Nach dem katastrophalen Start in die Rückserie werden die Rufe nach neuen Spielern bei Borussia Dortmund immer lauter. Der BVB reagiert bisher aber immer noch nicht mit frischem Personal - und droht deshalb mehr als "nur" seine sportlichen Ziele zu verpassen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Sieben Tage, drei Niederlagen, Tabellenplatz zehn: Es brennt lichterloh bei Borussia Dortmund, die Lage ist dramatisch und einmal mehr zeichnet sich ein Schicksalsspiel für einen BVB-Trainer ab. Nuri Sahin muss um seinen Job bangen, die Champions-League-Partie beim FC Bologna wird offenbar über das Wohl und Wehe Sahins als Cheftrainer entscheiden.

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Wobei: So ganz genau weiß man das in diesen Tagen in Dortmund auch nicht. Ein klares Vertrauensbekenntnis war zuletzt von Sportdirektor Sebastian Kehl zu hören, etwas anders ordnet dessen Vorgesetzter Lars Ricken die Lage ein. Man ist sich offenbar uneins darüber, wie mit Sahins Zukunft zu verfahren ist.

Ob ein Sieg in Bologna - ungeachtet der spielerischen Darbietung der Mannschaft - schon ausreichen soll, um die Wogen etwas zu glätten? Oder ob selbst eine Niederlage oder ein Remis Sahin nichts anhaben könnte, weil die Entscheidungsträger noch immer von den Ideen und der Kraft ihres Trainers überzeugt sind und den eingeschlagenen Weg weitergehen wollen?

Wie die Mannschaft auf dem Platz, zeigt sich auch die Dortmunder Führungsriege in kleine Grüppchen aufgeteilt, einen Konsens in den wichtigen sportlichen Fragen sucht man vergebens. Besonders krass dokumentiert sich das beim Thema Transfers.

Einige Namen, nichts Konkretes

Seit dem 1. Januar ist die Wechselperiode offiziell geöffnet, in den knapp drei Wochen seitdem hat sich die Klubführung aber noch zu keiner einzigen Entscheidung auf der Einkaufsseite durchringen können. Dabei sind die Probleme seit Monaten bekannt: Zu klein, qualitativ zu schlecht und auf einigen Positionen mangelhaft besetzt kommt der über 200 Millionen Euro teure Kader daher.

Die Probleme im sportlichen Bereich türmen sich mittlerweile gewaltig auf, interne, inhaltliche Lösungen hatten bisher eine sehr geringe Halbwertszeit. Externe Impulse sind deshalb unerlässlich, soll die immer kleiner werdende Chance auf das Erreichen der lebenswichtigen Champions League noch irgendwie gewahrt werden. Nur: Es tut sich so gar nichts beim BVB.

Namen wurden und werden zwar seit einiger Zeit immer wieder gehandelt, eine stringente Idee oder ganz konkrete Ansatzpunkte sind bei der Suche nach frischem Personal aber nicht zu erkennen. Renato Veiga vom FC Chelsea könnte für die Innen- oder Außenverteidigung kommen. Carney Chukwuemeka gilt als Kandidat für das defensive Mittelfeld. Auch er steht beim FC Chelsea unter Vertrag.

Beide Spieler wären aber offenbar "nur" für eine Leihe zu haben, eventuell mit einer anschließenden Kaufoption. Schon im vergangenen Winter reagierte die Borussia in der kurzen Spielpause mit den Leihen von Jadon Sancho und Ian Maatsen, um die Versäumnisse des Sommers aufzufangen. Beide Spieler wurden zu kurzfristigen Hilfen, haben den BVB aber längst auch schon wieder verlassen.

Auch deshalb stellt sich in diesen Tagen einmal mehr die grundsätzliche Frage, ob neue Spieler in erster Linie die veritablen Löcher im Kader stopfen sollen oder Teil einer langfristigen Planung sind. Das Zögern und Zaudern der Verantwortlichen droht zum Problem zu werden.

Borussia hat sich verzockt

Der Plan, mit einem deutlich verschlankten Kader in eine Saison zu gehen, die wegen der Klub-WM ohnehin nicht mit dem letzten Bundesliga-Spieltag oder einer erneuten Finalteilnahme in der Königsklasse, sondern erst Anfang oder Mitte Juli endet, ist gründlich schiefgegangen. Die Borussia hat sich damit verzockt und muss nun auf mindestens zwei, eher drei Positionen nachbessern.

