Der BVB-Buhmann blühte in Lissabon auf. Über Julian Brandts Körpersprache und Effizienz lässt sich streiten, doch die Kritiker verfehlen den Kern des Problems.
Borussia Dortmund steckt in einer sportlichen Krise. Ja, am Dienstagabend feierte der BVB einen 3:0-Sieg bei Sporting Lissabon im Hinspiel der Champions-League-Playoffs. Doch insgesamt bleiben die Borussen in der Saison 2024/25 bislang weit hinter den Erwartungen zurück.
In der Bundesliga steht Dortmund nach zwei Dritteln der Saison auf Platz elf hinter Klubs wie Mainz und Bremen. Das mit teuren Stars gespickte Team droht ins Mittelmaß abzurutschen, in der Champions League muss der BVB nach einem tollen Start in die Ligaphase nun doch die Ehrenrunde über die Playoffs drehen. Und die Qualifikation für die Königsklasse der kommenden Saison wäre nach aktuellem Stand ein schwarzgelbes Wunder.
Schon Sahin kritisierte Brandt öffentlich
Ein Gesicht dieser Krise ist
Auch
Matthäus, der in jungen Jahren wie Brandt im Mittelfeld agierte, sagte weiter: "Die Entwicklung ist bei Brandt stehen geblieben. Gerade von ihm [...] erwarte ich eigentlich schon, dass er nach sechs, sieben Jahren Borussia Dortmund irgendwo auch mal das Heft über einen längeren Zeitraum in die Hand nimmt".
Bayern-Wechsel scheiterte wohl an Mentalität
Für 25 Millionen Euro war Brandt 2019 von Leverkusen nach Dortmund gewechselt. Brisant: Schon damals nahm der FC Bayern angeblich Abstand von einer möglichen Verpflichtung des Jungstars – angeblich gab es an der Säbener Straße Zweifel an der Konstanz in Brandts Leistungen.
Außerdem hieß es, die Bayern-Bosse seien sich nicht sicher, ob Brandt die "Mia san Mia"-Mentalität habe, was immer das bedeuten mag. BVB-Fans lachten die Berichte damals als Münchner Neid weg.
Doch auch in der Dortmunder Kabine soll es laut "Bild" mittlerweile Vorbehalte gegen Brandts mangelnde Effizienz geben – demnach gebe es BVB-intern Diskussionen über die mangelnde Torgefährlichkeit im Dortmunder Mittelfeld, das derzeit von Brandt, Pascal Groß und Marcel Sabitzer bespielt wird.
Brandts Scorer-Ausbeute ist Indiz einer stagnierenden Entwicklung
Das Gesicht der internen und externen Kritik ist dabei meist Brandt, wohl auch, weil der 28-Jährige der vielleicht talentierteste zentrale Mittelfeldspieler im Dortmunder Kader ist. Doch sind die harten Worte derzeit gerechtfertigt oder wird der wahre Wert von Julian Brandt verkannt?
Die Zahlen der aktuellen Saison sprechen auf den ersten Blick nicht für ihn. In 28 Pflichtspielen hat er vier Tore erzielt und zehn Assists geliefert. Besonders seine Abschlüsse stehen in der Kritik: In der Bundesliga führten 75 Schüsse von Brandt zu nur acht direkten Torbeteiligungen. Zum Vergleich: In der Vorsaison waren es 76 Schüsse mit 18 Torbeteiligungen – ein klarer Rückgang in der Effizienz.
Brandt äußerte sich nach der Entlassung von
Zwei Assists gegen Sporting: Trendwende oder Zufall?
Beim Sieg über Sporting Lissabon schien aber plötzlich alles anders, Brandt konnte entscheidend zum Sieg beitragen. Seine lange Flanke auf Serhou Guirassy zum 1:0 war perfekt getimt, ebenso sein Doppelpass mit Karim Adeyemi vor dem 3:0. Dennoch tauchte er – wie die meisten seiner Teamkollegen – in den ersten 60 Minuten immer wieder ab, war nicht bissig genug in den Zweikämpfen und konnte neben seinen Torbeteiligungen kaum spielerische Glanzpunkte setzen.
Eine Partie, die symptomatisch ist für Brandts Spielweise: Er taucht phasenweise ab, lässt die Schultern auch mal hängen, kann aber mit wenigen Aktionen ein Spiel entscheiden. Das amerikanische Portal "SB Nation" fasste Brandts Leistung von Lissabon treffend zusammen: "Nicht sein bestes Spiel, aber er lieferte zwei Assists und das macht den Unterschied".
Der Blondschopf als kreatives Genie, dem immer wieder mangelhafte Körpersprache vorgeworfen wird – in dieser Hinsicht ist Mittelfeldspieler Brandt eben eher ein Mesut Özil als ein Bastian Schweinsteiger.
Wird Brandts Wert verkannt?
Trotz seiner Funktion als Dortmunder Vize-Kapitän ist Brandt kein klassischer Führungsspieler, der durch Aggressivität oder Zweikampfhärte auffällt. Seine Stärken liegen in seiner Kreativität, dem Spielwitz und seinen fantastischen technischen Fähigkeiten.
In einer funktionierenden Mannschaft kann er als Verbindungsspieler zwischen Mittelfeld und Angriff brillieren, doch in einer verunsicherten Truppe wie dem aktuellen BVB gerät seine unkonstante Spielweise schnell in den Fokus der Kritik.
Sein Einfluss auf das Dortmunder Offensivspiel bleibt dennoch unbestritten. Seit seinem Wechsel 2019 von Bayer Leverkusen hat er in 244 Pflichtspielen 44 Tore erzielt und 60 weitere vorbereitet. Gerade in der vergangenen Saison war er mit zehn Toren und 16 Assists in 47 Spielen einer der wenigen Lichtblicke bei Schwarzgelb.
Kritiker wie Matthäus wünschen sich von Brandt mehr Konstanz und eine dominantere Rolle, doch das entspricht nicht seinem Stil. Seine Leistung gegen Sporting zeigt dennoch, dass er auch in kritischen Momenten liefern kann – wenn er das richtige Umfeld hat.
Die Kritik von Matthäus greift zu kurz
Die Kritik an Brandt ist nicht unbegründet, aber sie greift zu kurz. Er ist kein Mentalitätsspieler wie Emre Can oder ein eiskalter Vollstrecker wie Guirassy. Doch seine Qualitäten im Spielaufbau und seine Spontanität unter Gegnerdruck sind für Dortmunds Offensivspiel unersetzlich.
Sollte es Niko Kovac gelingen, dem BVB wieder Stabilität zu verleihen, könnte Brandt erneut aufblühen. Der Sieg in Lissabon war ein erster Schritt in diese Richtung. Es bleibt abzuwarten, ob Brandt aus der aktuellen Kritik die richtigen Schlüsse zieht – und ob er seinen Kritikern beweisen kann, dass er weit mehr ist als ein ewiges Talent.
Verwendete Quellen
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