Beim FC Bayern München war Ryan Gravenberch meist Reservist und wurde nach nur einer Saison verkauft. Nun ist er Stammspieler beim FC Liverpool und gewann die englische Meisterschaft. Hat der FC Bayern womöglich einen Fehler gemacht?

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Möglicherweise hätte der FC Bayern München auf Rafael van der Vaart hören sollen. Als sein niederländischer Landsmann Ryan Gravenberch beim FC Bayern nicht über die Rolle des Reservisten hinauskam, sagte van der Vaart in einer TV-Sendung von "Ziggo Sport": "Ryan Gravenberch ist in allem besser als Jude Bellingham!"

Diese Aussage sorgte im Frühling 2023 für Verwunderung, denn Bellingham war bei Borussia Dortmund der Unterschiedsspieler und stand kurz vor einem Wechsel zu Real Madrid. Gravenberch hingegen befand sich beim FC Bayern in der kompletten Bundesliga-Saison 2022/23 nur dreimal in der Startelf, weil Joshua Kimmich und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld gesetzt waren.

Liverpool-Trainer Slot machte aus Gravenberch einen Defensiv-Spezialisten

Die Konsequenz: Im Sommer 2023, nach nur einer Saison, ließ der FC Bayern den Niederländer für eine Ablöse von rund 40 Millionen Euro zum FC Liverpool ziehen. Heute dürfte der 22-Jährige das Doppelte wert sein. Gravenberch ist in Liverpool der Unterschiedsspieler. Am vergangenen Wochenende machte er mit dem Traditionsverein die englische Meisterschaft perfekt.

Eigentlich war Gravenberch mit seinen technischen Fähigkeiten und seiner Torgefahr prädestiniert für die Rolle des Box-to-Box-Spielers. In München gab es wenig Verwendung für ihn, weil Goretzka eine ähnliche Rolle einnahm. Doch in Liverpool wurde eine weitere Fähigkeit von ihm entdeckt – und zwar als defensiver Stabilisator.

Liverpool-Trainer Arne Slot lobt Gravenberch überschwänglich: "Was mich am meisten beeindruckt hat, als ich anfing, mit ihm zu arbeiten, war, wieviel er laufen kann und wie gut er dann noch ist, wenn er in den Zweikampf kommt. Er bringt alles mit für diese Position."

In der vergangenen Saison, als Jürgen Klopp Trainer in Liverpool gewesen ist, pendelte Gravenberch noch zwischen Ersatzbank und Startelf hin und her. Erst Slot erkannte das wahre Potenzial von Gravenberch und machte ihn zum Stammspieler.

"Letzte Saison habe ich nicht viel gespielt und jetzt spiele ich fast jedes Spiel", sagte Gravenberch in einem Interview, das auf der Vereinswebseite erschienen ist. "Zu Beginn der Saison musste ich mich an die neue Rolle, an die neue Position anpassen. Ich habe dort nicht viel gespielt, aber jetzt weiß ich, was ich tun muss. Der Trainer hat mir dort voll vertraut, also bin ich sehr zufrieden damit."

Der Wechsel von Amsterdam nach München war für Gravenberch schwierig

Gravenberch entsprang der Nachwuchsakademie des niederländischen Rekordmeisters Ajax Amsterdam und war Stammspieler der 1. Mannschaft, ehe er im Sommer 2022 für eine Ablöse von rund 18,5 Millionen Euro nach München wechselte.

"Ich bin in Amsterdam geboren und aufgewachsen, ich kannte jeden. Und dann gehst du in ein anderes Land und kennst niemanden. Es war schwierig, aber auch schön, aus der Komfortzone herauszukommen", sagt er rückblickend in einem Interview für den Youtube-Kanal des FC Liverpool.

"Damals habe ich nicht viel gespielt. Ich kam von Ajax, wo ich immer gespielt hatte. Und dann gehst du zu so einem großen Klub wie Bayern München und siehst all die anderen großen und guten Spieler. Du willst auch spielen, aber ich habe nicht viel gespielt. Das war ein bisschen schwierig", erzählt Gravenberch. "Ich habe in dieser Zeit viele Gespräche mit meinen Eltern geführt. Und sie haben mich beruhigt."

Was er damals in München gelernt hat? "Du musst immer bereit sein. Wenn man nicht viel spielt und nur eingewechselt wird, ist es schwierig. Ich habe teilweise vier oder fünf Spiele nicht gespielt. Und dann wird man für 20 Minuten eingewechselt und muss sich zeigen. Man muss voll bei sich bleiben. Das ist das Wichtigste."

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Ex-Bayern-Spieler Sadio Mané riet Gravenberch zum Liverpool-Wechsel

Zu seinen engsten Bezugspersonen in München zählte der damalige Bayern-Spieler Sadio Mané, der zuvor viele Jahre in Liverpool gespielt hatte. "Als ich noch in München war, habe ich ihn auch zu Liverpool befragt. Ich fragte ihn, ob Liverpool ein guter Schritt für mich wäre und wie der Klub so ist. Er sagte viele gute Dinge. Und dann bin ich gegangen."

Auch Klopp hatte großen Anteil daran, dass Gravenberch nach Liverpool ging. "Ich habe damals mit Klopp gesprochen. Er hat mir gesagt, dass meine Chancen kommen werden und ich dann bereit sein muss. Das blieb in meinem Hinterkopf." Zwar war Gravenberch unter Klopp noch kein Stammspieler, hatte aber unter ihm im Ligabetrieb bereits doppelt so viele Einsatzminuten (1.121) wie in der Saison zuvor beim FC Bayern (560 Minuten).

Spielertyp wie Gravenberch fehlt dem FC Bayern

Gut möglich, dass man in München den Verkauf von Gravenberch mittlerweile bereut. Beim deutschen Rekordmeister wurden ihm noch fehlende Defensiv-Qualität vorgeworfen. Im Sommer 2024, ein Jahr nach dem Weggang von Gravenberch, verpflichtete der FC Bayern für eine Ablöse von rund 51 Millionen Euro João Palhinha.

Dieser sollte als defensiver Stabilisator agieren, kommt beim FC Bayern aber nicht über die Rolle des Reservisten (nur sechs Startelf-Einsätze in der Bundesliga) hinaus. Gravenberch hingegen gilt mittlerweile als einer der besten Zweikämpfer und Balleroberer der Premier League.

Ein solcher Spielertyp täte dem FC Bayern momentan richtig gut. Aber die Vereinsführung hat eben nicht auf Rafael van der Vaart gehört.

Verwendete Quellen: