Das Spiel gegen Leipzig war ein spielerisches Ausrufezeichen der Bayern. Aber war es auch die Wende? Einige Anzeichen sprechen dafür.

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Abseits aller Folklore - der Hummels-Haare oder der Rummenigge-Mahnung für Thomas Müller - nimmt der FC Bayern nach der Partie gegen RB Leipzig vor allen Dingen eine Sache mit in die Winterpause: Der Rekordmeister kann es doch noch.

Das Spiel gegen Leipzig wurde zum Gratmesser ausgerufen - und das nicht zu Unrecht. Was, wenn die Bayern verloren hätten gegen den Aufsteiger? Im letzten Spiel des Jahres, zu Hause, unmittelbar vor der fulminanten Lasershow, die dieses trotz allem sehr erfolgreiche Jahr nochmals visuell verpackte? Und dann vier Wochen lang eine Tabelle hätten anstarren müssen, die so gar nicht nach dem Gusto des Rekordmeisters ausgesehen hätte?

So ist aber alles gut. Die Mannschaft hat den Beweis erbracht, dass sie in großen Spielen immer noch zu großen Leistungen fähig ist. Die Partie gegen Leipzig war das dritte wirklich wichtige Spiel in der abgelaufenen Vorrunde. Die anderen beiden Spiele bei Atletico (0:1) und in Dortmund (0:1) gingen verloren.

Das souveräne 3:0 gegen Leipzig erscheint schon fast wie eine Wiederauferstehung. "Wir wollten vor der Winterpause noch mal ein Ausrufezeichen setzen, das ist uns vor allem in der ersten Halbzeit gelungen", sagte Kapitän Philipp Lahm. Am Mittwoch waren die Bayern voll da, so wie man sie in den Spielen der Königsklasse kennt, wenn es in die K.o.-Runde geht. Und auch der Trainer hat vor einem sehr entscheidenden Spiel einige sehr entscheidende Maßnahmen getroffen.

Die Systemumstellung greift

Bereits Anfang Dezember, nach einer Serie von schlechten und auch einigen verlorenen Spielen, krempelte Ancelotti sein 4-3-3-System in ein verträglicheres 4-2-3-1 um. Der Mannschaft hat er damit wieder in jener Zone Impulse verliehen, die für das Spiel der Münchener essentiell ist. Durch einen Spieler mehr im Zentrum und eine klare Dreieckbildung zwischen dem zentralen, offensiven Mittelfeldspieler und den beiden nominellen Sechsern wirkt das Spiel der Bayern deutlich kreativer und ausbalancierter als zuvor.

"Die Idee war, dass Thiago zwischen den Abwehrlinien spielen sollte. Das hat er sehr gut gemacht. Er hatte die richtige Position auf dem Feld, und das half uns, gute Angriffe zu spielen", sagte Ancelotti nach dem Leipzig-Spiel.

Nicht zufällig war die Partie in Mainz, als die Bayern erstmals in einer veränderten Grundordnung begannen, so etwas wie ein kleiner Wendepunkt. Es hat auch gezeigt, dass einzelne Spieler in einer anderen Rolle wieder aufblühen. In Mainz war das Thomas Müller - und auch bei Thiago kann man seit einigen Wochen erkennen, wie gut dem Spanier die Umstellung tut.

Thiago blüht endlich auf

Thiago war nicht erst gegen Leipzig ein entscheidender Faktor. Der 25-Jährige hat die wohl beste Halbserie seiner Zeit bei den Bayern hinter sich. Und er hat auf der Zehn den zuvor gesetzten "Müller-spielt-immer"-Müller auf die Bank verdrängt.

Endlich füllt Thiago die legendäre "Thiago oder nix"-Forderung seines Ex-Trainers Pep Guardiola auch mit Leben. Denn derzeit geht ohne Thiago wirklich nix bei den Bayern. "Wenn du Spaß am Spiel hast, macht dich das besser. Es holt mehr aus dir heraus", sagt Thiago, und diese Sätze dürfen getrost für die gesamte Mannschaft gelten.

Die Bayern scheinen sich so langsam vom ehemaligen Übervater Guardiola zu emanzipieren. In den letzten Partien waren zwar immer noch viele Versatzstücke des Guardiola-Fußballs zu sehen. Die Einflüsse von Ancelotti schimmern aber immer kräftiger durch. Ein Tor gegen Leipzig fiel nach hohem Pressing und schnellem Umschalten, ein anderes nach einem langen Ball hinter die gegnerische Abwehrlinie. Und das 1:0 fiel nach einer choreographierten Rochade, quasi als Reminiszenz an Guardiola.

Mehr Individualität: Fluch oder Segen?

Nicht mehr das System allein trägt das bayerische Spiel. Unter Ancelotti kommen die individuellen Eigenarten der Spieler wieder eine Spur mehr zum Tragen. Das kann, wie in den letzten Spielen und insbesondere gegen Leipzig, ganz wunderbar funktionieren. Es kann aber eben auch gefährlich sein.

Die Bayern mit Arjen Robben auf dem Platz sind eine andere Mannschaft als ohne den Niederländer. Trotz des Thiago-Aufschwungs ist Robben derjenige, der den Unterschied ausmacht. Aber was, wenn der Niederländer mal wieder ausfällt?

Ab Februar wird es ernst für die Bayern, mit den Spielen gegen Arsenal in der Champions League beginnt jene Phase der Saison, die in den letzten drei Jahren trotz aller Meister- und Pokaltitel doch recht enttäuschend endete.

Dafür haben die Bayern Ancelotti geholt, denn dann schlägt die Zeit des "Mister". Das Spiel gegen Leipzig hat gezeigt, dass die Bayern auf den Punkt funktionieren können. Das Spiel, das wegen seiner besonderen Dramaturgie schon im Vorfeld weltweit für Aufsehen sorgte, war auch ein Zeichen an die internationale Konkurrenz.

Aber am Ende war es eben doch auch eine Partie gegen einen Aufsteiger, der einen schlimmen Tag erwischt hat und am Ende chancenlos war in München. Ganz so, wie es davor schon dutzenden anderen Mannschaften passiert war.

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