Entscheidungen, die mit dem Videobeweis korrigiert werden, könnten in der Bundesliga bald mit Live-Bildern und Durchsagen in den Stadien erklärt werden. Die DFL will die Stadiondurchsagen noch in dieser Saison testen. Doch kann das klappen? Ein Pro und Contra.

Meine Meinung
Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Michael Schleicher und Julian Münz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Pro: Mehr Offenheit sorgt für weniger Diskussionen

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von Michael Schleicher

Der VAR in der Bundesliga, er bleibt ein leidiges Thema. Kaum ein Spieltag vergeht, an dem es keine Diskussionen um den Unparteiischen, seine (Nicht-)Entscheidungen und eben den Videoschiedsrichter geht. Aufgebrachte Fans, die sich über den Schiri beschweren, gehören mittlerweile ebenso zum Bundesliga-Alltag wie Tore und Zweikämpfe. Leider. Denn mit echter Emotionalität, von der der Fußball ja lebt, hat das nichts zu tun.

Die DFL jedenfalls scheint keine Lust mehr auf dieses Dauerproblem zu haben und möchte etwas ändern – endlich (!) möchte man den Verantwortlichen da fast schon zurufen. Was sich zunächst wie eine große Neuerung anhört, ist beim zweiten Hinhören dann doch gar nicht so revolutionär. Und das ist gut so.

Denn die Durchsagen des Schiedsrichters nach einer VAR-Entscheidung sind im Prinzip nichts anderes als die Einblendungen auf den Videoleinwänden der Stadien, die es jetzt schon gibt. Nur eben mit dem Unterschied, dass die Schiedsrichterentscheidung jetzt noch akustisch unterstrichen und gegebenenfalls sogar erklärt werden soll.

VAR-Entscheidung
So werden Schiedsrichterentscheidungen nach Ansehen der Videobilder bislang im Stadion kenntlich gemacht. Viel Einordnung gibt es da nicht. © IMAGO/VolkerEssler/SVEN SIMON

Die kleine Neuerung könnte im Idealfall große Folgen haben: Denn durch die Stadiondurchsagen könnten die VAR-Entscheidungen, die für Fans bislang häufig undurchschaubar sind, transparenter und vielleicht ja sogar nachvollziehbarer werden und dadurch für weniger Diskussionen sorgen, damit der Fokus am Spieltag endlich wieder auf schönen Toren und hart geführten Zweikämpfen liegt. Es wäre der Bundesliga und dem deutschen Fußball zu wünschen.

Contra: Diese Idee klingt nur auf dem Papier gut

von Julian Münz

Es ist die neueste Idee, um der eher enttäuschenden Geschichte des Videobeweises endlich zu einem Happy End zu verhelfen: Laut DFB-Schiedsrichter-Chef Knut Kircher sollen strittige VAR-Entscheidungen zukünftig den Zuschauern im Stadion mit Durchsagen und langfristig sogar mit Bewegtbildern erklärt werden. Mehr Information für die Zuschauer bedeutet weniger Wut über die Entscheidungen, so die Hoffnung.

Auf den ersten Blick klingt das nach einem guten Plan, um den Videobeweis bei Zuschauern ein bisschen besser zu vermarkten. Und in anderen Sportarten, etwa dem American Football, hat sich dieses Konzept ja auch bewiesen. Das Problem: Das Publikum beim Fußball ist ein anderes als im US-Sport. Es ist leidenschaftlich und betont subjektiv. Dass die Emotionen überkochen, gehört zum Stadionalltag dazu. Gute Argumente vom Schiedsrichter werden da nicht helfen.

Dazu kommt ein entscheidendes Problem: Viele Regeln im Fußball, etwa das Handspiel, bieten weite Grauzonen – daran ändert auch der Videobeweis nichts. Wie werden die beim Thema VAR sowieso schon kritischen Fans reagieren, wenn sie live im Stadion sehen, mit welch oscarreifen Fallübungen die Spieler den Schiedsrichter in Zeiten des Videobeweises vom Elfmeterpfiff überzeugen? Wahrscheinlich nicht mit mehr Verständnis.

Und so klingt die Idee, VAR-Entscheidungen einfach noch mehr zu erklären, lediglich auf dem Papier gut. Der Gedanke, mit ein paar Zeitlupenaufnahmen die Frage "Foul oder nicht Foul?" beziehungsweise "Handspiel oder kein Handspiel" zweifelsfrei beantworten zu können, bleibt weiterhin ein Irrglaube. Nicht zuletzt der Elfmeter beim Sieg des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach – einer der Marke "kann man geben, sollte man aber nicht" – zeigen diese Grenzen immer wieder neu auf.

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