Der Transfermarkt schließt am Freitagabend. Vor dem Wechsel-Endspurt sprachen wir mit Spielerberater Ali Bulut über Millionenpoker bei einem Kaffee, Entscheidungen auf den letzten Drücker - und zwei geplatzte Transfers des FC Bayern.
Herr Bulut, an diesem Freitag ist Transferschluss. Hektische Stunden, oder?
Ali Bulut: Die Vereine und Berater sind natürlich vorbereitet. Aber: Manche Transfers laufen bis kurz vor Schluss. Weil Spieler Alternativen haben, weil sie hoffen, dass es woanders klappt. Manche Spieler und Berater warten aus taktischen Gründen, dann verletzt sich noch jemand und ein Verein muss kurzfristig reagieren. Das ist in diesen Tagen schon heftig.
Transfermarkt: Es gibt kein Monopoly
Ein Transfer-Gefeilsche wie bei Monopoly?
Nein, nicht bei allen. Wenn ein Klub einen Spieler unbedingt möchte und der Spieler unbedingt dorthin wechseln will, gibt es kein Monopoly. Von Fall zu Fall wird auch mal gefeilscht. Es können auch Leihgeschäfte dazwischenkommen, weil ein Spieler nicht oft spielt und ein anderer Verein ihn gerne haben würde.
Um welche Vertragsdetails geht es im Winter? Mindesteinsätze? Prämien?
Für die Vereine geht es zumindest weniger um das Geld, das sie ausgeben. Für die Klubs ist dann entscheidend, ob der Spieler, den sie auf den letzten Drücker holen, ihnen direkt weiterhilft. Wenn ein Wunschdeal nicht klappt, müssen die Klubs schnell nach Alternativen suchen.
Bundesliga-Transfer im Januar? "Zur Not wartet man bis Sommer"
Was ist mit den Spielern? Sie brauchen Einsätze, wegen ihrem Marktwert.
Wissen Sie, jeder arbeitet da anders. Wenn ein Spieler ein halbes Jahr nicht gespielt hat, muss es einen Grund dafür geben. Vielleicht reicht die Qualität einfach nicht. Ich habe noch nie einen Spieler gedrängt. Wegen eines schlechten halben Jahres sollte man nicht aufgeben.
Man muss mit dem Spieler reden, mit dem Verein, warum es nicht läuft, woran es hängt, Lösungen suchen und nicht auf die Schnelle in Aktionismus verfallen. Zur Not wartet man bis Sommer und macht einen vernünftigen Transfer.
Wie laufen die Verhandlungen ab: WhatsApp-Nachrichten? Sitzen Sie ständig im Flieger?
Ich telefoniere lieber, rufe den Klub an, mache einen Termin aus. Ich brauche persönliche Gespräche vor Ort, fliege auch mal kurzfristig wohin. Ich schaue meinem Gesprächspartner gerne in die Augen – welche Mimik hat er, was denkt er. Genauso wichtig ist es mir, nicht nur mit dem Manager zu reden, sondern auch mit dem Trainer, wie er sich das mit meinem Spieler vorstellt.
Transfer geplatzt: Fußballer wollte nicht in Aue leben
Es geht auch um den Privatmensch. Gegebenenfalls muss ein Fußballer in einer Transferperiode kurzfristig eine Stadt wechseln, ein ganzes Land, sein gewohntes Umfeld.
Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Der eine braucht seine Familie und Freunde um sich herum, der andere sagt: "Es ist gut, wenn ich mal ein paar Hundert Kilometer weg bin, da kann ich mich auf den Fußball konzentrieren." Bei Leihgeschäften ist das weniger entscheidend.
Wenn ein Spieler aber für drei, vier Jahre unterschreibt, muss man all das besprechen. Als Berater muss man sich in den Spieler hineinversetzen, wie denkt er wirklich, was fühlt er. Man lernt, Gedanken zu lesen: Mancher Spieler wirkt bei Verhandlungen mit einem Klub gedanklich weit weg und nicht überzeugt, auch wenn der Verein alles getan hat, um ihn zu holen.
Welche Fragen stellen Ihre Spieler Ihnen: Geht es auch um Lebensqualität in der Stadt?
Das ist sehr wichtig. Ich hatte einen konkreten Fall: Ein Spieler hätte nach Aue in die 2. Liga gehen können, er hätte dort das Dreifache verdient, hat aber zu mir gesagt: "Ich kann dort nicht leben." Er ist lieber eine Etage tiefer gegangen und hat für viel weniger Geld gespielt.
Wegen Benjamin Henrichs: "Ich habe mit Bayern München gesprochen"
Sie hatten auch Transfer-Verhandlungen mit dem FC Bayern, als es um Ihren damaligen Spieler
Viele Vereine waren an Benjamin Henrichs interessiert. Ich war bei Manchester City, ich habe mit Bayern München gesprochen, mit RB Leipzig und Atlético Madrid. Die ganzen Italiener waren hinter ihm her.
Aber: Wenn Sie einen Spieler kennen, seit er elf, zwölf Jahre alt ist, müssen Sie wissen, was Sie dem Jungen zumuten können und was nicht. Nach dem Confed-Cup habe ich ihm gesagt: Werde richtiger Nationalspieler, entwickle Dich zwei, drei Jahre, dann kannst Du den nächsten Schritt machen. Er hat sich anders entschieden.
2016 hatten Sie einen unterschriftsreifen Vertrag der Bayern für Henrichs vorliegen.
Damals waren sich beim letzten Gespräch mit dem Klub beide Seiten einig, dass er in seinen Leistungen nachgelassen hatte und es keinen Sinn ergeben hätte, nach München zu gehen.
"Uli Hoeneß war fair, geradeaus und anständig"
Sie haben mit Ex-Bayern-Boss
Das war zu Zeiten von Stefan Kießling, als Hoeneß Manager war. Wir haben bei einer Tasse Kaffee miteinander gesprochen. Hoeneß hat damals, 2006, gesagt, dass Lukas Podolski und Stefan Kießling (Buluts damaliger Klient, Anm. d. Red.) den Sturm bilden sollen. Stefan war damals noch sehr jung und einfach nicht der Typ dafür.
Wenn Du zu Bayern München gehst, musst Du die Ellenbogen einsetzen können. Dort sind alle Spieler Ich-AGs. Ich habe Herrn Hoeneß gebeten, dass Stefan noch nicht so weit ist. Später wollte er Stefan wieder, doch dann hat der damalige Trainer Jürgen Klinsmann ein Veto eingelegt.
Hoeneß gilt gemeinhin als hemdsärmelig. Wie war er in den Verhandlungen?
Fair, geradeaus, offen, anständig und respektvoll.
"Es hört nie auf"
Abschließend: Atmen Sie am Samstag, 1. Februar, erstmal durch?
Nein, nein, nein. Ganz ehrlich: Das hört nie auf. Ich plane die nächste Saison immer langfristig, spreche mit den Vereinen, welches Standing ein Spieler hat. Im Januar, Februar und März werden normalerweise die Sommer-Transfers gemacht.
Dann muss der Spieler den Umzug planen, eine passende Wohnung muss gefunden werden. Geht er alleine? Hat er Kinder? Gehen seine Mutter und sein Vater mit? Es müssen passende Versicherungen gemacht werden und so weiter. Es hört nie auf.
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