Ein Außenverteidiger wird dringend gesucht und eigentlich auch einer für das Abwehrzentrum. Dazu fehlt - seit Jahren schon - ein strategischer Lenker im defensiven Mittelfeld, der Kreativität mit Pressingresistenz paart. Und mittlerweile auch noch ein Ersatz für Donyell Malen.

Dessen Abgang hatte sich nicht erst seit vorgestern angedeutet, sondern überspitzt formuliert schon in den letzten beiden Transferfenstern. Nun ist der Verkauf des Niederländers mit Aston Villa abgewickelt - eine echte Alternative für Malen aber nirgendwo in Sicht. Der vor einigen Wochen mal gehandelte Marcus Rashford wurde eigentlich schnell wieder zu den Akten gelegt, weil weder das Profil noch der finanzielle Rahmen für einen Spieler dieser Kategorie passten. Jetzt soll Rashford intern aber doch wieder zumindest ein Thema sein.

Ist der BVB wirklich gut vorbereitet?

Das Hin und Her passt so gar nicht zu den üblichen Floskeln, die man aus der Klubzentrale hört. "Wir sind gut vorbereitet […] Unsere Scouting-Abteilung macht einen top Job, kennt jeden Spieler auf der Welt. Wir wären bereit. Wir werden aber nur was machen, wenn wir dadurch auch besser werden. Es gibt keinen Aktionismus!" So formulierte Sahin vor dem Start in die Rückserie die totale Bereitschaft, auf jedwedes Szenario vorbereitet zu sein.

Nach dem komplett missratenen Start ins neue Jahr und dem brutal forcierten Druck auf alle Beteiligten sollten die vorbereiteten Maßnahmen spätestens ins Rollen kommen. "Aktionismus" wären gleich mehrere Zukäufe jedenfalls definitiv nicht mehr. Sondern das dringend benötigte Mittel zu einem Zweck: Diese Spielzeit nicht in einer sportlichen Katastrophe enden zu lassen.

Der BVB steckt in der Krise. Was, glauben Sie, läuft falsch bei Borussia Dortmund? Hilft die Entlassung des Trainers Nuri Sahin weiter? Oder gibt es andere Gründe für das Formtief?

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Das Erfolgsmodell wankt

Seinen guten Ruf, eine der ersten Anlaufstellen für sehr junge, sehr hochbegabte Spieler zu sein, die sich auf einem Top-Niveau zeigen und entwickeln können (siehe z.B. Jude Bellingham oder Erling Haaland), droht der BVB aktuell gehörig zu ramponieren und vielleicht sogar zu verspielen.

Bayer Leverkusen griff zuletzt einige Akteure in diesem Segment ab, die Bayern pumpen ihren Campus mit Talenten aus aller Welt voll, RB Leipzig bleibt durch seinen Wettbewerbsvorteil im Konglomerat mit den anderen Red-Bull-Ablegern ein dauerhafter Kontrahent. Neu dazu gekommen ist Eintracht Frankfurt.

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Die SGE stellt mit einem Durchschnittsalter von etwas unter 23 Jahren den jüngsten Kader aller Bundesligamannschaften, hat dabei sogar den VfB Stuttgart unterboten. Beide - der VfB und die Eintracht - stehen in der Tabelle mittlerweile aber deutlich vor Borussia Dortmund und dürfen sich über eine stete Wertentwicklung ihrer Kader freuen.

Nicht erst der Verkauf von Omar Marmoush an Manchester City für kolportierte 80 Millionen Euro ist dafür ein Beleg. Frankfurts Kader hält zudem noch einige andere Perlen parat, die den Klub früher oder später für sehr viel Schmerzensgeld verlassen könnten.

Das Dortmunder Erfolgsmodell der letzten Jahre ist trotz einer üppig besetzten Scoutingabteilung samt Sven Mislintat als deren Kopf gehörig ins Schlingern geraten und sollte im Sommer dringend neu definiert werden. Aktuell geht es wohl eher um Schadensbegrenzung und dass das Minimalziel Champions-League-Teilnahme noch geschafft wird. Dafür muss der Klub jetzt aber endlich auf dem Transfermarkt aktiv werden - und die richtigen Griffe tun. Rund zwei Wochen bleiben dafür noch Zeit, in denen aber auch vier Pflichtspiele anstehen und damit die Gefahr, in der Bundesliga nahezu alles schon zu verlieren. Es zählt jetzt wirklich jeder einzelne Tag.

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