Der Spielabbruch bei der Partie zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund erhitzt noch immer die Gemüter. Schiedsrichter Felix Zwayer schickte beide Mannschaften für neun Minuten vom Platz, weil Leverkusen-Trainer Roger Schmidt den Innenraum nicht verlassen wollte. Der ehemalige Bundesliga- und WM-Schiedsrichter Bernd Heynemann erzählt im Interview mit unserer Redaktion, warum der Umgang mit den Trainern so schwierig ist.
Herr Heynemann, hat Felix Zwayer beim Spiel in Leverkusen Ihrer Meinung nach richtig oder falsch gehandelt?
Bernd Heynemann: Grundsätzlich war er völlig im Recht. Aber er hätte selber zu Roger Schmidt gehen und ihn auf die Tribüne schicken sollen. Dann wäre er vermutlich gegangen.
Ist der Umgang mit den Trainern für die Schiedsrichter in den vergangenen Jahren schwieriger geworden?
Die Situation ist unverändert geblieben. Das Problem ist, dass die Präsidenten und die Fans den Trainer danach beurteilen, wie aktiv er an der Bank ist. Er bringt sich an der Seitenlinie ein und versucht, die Mannschaft zu pushen. Die Coachingzone wurde eingeführt, damit der Trainer eingegrenzt ist. Zudem wurde der vierte Offizielle ins Spiel gebracht, um für Ruhe in der Coachingzone zu sorgen.
Haben diese Maßnahmen etwas bewirkt?
Die vierten Offiziellen können die Situation durchaus beruhigen. Zudem ist es positiv, dass der Trainer aufgrund der Coachingzone nicht mehr von Eckfahne zu Eckfahne rennen kann. Aber jetzt rennt der Trainer eben halt in der Coachingzone wild hin und her. Ansonsten gilt er als kein guter Trainer.
Wobei das sicherlich ein Irrtum ist.
Es hat genügend Trainer gegeben, die völlig ruhig auf der Bank saßen und trotzdem erfolgreich waren. Das Herumgehampel bringt oft eh nichts. Ich erinnere mich, dass ich ein Spiel in Dortmund vor 80.000 Zuschauern gepfiffen habe und Ottmar Hitzfeld an der Seitenlinie wild gestikulierte. Daraufhin kam Andreas Möller zu mir und sagte: "Kannst du ihm mal bitte sagen, er soll ruhig sein. Wir verstehen ihn ohnehin nicht und wissen gar nicht, was er meint." In einem vollen Stadion kriegt ohnehin kein Spieler während des Spiels mit, was der Trainer da draußen macht - außer natürlich während einer Spielunterbrechung.
Zurück zum Verhältnis zwischen Schiedsrichtern und Trainern. Welche Methoden wenden die Trainer an, um die Unparteiischen zu beeinflussen?
Letztendlich wollen die Trainer immer Recht haben. Sie gehen zum vierten Offiziellen und sagen beispielsweise: "Hast du das gesehen? Das war doch ein klarer Strafstoß." Stimmt der vierte Offizielle zu, hat er sich fangen lassen. Stattdessen sollte er dem Trainer sagen, dass er sich beruhigen und wieder hinsetzen soll. Früher musste sich noch der Schiedsrichter mit dem Trainer auseinandersetzen. Dank des vierten Offiziellen ist er völlig raus aus dem Geschehen.
Wovon lassen sich Schiedsrichter eventuell beeinflussen?
Wer in der Bundesliga pfeift, lässt sich nicht beeinflussen und zieht seine Linie durch.
Kann es nicht doch passieren, dass ein Schiedsrichter in strittigen Situationen zugunsten des Trainers pfeift, der sich offenbar ungerecht behandelt fühlt und ständig meckert?
Die Frage ist, inwiefern der Schiedsrichter die Hampelei an der Seitenlinie überhaupt mitbekommt. Man hat sich auf das Spiel zu konzentrieren. Würde der Schiedsrichter zum Trainer schauen, verpasst er vielleicht eine wichtige Spielsituation. Zudem ist man von einer lauten Kulisse mit 50.000 oder 60.000 Zuschauern umgeben. Der Schiedsrichter nimmt den Trainer höchstens wahr, wenn sich eine Spielsituation in dessen Nähe abspielt. Ansonsten ist der vierte Offizielle der Blitzableiter.
Und inwiefern lässt der sich vielleicht beeinflussen? Die vierten Offiziellen sind häufig sehr junge Schiedsrichter.
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Die vierten Offiziellen sind oft junge Leute, die an die Atmosphäre im Stadion herangeführt werden sollen. Andererseits ist es hilfreich, wenn sie Erfahrung mitbringen und sich einen Namen gemacht haben. Wenn der Trainer weiß, der Schiedsrichter hat bereits 50 Bundesligaspiele gepfiffen, ist einfach mehr Respekt vorhanden.
Sind Trainer wie Louis van Gaal, die oft 90 Minuten regungslos auf der Bank sitzen, ein Segen für die Schiedsrichter?
Grundsätzlich sind solche Trainer angenehm, weil sie keine Hektik in das Spiel bringen. Früher war es aber häufig so, dass diese Leute ihren Co-Trainer vorgeschickt haben. Hat dieser zu viel Theater gemacht, musste der Co-Trainer auf die Tribüne und der Trainer war fein raus. Das war praktisch ein Rollenspiel. Aber wie gesagt: Heute wird einfach erwartet, dass der Cheftrainer aktiv ist. Das Umfeld bewertet nicht die Arbeit, die der Trainer von Montag bis Freitag leistet. Stattdessen zählt die Arbeit, die er in den 90 Minuten erbringt.
Sind die Trainer im Amateurfußball genauso schwierig? Oder besteht das Problem lediglich im Profifußball, wo viel Geld im Spiel ist?
Ich spiele selber in der Altherren-Kreisklasse und weiß aus Erfahrung, dass es dort genauso ist. Auch dort wollen die Trainer zeigen, dass sie mit ihrer Mannschaft gut gearbeitet haben. Jede Entscheidung, die der Schiedsrichter gegen sie fällt, wird als Angriff auf die Persönlichkeit empfunden. Das kann sich schnell hochschaukeln.
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