Die Bayern waren einmal der Komödienstadl der Liga. Dann kamen noch mehr Erfolge und eine Flut an Rekorden und der Boulevard wurde langsam entwöhnt. Jetzt schicken sich die Münchener offenbar an, wieder ein wenig vom alten FC Hollywood hervorzukramen. Oder etwa nicht?

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Wann das alles anfing? Vielleicht Ende der 1970er Jahre. Der FC Bayern München hatte soeben Pal Csernai entlassen. Der Trainer hatte es tatsächlich gewagt, Gerd Müller auszuwechseln. Der Bomber fand das nicht besonders gut, die Mannschaft schlug sich auf Müllers Seite und kurze Zeit später war Csernai weg.

Bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger war schnell Max Merkel auserkoren. Ein schwieriger Typ, aber eben auch ein Meistertrainer mit dem Lokalrivalen TSV 1860. Präsident Willy Neudecker und der Österreicher waren sich längst einig. Die Spieler hatten aber keine Lust auf Merkel, am Ende platzte der Deal und Neudecker trat entnervt als Bayern-Präsident zurück.

Seit über 40 Jahren dominieren die Bayern den deutschen Fußball und fast genauso lange unterhalten sie die Fans mit Skandalen und Skandälchen. Der Hoeneß-Breitner-Zoff in den 1980ern, Stefan Effenbergs offenes Krawallangebot an Trainer Jupp Heynckes ("Wollen wir vor die Tür gehen?") und die Klinsmann-Matthäus-Saga im Stile einer Soap Opera in den 1990ern.

Skandale und Skandälchen

Die restlichen 20 Jahre im Schnelldurchlauf: Giovanni Trapattonis Wutrede, Mario Baslers Pizza-Affäre, Lizarazus Watschn für Matthäus, Helmers Finger für Trainer Hitzfeld, dessen Seitensprung mit einer Brasilianerin und der des Kaisers auf der Weihnachtsfeier.

Rummenigges Dolchstoß gegen Hitzfeld ("Fußball ist keine Mathematik"), Hoeneß und die Scheiß-Stimmung in der Südkurve, Lahms rekordverdächtige Geldstrafe, Hoeneß' Frontalangriff in einer Live-Show gegen Trainer van Gaal und zuletzt noch Ribéry und Robben und ein paar Handgreiflichkeiten.

Dazu, gewissermaßen außer Konkurrenz: die dauerhafte Abteilung Attacke (Hoeneß), ein paar Gerichtsverhandlungen (Ribery, Hoeneß), eine rechtskräftige Verurteilung (Hoeneß) und Rummenigges Versäumnisse beim Zoll, Stichwort "Rolex-Affäre".

Der FC Bayern begreift sich ja als eine große Familie und innerhalb einer solchen Gemeinschaft geht es bisweilen auch mal deftig und hitzig zu. Und natürlich ist es nun auch so, dass sich Geschichten um und über die Bayern besser verkaufen lassen als jene über den SV Sandhausen oder Erzgebirge Aue.

Trotzdem war der FC Bayern immer auch ein amüsanter Komödienstadl, für den sich irgendwann der ebenso schmissige wie zutreffende Kosename FC Hollywood fand.

"Zeiten des FC Hollywood sind passé"

Der Klub der großen Erfolge war auch jener der großen Folklore. Das konnte in den letzten drei, vier Jahren fast schon in Vergessenheit geraten. So brav und lammfromm eilte die Mannschaft von Sieg zu Sieg und Trophäe zu Trophäe. Selbst die Dauerkrise um den ehemaligen Präsidenten Hoeneß konnte dem nichts anhaben.

Der Zirkus war zwar immer mal wieder ein bisschen in der Stadt, oder besser: an der Säbener Straße, die Rekord-Bayern mit ihren Rekord-Zahlen und den Rekord-Umsätzen waren medial aber stets stärker vertreten als die eine oder andere Boulevardgeschichte.

Zu imposant waren die Leistungen der Mannschaft, die mit ihrem Fußball sogar bei jenen für zustimmendes Kopfnicken sorgte, die gemeinhin wenig mit den Bayern anfangen konnten.

Auf der Jahreshauptversammlung 2015 legte sich der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge dann auch darauf fest, dass es wieder "eine sehr gute Saison" zu bilanzieren gebe und weiter: "Der FC Bayern hat wieder ein harmonisches, ruhiges, sympathisches Auftreten, das uns gut zu Gesicht steht. Die Schlagzeilen werden auf dem Platz geschrieben, die Zeiten des FC Hollywood sind passé - und ich finde das auch gut so."

Alles halb so schlimm

Das ist jetzt gute zwei Monate her. Seitdem sind einige Dinge passiert, die man nicht ohne weiteres in einen direkten Zusammenhang mit "harmonisch, ruhig, sympathisch" setzen würde. Stattdessen hat man doch eher die Wiederauferstehung des FC Hollywood vor Augen.

Die vielen Verletzungen und der überraschende Zukauf des Kleinkalibers Serdar Tasci sind das eine. Der Guardiola-Abgang mit seinen Begleitumständen, die Katar-Reise, der Sponsoren-Deal mit dem Flughafen Doha, die Maulwurfaffäre und ganz frisch die Irritationen um Arturo Vidal samt fuchsiger Pressekonferenz von Matthias Sammer sind das andere.

Momentan bekommt man einen Eindruck davon, was so alles los sein kann bei den Bayern - und was in den letzten Jahren kaum noch zu vernehmen war. Es gibt nicht wenige, die befürchten einen Rückfall in längst vergessen geglaubte Zeiten. Das Rumoren im Klub ist in der Tat größer geworden.

Aber im Vergleich zu früher, zu der Zeit ohne Smartphones und Selfies? Ist das fast nichts. Was damals ans Tageslicht kam, war allenfalls die Spitze des Eisbergs. Heute wird jede noch so kleine Abweichung von Norm und Regeln sofort dokumentiert und elektronisch in die Welt hinausposaunt.

Das sollte man bei aller berechtigter Kritik und vielleicht auch Schadenfreude über die unruhigen Tage in München nicht vergessen.

Der "echte" FC Hollywood bleibt wohl vorerst unerreicht. Und bald kommt ja auch der Patron wieder zurück. Uli Hoeneß könnte in naher Zukunft wieder Präsident werden - und mit einem Hoeneß in eben jeder Funktion wäre das alles erst gar so weit gekommen, sagen einige.

Worauf die Gegenseite antworten könnte: Mit dem Übervater Hoeneß an der Spitze erlebte der FC Hollywood aber auch seine besten Tage…

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