifizierung von verschiedenen Extremsportarten wie Kitesurfing, Cliff Diving oder Mountain Biking, um auch jüngere Zielgruppen anzusprechen." Und irgendwo ist immer eine Dose oder eine Flasche in den Unternehmensfarben im Bild.

Sprung aus der Stratosphäre als Paradebeispiel

Ein Paradebeispiel, wie der Konzern eigene Events nutzt: Red Bull Stratos, der Fallschirmsprung des Österreichers Felix Baumgartner aus der Stratosphäre aus knapp 40 Kilometern Höhe am 14. Oktober 2012. "Angebliche Kosten rund 50 Millionen Euro, geschätzter Werbegegenwert aufgrund weltweiter Einschaltquoten rund sechs Milliarden Euro", sagt Schaffrath.

Mit dem Geflecht aus diversen Sport-Aktivitäten sollen die Werte des Unternehmens wie Abenteuer, Mut und Grenzüberschreitungen transportiert, daneben aber auch die Präsenz im weltweiten Spitzensport kontrolliert und stetig ausgebaut werden. Red Bull ist so im Sport nahezu allgegenwärtig, womit das Image ein gutes Stück weit gesteuert, geprägt und die eigene Identität gefestigt wird. Und das hauseigene Getränk weiter fleißig an Frau und Mann gebracht wird. Mit Erfolg: Mit über zwölf Milliarden verkauften Dosen war Red Bull im vergangenen Jahr der meistverkaufte Energy-Drink weltweit.

Geld alleine reicht nicht aus

Die finanziellen Mittel für Investitionen und Marketing sind dementsprechend enorm. Der Umsatz des Unternehmens mit seinen rund 17.000 Mitarbeitern und Sitz in Fuschl am See in Österreich betrug 2023 laut Konzernabschluss 10,55 Milliarden Euro, bei einem Gewinn von rund 2,4 Milliarden Euro. Das Marketingbudget lag bei 2,48 Milliarden Euro. Die Zahlen wachsen kontinuierlich, doch Geld alleine reicht natürlich nicht aus. Mateschitz war in Sachen Marketing seiner Zeit voraus, hatte sich die Extremsportarten ausgesucht, um die Marke Red Bull langsam aufzubauen und zu stärken.

Red Bull war neu, war hip, dabei auch ein bisschen waghalsig. Perfekt inszeniert für die junge Zielgruppe. Vorbildlich in den Mittelpunkt gerückt für Social Media, wenn es das damals schon gegeben hätte. Inzwischen nutzt man den Sport nicht mehr einfach nur als Marketing-Plattform, sondern dominiert ihn wie zuletzt in der Formel 1 durch die WM-Titel von Max Verstappen und Red Bull Racing und verändert ihn auch, wie im deutschen Fußball durch RB Leipzig.

So klug geht Red Bull vor

Für Schaffrath ist der umstrittene Klub mit seinem Durchmarsch seit 2009 von der Oberliga Nordost bis in die Bundesliga beziehungsweise Champions League ein Paradebeispiel dafür, "wie strategisch klug Red Bull das macht. Und manche ahnen, dass Rasen Ballsport Leipzig nur ein pfiffiges Etikett für Fußball-Nostalgiker darstellt und um noch geltende Normen wie Regeln der DFL einzuhalten", so Schaffrath.

Er ist davon überzeugt, dass irgendwann die noch bestehenden Vorbehalte für das Naming-Right an einem Klub im Fußball genauso fallen werden wie das bei den Stadionnamen oder auch in anderen Sportarten wie beispielsweise im Eishockey (Red Bull München) längst der Fall ist. "Red Bull ist zwar nicht der Erfinder solcher Entwicklungen, aber ein maßgeblicher Katalysator. Ein Vorreiter sozusagen, dem andere folgen werden", meint Schaffrath.

Zu Red Bull gehören auch tödliche Unfälle

Zum RB-Image mag zwar das Unkonventionelle, Ausgeflippte, Verrückte und Mutige gehören, im Fokus steht aber zu 100 Prozent der Erfolg, "aber ambivalent", wie Schaffrath betont, "denn es geht um sportlichen Erfolg genauso wie um ökonomischen Erfolg und umgekehrt. Angesichts der schon genannten Umsatz- und Gewinnmargen scheint das Konzept aufzugehen". Zur Wahrheit gehört aber auch, dass bei den Extrem-Events regelmäßig teils schwere Unfälle zu beklagen gibt, die manchmal sogar tödlich enden. Der Claim "Red Bull verleiht Flügel" klingt dann wie Hohn.

Zum Red-Bull-Konstrukt gehören aber auch gute Taten wie die Wings-for-Life-Stiftung, die 2004 von Mateschitz und dem zweimaligen Motocross-Weltmeister Heinz Kinigadner gegründet wurde, um die Rückenmarksforschung voranzutreiben. Der jährliche "World Run" der Stiftung brachte in diesem Jahr 8,1 Millionen Euro an Spenden ein.

Trotzdem ebbt die Kritik an den Sportaktivitäten von Red Bull und der Förderung von RB Leipzig nicht ab, sondern flammt wie jetzt bei dem Klopp-Deal wieder auf. Doch das ist aus Sicht des Experten "komplett realitätsfern. Das sind doch alles ähnliche Seiten derselben Kommerzialisierungsmedaille", sagt Schaffrath und erinnert daran, dass Klopps Ex-Klubs Borussia Dortmund und der FC Liverpool längst "mehr profitorientierte Wirtschaftsunternehmen denn Sportklubs sind".

Kein Platz für Romantik im Milliarden-Geschäft Fußball

Fußball sei ein globales Geschäft und Fußballer seien eine internationale Ware, die man, wenn der Preis stimme, verpflichten oder genauer kaufen könne, so Schaffrath. Und das gelte für Trainer wie Klopp ebenso, betont der Experte: "Im Milliarden-Business Fußball ist für echte Romantik genauso wenig Platz wie für verklärte oder geheuchelte." Deshalb mag die Klopp-Verpflichtung die Fußball-Welt geschockt haben. Für das Unternehmen Red Bull ist dieser Schritt nur ein logischer.

Über den Experten:

  • Prof. Dr. Michael Schaffrath leitet den Arbeitsbereich für Medien und Kommunikation am Department Health and Sport Sciences der Technischen Universität München. Die Forschungsschwerpunkte des Kommunikationswissenschaftlers sind Sportjournalismus, Sport-PR, Sport im Radio, Sportkommentierung im Fernsehen sowie Journalismus und Doping.

Verwendete Quellen:

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